Frauen können doch alles haben

Die Revolution ist stecken geblieben, findet Sheryl Sandberg, Geschäftsführerin von Facebook. Warum Frauen sich vor dem Erfolg nicht fürchten müssen, erklärt sie in ihrem neuen Buch.

Die Welt hat sich verändert – regiert wird sie aber nach wie vor von Männern. Das sagt ausgerechnet eine Frau, die so viel Macht hat wie kaum eine ihrer Geschlechtsgenossinnen: Sheryl Sandberg ist Geschäftsführerin von Facebook, Harvard-Absolventin, millionenschwer und rangiert auf der „Forbes“-Liste der mächtigsten Frauen der Welt auf Platz zehn. Aber im Herzen ist sie eine ganz normale Frau. Sie hat Selbstzweifel, Morgenübelkeit während der Schwangerschaft und sieht sich abends gern Serien an, die ihr Mann als schlecht bezeichnet. So beschreibt sich Sandberg zumindest selbst. Warum sie es trotzdem weiter als andere gebracht hat? Weil sie sich „reingehängt“ hat.

Wenn es um die Karriere geht, stellen sich Frauen viel zu oft selbst ein Bein, findet die 43-jährige Karrierefrau und zweifache Mutter. Indem sie gar keine oder die falschen Fragen stellen, zu wenig Selbstbewusstsein haben, die Hand nicht heben und sich zurücklehnen, anstatt sich „reinzuhängen“. Weil sie zu wenig von sich erwarten und bereitwillig ihre Karriere Hausarbeit und Kindererziehung opfern. Und weil sie ihre Karrierepläne oft schon zurückschrauben, bevor überhaupt ein Kind in Sicht ist. Kurz: Sie bremsen sich selbst aus. So viele Fehler. Und jeden einzelnen habe sie, Sandberg, selbst begangen.


Herrschsüchtige Mädchen. Das Dilemma fängt schon im Kindesalter an. Während Präsident ein für Buben normaler Berufswunsch ist, kommen Mädchen gar nicht auf diese Idee. Und wenn sie große Ziele haben, dann begreifen sie schnell, dass diese nicht mit einer glücklichen Beziehung vereinbar sind. Sandberg zitiert eine Anekdote, in der ein fünfjähriges Mädchen aufgelöst nach Hause kommt und erzählt, dass sie und der Junge, in den sie verliebt ist, beide Astronaut werden wollen. Die Mutter fragt, was das Problem sei. Das Mädchen: „Wenn wir zusammen in den Weltraum fliegen, wer passt dann auf unsere Kinder auf?“

Gut, Sandberg selbst war da anders und quasi für den Chefsessel geboren. So seien ihre beiden Geschwister ihre „ersten Angestellten“ gewesen. Und sie, Sheryl, habe als Kind nie wirklich gespielt, sondern die Spiele anderer Kinder organisiert, wie ihre Schwester und ihr Bruder gern erzählten. Sehr zum Leidwesen der Managerin. Denn genau das sei eines der Probleme: Wenn ein Mädchen versucht, Führung zu übernehmen, werde es als herrschsüchtig bezeichnet. Bei Jungen komme das selten vor, weil ein Junge als Boss niemanden störe.

Und noch so eine gesellschaftliche Sache: Ist ein Mann erfolgreich, werde er von allen gemocht. Eine erfolgreiche Frau mögen sowohl Frauen als auch Männer weniger gern. Das ist auch der Grund, warum Sandberg während des Studiums geheim gehalten hat, dass sie ein Stipendium für ihre herausragenden Leistungen erhalten hat – während es die männlichen Stipendiaten an die große Glocke gehängt haben. Also halten sich Frauen klein und zögern bei jedem Karriereschritt.

Im Ergebnis sind in den USA nur 14Prozent der Topmanager Frauen. In den 500 umsatzstärksten Unternehmen sind es gar nur vier Prozent. In Europa ist das nicht viel anders: Die Aufsichtsräte börsenotierter Unternehmen in der EU sind zu 16 Prozent Frauen. In Österreich sind es magere zwölf Prozent, unter den Vorständen heimischer Börsefirmen finden sich gar nur 3,3 Prozent Frauen. Und je nach Berechnungsmethode verdienen Frauen hierzulande zwischen zwölf und 25 Prozent weniger als Männer.

„Die Revolution ist stecken geblieben“, schreibt Sandberg. Um sie wiederzubeleben, hat sie ihr, wie sie es nennt, „feministisches Manifest“ geschrieben. Frustrierte Männerhasserin ist sie übrigens keine. So waren fast alle ihrer Förderer Männer, darunter der ehemalige US-Finanzminister Larry Summers. Überflüssig zu sagen, dass Sandberg nichts von Quoten hält, sondern lieber auf Leistung setzt. Ganz nach dem Motto: Wer will, der kann.

Wie in Sandbergs glamouröser Welt der Silicon-Valley-Millionärinnen überhaupt alles nur eine Frage des Wollens ist. Wenn sie nur will, arbeitet sie nur 40 Stunden in der Woche statt 90 und ist jeden Tag zum Abendessen zu Hause. Wenn sie nur will, bringt sie ihren Mann dazu, von Los Angeles nach San Francisco zu übersiedeln, damit die Familie zusammen sein und er bei der Kindererziehung helfen kann. Wenn sie nur will, nimmt sie die Familie mit auf die Dienstreise und pumpt sich Milch ab, während sie in einer Telefonkonferenz sitzt. Mit der Kritik, dass sie es sich ja richten, weil leisten kann, hat Sandberg gerechnet. Trotzdem besteht sie darauf, ihr Buch an alle Frauen zu richten.

100 Prozent sind unmöglich. Die Kritik ist berechtigt. Im „echten“ Leben der typischen Mittelschichtsmutter geht es eben anders zu. Da ist die Entscheidung nicht die zwischen Millionengehalt und finanziell bestens versorgtem Hausfrauendasein. Sondern meist eine nüchterne Abwägung zwischen Kosten und Nutzen. Rechnet es sich, arbeiten zu gehen, wenn ich davon gerade die Kinderbetreuung bezahlen kann? Wozu Vollzeit arbeiten, wenn ich Teilzeit fast genauso viel verdiene? Und was werden die anderen denken, wenn ich mein Kind ein Jahr nach der Geburt in der Krippe abliefere? Studien zufolge hält die Angst, eine Rabenmutter zu sein, gerade gut ausgebildete Frauen davon ab, Kinder zu bekommen. Karriere schlägt Kind. Oder umgekehrt.

Natürlich hat Sandberg auch für diesen Fall einen Rat. Frauen können sehr wohl alles haben. Aber eben nicht alles zu hundert Prozent. Sie müssten sich von der Idee verabschieden, gleichzeitig die perfekte Mutter und die perfekte Mitarbeiterin zu sein. Ist schon in Ordnung, so Sandberg. Superwoman ist die Gegenspielerin der Frauenbewegung. Fehlt nur noch eines: die richtige Beziehung. Auch das geht. Frauen, denen ihre Karriere wichtig ist, sollten sich ihren Mann nur ja nicht nach dessen Coolness aussuchen. Sondern danach, ob er bereit ist, im Haushalt und bei der Kindererziehung die Hälfte zu übernehmen. Ein echter Partner eben, der sich zu Hause so richtig reinhängt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 31.03.2013)

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