„Es gibt kein Rütteln am Bankgeheimnis“

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Österreich nimmt beim Treffen der EU-Finanzminister ungewollt die Rolle der letzten EU-Bastion für Steuersünder ein. Luxemburg hingegen zeigt, wie man sich elegant aus der Affäre zieht.

Dublin. Die Dubliner Innenstadt erinnert Donnerstagabend an ein Volksfest und nicht an einen gewöhnlichen Wochentag, dem am nächsten Morgen ein gewöhnlicher Arbeitstag folgt. Die Pubs und Bars sind gerammelt voll, viel Jugend, ausgelassene Stimmung. Mittendrin nippen ein paar ältere Herren im Anzug dezent an ihrem Guinness-Bier. Unter ihnen Ewald Nowotny, der österreichische Notenbank-Chef. Es ist eben kein normaler Arbeitstag in Dublin. Es ist der Vorabend zum Ecofin, dem Treffen der EU-Finanzminister.

Und obwohl das eigentliche Hauptthema dieses Gipfels das Hilfspaket für Zypern ist, gibt es unter den Kongresstouristen in den Bierlokalen in Temple Bar südlich des Flusses Liffey nur ein Thema: Steueroasen.

Ein Interview, das so nie geplant war

Genau eine Woche ist es her, dass ein Journalistennetzwerk von Medien aus 46 Ländern das sogenannte Offshore-Leaks publik gemacht hat. Doch nicht allein die Enthüllung eines gigantischen Datenlecks in Steueroasen heizte die Debatte in Europa an. Es war das Interview des Luxemburger Finanzministers Luc Frieden in der „FAZ“ am Sonntag. Darin erklärte er, dass Luxemburg nicht mehr länger einem „automatischen Informationsaustausch“ im Weg stehe. „Den lehnen wir anders als früher nicht mehr strikt ab. Wir wollen eine verstärkte Zusammenarbeit mit den ausländischen Steuerbehörden“, sagte Frieden. Und plötzlich waren alle Dämme gebrochen. Und plötzlich schwappten die Wellen auch nach Österreich.

Apropos Dämme: Dauerregen und Kälte in Dublin, richtig irisches Wetter also. Mittendrin auch Mitglieder der Luxemburger Delegation. „Das mit dem Interview“, sei so nie geplant gewesen, hieß es Donnerstagabend hinter vorgehaltener Hand. Luc Frieden habe den deutschen Journalisten schon Tage vor Bekanntwerden von Offshore-Leaks das Interview gegeben. Bereits im Februar habe er ebenfalls in aller Öffentlichkeit bekundet, dass Luxemburg „gesprächsbereit“ sei. Damals nahm kaum jemand Notiz davon. Diesmal fand Frieden Gehör. Mehr als ihm und seinem Premierminister Jean-Claude Juncker lieb war.

Diesen Eindruck hatte auch Österreichs Notenbank-Chef Nowotny. Er kennt viele in Luxemburg noch aus der Zeit, als er Vizepräsident der Europäischen Investitionsbank war. „Sie waren alle überrascht“, berichtet er. Österreichische Diplomaten erzählen in Dublin zu nächtlicher Stunde: „Juncker soll getobt haben.“

Wenn dem so war, so fand der konservative Regierungschef schnell wieder die Fassung, machte aus der Not eine Tugend und ging in die Offensive. Ab 1.Januar 2015 werde Luxemburg automatisch über Zinszahlungen informieren, die an Personen in diesen Staaten gezahlt werden, kündete er an und ließ gleichzeitig Österreich allein im medialen Regen stehen. Denn plötzlich scheint Österreich das letzte EU-Land zu sein, das an seinem Bankgeheimnis festhält und Steuerbetrügern die Stange hält. So sind zumindest die Optik und auch die Resonanz der internationalen Medien.

Erst gegen Mitternacht, als in der Dubliner Innenstadt nichts darauf schließen ließ, dass ein gewöhnlicher Arbeitstag folgen könnte, landete das Flugzeug von Finanzministerin Maria Fekter. Im Gepäck hatte die ÖVP-Politikerin eine klare Ansage. „Es gibt kein Rütteln am österreichischen Bankgeheimnis“, sagte sie Freitagfrüh den Medienvertretern in Dublin Castle. Immerhin sei das Bankgeheimnis „in der Verfassung verankert“. „Nachdem die Regierung keine Verfassungsmehrheit hat, sehe ich da auch keinen Weg, das in irgendeiner Form zu ändern.“ Und schon hatten die internationalen Nachrichtenagenturen einen neuen Aufhänger. „Österreich trotzt dem Druck der EU“ titelte Reuters.

Jene Botschaft, die Fekter eigentlich transportieren wollte, ging im internationalen Aufschrei über die letzte Steueroase in der EU unter. „Ich fordere, dass in Europa alle Mitglieder ein Trust-Register bekommen“, sagte die Finanzministerin und verwies auf Zypern, wo ein derartiges Register zur Bekämpfung der Geldwäsche als Bedingung für die Finanzhilfe gestellt wurde. „Anonyme Konstruktionen, die dann das Paradies für Steuerhinterzieher und Geldwäsche sind, sind in Europa nicht mehr gerechtfertigt“, sagte Fekter und richtete ihre Botschaft neuerlich konkret an Großbritannien, das mit den Kanalinseln, Gibraltar, den Cayman Islands und den Jungferninseln „die Hotspots der Geldwäsche“ besitze, wie die Finanzministerin betonte. Tatsächlich gehen jüngste Erkenntnisse davon aus, dass sich 40 Prozent aller Briefkastenfirmen dieser Welt allein auf den britischen Jungferninseln befinden. Mit ihrer öffentlichen Kritik gegen Großbritannien steht Fekter allein im irischen Regen. Der deutsche Finanzminister, Wolfgang Schäuble, der sich bekanntlich mit Kritik an Österreich nicht zurückhält, pflegt mit England einen anderen Umgangston. Das wolle er intern besprechen, und nicht „über die Medien“, sagte er am Donnerstag in einem Zeitungsinterview, in dem er darüber hinaus Luxemburg seinen „Respekt“ für den Schritt weg vom Bankgeheimnis bekundete.

Schäubles „Respekt“ vor Luxemburg

Es ist der Respekt für eine mediale Meisterleistung. Da kommt bei dem einen oder anderen im Tross der österreichischen Finanzministerin fast schon etwas Neid auf. „Die Luxemburger haben bisher nicht einmal die OECD-Richtlinien erfüllt“, sagte Fekter Freitagnachmittag. „Jetzt hat Luxemburg eben mit Österreich gleichgezogen.“ Und wie Österreich knüpft Luxemburg die Zustimmung zu einem automatischen Informationsaustausch an ein großes Aber.

„Dieser Informationsaustausch muss dann aber auch wirklich globaler Standard werden“, forderte Luc Frieden. Und damit meint er nicht nur britische Offshore-Inseln, sondern auch Steueroasen in den USA in Gestalt der Bundesstaaten Delaware und Nevada. De facto hält Luxemburg also genauso wie Österreich beharrlich am Bankgeheimnis fest.

Doch politisch zieht nur Österreich den Ärger der anderen EU-Staaten auf sich. Vor wenigen Tagen drohte Frankreichs Budgetminister, Bernard Cazeneuve, Österreich auf eine schwarze Liste zu setzen. In Dublin kam es deshalb laut Fekter zu einer Aussprache mit dem französischen Finanzminister Pierre Moscovici. Er habe erklärt, dass sein Kollege Cazeneuve noch neu im Amt sei und dies nicht so gemeint habe, erzählte Fekter später Medienvertretern und fügte hinzu: „Sich innerhalb der EU-Länder gegenseitig Sanktionen anzudrohen ist schlechter Stil.“

Als sich der erste Arbeitstag der Finanzminister in Dublin zu Ende neigte, waren die Fronten also geklärt. Österreich präsentierte sich uneinsichtig, Luxemburg als EU-Musterknabe, der kooperieren möchte, auch wenn sich dieser automatische Informationsaustausch ab 2015 wohl auf das Allernotwendigste beschränken wird.

Finanzministerin Fekter sieht in ihm einen „massiven Eingriff in die Privatsphäre“. „Da schnüffelt der Staat doch sehr tief in die privaten Angelegenheiten der Kontoinhaber“, sagt sie, bevor sie im Konferenzsaal an der Seite von Luc Frieden und Wolfgang Schäuble freundlich in die Kameras lächelt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.04.2013)

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