Europa verliert Anschluss an Amerika

A man talks on a telephone outside a branch of Nordic telecoms group Tele2 in St. Petersburg
A man talks on a telephone outside a branch of Nordic telecoms group Tele2 in St. PetersburgREUTERS
  • Drucken

Zu viele Telekomkonzerne rittern in Europa um einen kleinen und stark regulierten Markt. Die Preise sind am Boden, die Schulden hoch. Übernahmen werden immer häufiger.

Moskau/Wien/Auer/Eid. Milliardeninvestitionen für neue Technologien und die entsprechende Infrastruktur, Milliardenbeträge für Frequenzen, und teilweise ebenso hohe Verluste: Die europäischen Telekomkonzerne sitzen alle im selben Boot, das angesichts des durch den beinharten Preiskampf bedingten Ertragsschwunds stark leckt. Von Hammerfest bis Palermo werden Dividenden gekürzt bzw. gestrichen und Sparprogramme aufgesetzt. So schlecht kann es den Konzernen aber gar nicht gehen, dass sie nicht Begehrlichkeiten wecken. Die Konsolidierung des europäischen Telekommarkts ist wieder in Gang.

Das jüngste Beispiel ist der schwedische Telekomkonzern Tele2. Um das Russlandgeschäft des angeschlagenen Unternehmens, das auch in Österreich aktiv ist, tobt eine Bieterschlacht. Mit einem Offert von 3,6 bis vier Mrd. Dollar will der russische Milliardär Michail Fridman die russische Bank VTB ausstechen. Diese hat kürzlich 3,5 Mrd. Euro geboten.

Das ist aber noch nicht alles: Fridman, der Anteile am russischen Mobilfunker Megafon hielt und an der Vimpelcom noch hält, denkt über ein Angebot für den gesamten Tele2-Konzern nach. Dieses Ansinnen reichte, um Tele2-Aktien am Donnerstag zeitweise um fast sechs Prozent zu verteuern. Wie viel Fridman, der zuletzt allein 14 Mrd. Dollar aus dem Verkauf von Anteilen an der russischen Ölfirma TNK-BP erlöst hatte, für die gesamte Tele2 springen lassen würde, ist nicht bekannt. Der Börsenwert liegt derzeit bei rund 7,5 Mrd. Dollar.

TA verliert halben Börsenwert

Der Kurssprung reichte aber nicht aus, um die Verluste auszugleichen, die Tele2 im Vorjahr im Gleichklang mit Europas Telekomunternehmen erlitten hatte. Die Aktien verloren seit Anfang 2012 über zehn Prozent an Wert. „Die europäischen Telekomunternehmen haben einen deutlichen Wertverfall zu verkraften“, weiß auch Hannes Ametsreiter, Chef der Telekom Austria (TA). Sein Unternehmen verlor im selben Zeitraum gar 44Prozent an Börsenwert.

Gleichzeitig feiern US-Pendants Wachstumssprünge und Rekordmargen von bis zu 47Prozent. Der Grund für das Ungleichgewicht ist in seinen Augen klar: die Regulierung und der dicht gedrängte Markt. „Zwei Drittel unserer Umsatzverluste sind auf die Regulierung zurückzuführen“, sagt der TA-Chef. Und den Rest besorgt der Wettbewerb. Während sich in den USA nur sechs Anbieter den Kuchen teilen müssen, sind es in Europa über hundert.

Entsprechend niedrig sind die Preise, die sie den Kunden verrechnen können. Zum Vergleich: Seit 2007 stieg der Durchschnittsumsatz pro US-Kunde im Monat um ein Viertel auf 49 Dollar (38,25 Euro). In Europa sank der Wert unterdessen um 15Prozent auf 24 Euro. Geld, das den Unternehmen für den Ausbau der Netze fehlt. Während andernorts LTE-Netze bereits ausgebaut wurden, hat sich die europäische Branche darauf konzentriert, ihre Schuldenberge abzubauen. Jetzt zögern Investoren, den Ausbau schnellerer Datenhighways zu finanzieren.

Nun ist das Problem auch in Brüssel erkannt worden. EU-Telekomkommissarin Neelie Kroes unterstützt den Plan, ein gemeinsames europaweites Telekomnetz zu bauen. Die guten Nachrichten machten sich an den Börsen prompt bemerkbar. Seit Mitte Februar machten Europas Telekomkonzerne neun Prozent des Kursverfalls wieder wett. Analysten von Berenberg raten zur Vorsicht. Viel mehr als ein Strohfeuer sei das bisher nicht.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.03.2013)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.