Pharmariese Novartis verliert wichtigen Patentstreit

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Pharmariese Novartis verliert wichtigen(c) EPA (DIVYAKANT SOLANKI)
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Die Höchstrichter in Indien verweigern Novartis ein Patent für ein Krebsmittel. Das Urteil gilt als Präzedenzfall im Streit um Generika und um einen Milliardenmarkt.

Basel/Apa/Reuters. Der Schweizer Pharmakonzern Novartis hat den Patentstreit um sein Krebsmittel Glivec in Indien endgültig verloren. Das Oberste Gericht des Landes entschied am Montag in Neu Delhi, dass Novartis kein Patent für das Medikament erhält.

Beobachter sehen in der höchstrichterlichen Entscheidung einen Präzedenzfall, der für andere Patentklagen wegweisend sein dürfte. Hilfsorganisationen begrüßten das Urteil, da günstige Nachahmer-Präparate aus Indien für die ganze Welt wichtig seien.

Kritiker werfen Pharmafirmen vor, Arzneimittel zurückzuziehen, bevor das Patent ausläuft. Danach werden die Medikamente in leicht veränderter Form wieder teuer auf den Markt gebracht. Die indischen Behörden hatten bereits 2006 die Patentierung von Glivec verweigert. Sie erklärten, der Hauptwirkstoff sei nicht neu, sondern nur eine leicht veränderte Version eines älteren Wirkstoffs. Novartis ging dagegen in Berufung. Der Rechtsstreit dauerte sieben Jahre. Nun entschied auch das Oberste Gericht, das Novartis-Produkt erfülle nicht die Patentrichtlinien.

In Indien werden nur noch neue Medikamente geschützt, wenn eine „erhöhte therapeutische Wirksamkeit“ nachweisbar ist. So soll das sogenannte „Evergreening“ verhindert werden – gemeint ist die Verlängerung des Patentschutzes mit nur minimalen Veränderungen des vorher patentierten Wirkstoffs.

„Innovationsfeindliches Urteil“

Glivec ist für Novartis ein wichtiger Umsatzbringer. Das Unternehmen kritisierte das Urteil als „innovationsfeindlich“. Die indischen Gesetze würden nur eingeschränkten Schutz für geistiges Eigentum bieten. Die Schweizer sind der Ansicht, dass Glivec sehr wohl eine Neuentwicklung sei. Zwar sei das Molekül vorher schon patentiert gewesen, aber erst nach jahrelanger Forschung habe man es in eine Kristallform gebracht. Daher könne das Medikament nun auch als Pille verabreicht werden.

Glivec ist in 40 Ländern geschützt und wird zur Behandlung von Leukämie eingesetzt. Eine Monatsbehandlung kostet rund 2600 US-Dollar (2027 Euro).

In der Regel sichern Patente den großen Konzernen ein exklusives Verkaufsrecht für Medikamente nach 20 Jahren. Nach Ablauf der Frist können auch andere Firmen die Präparate als Generika herstellen und zu einem Bruchteil des Originalpreises verkaufen.

Indische Gesundheitsaktivisten fordern seit Jahren billigere Medikamente. In dem Land verdienen 40 Prozent der 1,2 Milliarden Einwohner weniger als einen Euro am Tag. Indiens Pharmaunternehmen, die sich auf das Kopieren von bestehenden Präparaten spezialisiert haben, begrüßten das Urteil. Pratibha Singh, Anwältin des Generikaherstellers Cipla, sprach von einem „Präzedenzfall“. Das Gericht habe entschieden, „dass Patente nur für wirkliche Erfindungen erteilt werden, wiederholtes Patentieren wird nicht erlaubt“, so Singh. Vor allem in ärmeren Ländern wie Indien gibt es einen großen Markt für Nachahmerprodukte. Bis 2015 laufen weltweit Patente für Arzneimittel mit einem jährlichen Umsatz von 150 Milliarden US-Dollar aus.

Auswirkungen auf andere Firmen

Die Entscheidung gegen Glivec könnte Analysten zufolge die Chancen von Firmen wie Pfizer und Roche schmälern, die ebenfalls in Indien um Patentschutz streiten. Die Organisation Ärzte ohne Grenzen lobte das Urteil, weil die günstigen Generika von indischen Pharmafirmen in die ganze Welt exportiert würden. Dabei gehe es nicht nur um Krebsmedikamente, sondern etwa auch um Präparate gegen Aids und HIV, sagte ein Sprecher der Organisation: „Patienten in Indien und in den Entwicklungsländern wie Thailand, Brasilien, Afrika südlich der Sahara, sollten jubeln.“

Nach der Niederlage sind die Aktien von Novartis an der Börse in Bombay am Ostermontag abgestürzt. Sie verloren 6,8 Prozent.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.04.2013)

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