Die Enthüllungen bieten einen bislang unbekannten Einblick in einen Zweig der Finanzindustrie, der von totaler Diskretion lebt. 130.000 Namen aus mehr als 170 Ländern werden aufgelistet.
Es soll das größte Datenleck in der Geschichte sein: Eine anonyme Quelle hat internationalen Medien, darunter der "Süddeutschen Zeitung", einen Datensatz über geheime Geschäfte in Steueroasen zugänglich gemacht. Die Datenmenge aus insgesamt zehn Steueroasen umfasst 260 Gigabyte, es handelt sich um 2,5 Millionen Dokumente. 130.000 Namen aus mehr als 170 Ländern werden darin aufgelistet. Die Dokumente zeigen, auf welchen geheimen Wege Reiche und Kriminelle Briefkastenfirmen und sogenannte Trusts nutzen, um große Vermögen zu verstecken und zweifelhafte Geschäfte zu verschleiern.
Die Dokumente stammen von zwei Firmen, die auf die Errichtung sogenannter Offshore-Gesellschaften spezialisiert sind. Sie gehörten zu den größten Anbietern weltweit. In den Unterlagen fänden sich die Namen von Oligarchen, Waffenhändlern und Finanzjongleuren. Ein Insider spricht von dem "bislang größten Schlag gegen das große schwarze Loch der Weltwirtschaft", schreibt die Süddeutsche Zeitung.
"Ich habe noch nie so etwas gesehen"
Die Daten seien im vergangenen Jahr dem Internationalen Konsortium für investigative Journalisten (ICIJ) in Washington übergeben worden. Die "Süddeutsche Zeitung" habe die Informationen unabhängig verifiziert und monatelang ausgewertet, schrieb das Blatt. Insgesamt arbeiteten Medien aus 46 Ländern zusammen - darunter auch die BBC, der Guardian, die Washington Post, Le Monde und die Schweizer "Sonntagszeitung".
Die Recherchen bei der "Süddeutschen Zeitung", der "Schweizer Sonntagszeitung" und beim "NDR" dauern bereits seit vergangenem Oktober an. Das sagte ein involvierter "SZ"-Redakteur am Donnerstag zur APA. Die Auswirkungen der bisher gefundenen Fakten in der EU seien "schwer abzuschätzen", sagte der Redakteur, "klar ist, die Recherchen werden weitergehen. Das Projekt ist längst nicht beendet."
Hinter dem illegalen Netzwerk stecke "eine gutbezahlte Industrie aus Strohmännern, Buchhaltern, Notaren und Banken", so das ICIJ. Die Enthüllungen bieten laut dem Zeitungsbericht einen bislang unbekannten Einblick in einen Zweig der Finanzindustrie, der von totaler Diskretion lebt. "Ich habe noch nie so etwas gesehen. Die geheime Welt ist öffentlich geworden", wird der kanadische Rechtsprofessor und Steuerexperte Arthur Cockfield zitiert.
"Nicht strafbar, Briefkastenfirma zu haben"
Bei deutschen Steuerhinterziehern dürfte es weltweit ein Hinterziehungsvolumen von rund 400 Milliarden Euro geben, sagte der Vorsitzende der Deutschen Steuergewerkschaft (DSTG), Thomas Eigenthaler, der Nachrichtenagentur dpa. "Wir wissen natürlich schon lange, dass weltweit ein solcher Wildwuchs besteht."
Das deutsche Finanzministerium hat die beteiligten Medien aufgerufen, ihre Informationen an die Steuerfahndung weiterzugeben. Man gehe davon aus, dass "die relevanten Unterlagen an die zuständigen Steuerbehörden der Länder übermittelt werden, damit diese zügig ihre Ermittlungen aufnehmen können", betonte ein Sprecher am Donnerstag in Berlin.
Die Staatsanwaltschaft Düsseldorf, die an den Ermittlungen auf Basis angekaufter Steuerdaten-CDs beteiligt ist, sieht in den neuen Dokumenten zunächst allerdings keine Anhaltspunkte für das Vorliegen von Straftaten. Zur Einleitung eines eventuellen Ermittlungsverfahrens müssten die Hinweise erst konkreter werden, sagte ein Sprecher der Behörde. "Wir haben aber momentan noch keine weitergehenden Erkenntnisse als die Presse." Grundsätzlich sei es nicht illegal, eine Briefkastenfirma zu betreiben. "Eine Briefkastenfirma zu haben ist zunächst einmal nicht strafbar, egal wo auf der Welt sich die Firma befindet."
Ein Fall aus Österreich bekannt
Verwickelt seien dürften laut ICIJ "viele der größten Geldkonzerne der Welt" - namentlich die Deutsche Bank, UBS und die Credit-Suisse-Tochter Clariden, die ihren Kunden Zugang zu Schattenfirmen in Steueroasen wie den Britischen Jungferninseln gäben.
Aus Österreich ist bisher bekannt, dass die in den USA geborene Komponistin Denise Rich mit heimischem Pass verzeichnet ist - allerdings aus jener Zeit, in der sie noch in New York lebte. Sie verdiente viel Geld durch Pop-Hits, die sie komponierte - unter anderem für Stars wie Celine Dion. In welchen weiteren Umfang Österreicher in der Liste verzeichnet sind, ist vorerst noch unklar. Das österreichische Finanzministerium interessiert sich jedenfalls für die aufgetauchten Daten: "Wir gehen der Sache nach", sagte ein Sprecher am Donnerstagmittag. Mehr wollte er aber nicht verraten.
Bis zu 32 Billionen Dollar in Steueroasen
Eine Studie des Tax Justice Network aus dem Jahr 2012 hat gezeigt, dass zwischen 21 und 32 Billionen Dollar in Steueroasen versteckt sind. Den Staaten entgehen dadurch pro Jahr Steuereinnahmen von wenigstens 190 Milliarden Dollar.
>>Karte: Die weltweit führenden Steueroasen
103 griechische Firmen im Visier der Fahnder
Nach den Berichten über Geheimgeschäfte in Steuerparadiesen hat die griechische Regierung Ermittlungen zu 103 Offshore-Unternehmen angekündigt. Das griechische Finanzministerium bestätigte am Donnerstag einen entsprechenden Bericht der Zeitung "Ta Nea". Das Blatt ist ICIJ-Partner.
"Ta Nea" machte insgesamt 107 griechische Offshore-Unternehmen ausfindig. Nur vier davon sind bei den Steuerbehörden in Griechenland erfasst. Der Generalsekretär für öffentliche Einnahmen im Finanzministerium, Charis Theocharis, sagte der Zeitung, die Informationen würden nun ausgewertet und auf mögliche illegale Aktivitäten oder Gesetzesverstöße überprüft. Im Kampf gegen Steuerflucht hatte das Ministerium bereits vor kurzem verstärkte Kontrollen der Offshore-Firmen angekündigt.
Hollandes Wahlkampf-Schatzmeister belastet
Auch Jean-Jacques Augier, ehemaliger Schatzmeister des Wahlkampfteams des französischen Präsidenten François Hollande, ist verstrickt. Er ist Aktionär von zwei Offshore-Firmen auf den Cayman Islands. Augier habe 2005 über seine Finanzholding Eurane zusammen mit weiteren Aktionären das Unternehmen International Bookstores gegründet, das in dem bekannten Steuerparadies ansässig sei, berichtete die französische Tageszeitung "Le Monde" am Donnerstag. Die Enthüllung ist Teil von "Offshore Leaks". Drei Jahre später habe er eine weitere Offshore-Firma gegründet. Augier bestätigte die Beteiligung an den beiden Firmen. Er betonte aber: "Nichts ist illegal". Er habe zudem "weder ein eröffnetes persönliches Bankkonto auf den Cayman Islands, noch direkte persönliche Investitionen in diesem Territorium", sagte Augier "Le Monde" (mehr dazu...).
Erst am Dienstagabend hatte der zwei Wochen zuvor zurückgetretene französische Haushaltsminister Jérôme Cahuzac den Besitz eines heimlichen Auslandskontos einräumen müssen, nachdem er zuvor monatelang die Öffentlichkeit belogen hatte. Gegen den Ex-Minister läuft inzwischen ein formelles Ermittlungsverfahren wegen "Geldwäsche im Zusammenhang mit Steuerhinterziehung".
Untersuchung auch auf den Philippinen
Die philippinische Regierung will im Zuge der Enthüllungen Vorwürfen gegen die Tochter von Ex-Diktator Ferdinand Marcos nachgehen. Laut einem Bericht des philippinischen Zentrums für Investigativen Journalismus vom Donnerstag soll die 57-jährige Imee Marcos eine Offshore-Firma auf den Britischen Jungferninseln nicht den Steuerbehörden gemeldet haben. Marcos soll Finanzberaterin und Begünstigte der geheimen Offshore-Firma gewesen sein.
(APA/dpa)