Schattenbanken in China: "Hier tickt eine Zeitbombe"

Zeitbombe tickt Chinas Schattenbanken
Zeitbombe tickt Chinas Schattenbanken(c) Reuters
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2012 flossen ohne Aufsicht Kredite in Höhe von 2,8 Billionen Euro. Das sind ein Viertel aller ausstehenden Darlehen und die Hälfte aller neuen Kredite.

In China blüht der graue Finanzmarkt. Ohne Aufsicht flossen 2012 Kredite in Höhe von 2,8 Billionen Euro. Banker warnen vor einer Kreditblase und riskanten Finanzprodukten, die wie Schneeballsysteme zusammenbrechen könnten - wie 2008 bei der Krise in den USA. "Es gibt potenzielle Risiken im Finanzsektor", sagte Chinas scheidender Ministerpräsident Wen Jiabao fast etwas beiläufig in seinem Rechenschaftsbericht vor dem Volkskongress in Peking. Eine krasse Untertreibung, wie Experten finden.

"Hier tickt eine Zeitbombe", warnt der Repräsentant eines Weltkonzerns mit Milliardeninvestitionen in China. "Das kann nicht gut gehen." Finanzfachleute ziehen erschreckende Parallelen zur Lage in den USA vor der Lehmann-Pleite 2008, als die Weltwirtschaft in die Finanzkrise gerissen wurde.

"Die Frage ist, wann die Kreditblase platzt"

Auch ein Finanzkollaps in der zweitgrößten Volkswirtschaft könnte verheerende Folgen für die Weltkonjunktur haben. "Die Frage ist für uns nicht mehr länger, ob Chinas Kreditblase platzt, sondern wann und wie", schreibt die Schweizer Bank Credit Suisse in einer Analyse. "Geldbeschaffung und Kreditaktivitäten der Schattenbanken sind überfrachtet mit Unregelmäßigkeiten", heißt es. "Viele Produkte die gegenwärtig angeboten werden, gleichen den forderungsbesicherten Schuldverschreibungen (CDO), die in den USA vor der Finanzkrise abgeboten wurden - wenngleich ohne Aufsicht und Überwachung."

Zum chinesischen Schattenbankenwesen werden boomende Treuhandfonds, dubiose Vermögensverwaltungen, Finanzierungsvehikel kommunaler Regierungen (LGFV) und Untergrundbanken gezählt. Credit Suisse schätzt den Umfang der informellen Kreditvergabe im vergangenen Jahr auf gigantische 22,8 Billionen Yuan, umgerechnet 2,8 Billionen Euro, oder 44 Prozent der Wirtschaftsleistung Chinas. Das sind ein Viertel aller ausstehenden Darlehen und die Hälfte aller neuen Kredite, die im vergangenen Jahr vergeben worden sind.

Chinesischer Bankchef warnt vor "Schneeballsystem"

Treuhandfonds verwalten allein 7,5 Billionen Yuan - achtmal mehr als vor fünf Jahren. Im November lösten sie den Versicherungssektor als größten Teilbereich ab. Banken benutzen die Fonds wie ausgelagerte Kreditabteilung und schleusen Kapital an Büchern und offiziellen Quoten vorbei. Auch Lokalregierungen, die bei Banken leer ausgehen, wenden sich an Treuhandfonds. Ihren Anlegern wiederum bieten die Fonds attraktive Vermögensverwaltungen mit hohen Zinsen an.

Die Produkte sollen durch Investitionen und Kredite abgesichert sein. "Aber wer was garantiert, weiß hier kaum noch jemand", heißt es. Die Risiken seien wie bei der Finanzkrise in den USA nicht zu überschauen. Der Chef der Bank of China, Xiao Gang, spricht schon länger von einem "Ponzi Scheme" - einem Schneeballsystem oder Pyramidenspiel, das leicht zusammenbrechen kann. "Unter bestimmten Bedingungen kann die Musik aufhören, wenn Investoren das Vertrauen verlieren", zitiert ihn die Tageszeitung "China Daily".

Credit Suisse malt Horrorszenario

Er sorgt sich, dass Probleme der Schattenbanken das reguläre Bankensystem infizieren und eine Kreditklemme auslösen könnten, wie sie die USA 2008 in die Knie gezwungen habe. Es könne zu einer "Liquiditätskrise" kommen, wenn die Märkte unter Druck gerieten. Die Blase könnte laut Ökonomen schon durch wachsende Inflation platzen, wenn Zinserhöhungen notwendig werden. Alarmiert über den unerwartet starken Preisschub im Februar machte Zentralbankchef Zhou Xiaochuan am Donnerstag deutlich, im Notfall den Geldhahn zudrehen zu wollen.

Höhere Zinsen könnten Kapitalflüsse in den Anlage- und Vermögensverwaltungsmarkt austrocknen und Pleiten auslösen, malt die Credit Suisse ein Horrorszenario an die Wand. Müssten reguläre Banken zu Hilfe kommen, wäre Darlehensknappheit die Folge. Die Kreditklemme hätte verheerende Auswirkungen auf den überhitzten Immobilienmarkt und die kommunalen Schulden. "Faule Kredite würden stark ansteigen."

Weckruf bereits 2012

Ein Weckruf war bereits 2012 die Krise im Untergrundbankensystem in Wenzhou in der Provinz Zhejiang. In der Boomregion sind viele private Unternehmen vom informellen Kreditmarkt abhängig - einem undurchsichtigen Geflecht von Unternehmen, Investoren, illegalen Geldverleihern oder skrupellosen Kredithaien. Damals hatte der Rückgang im Exportwachstums die Blase am Kreditmarkt platzen lassen, so dass die Regierung große Banken zur Hilfe rufen musste.

(APA/dpa)

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