EZB vor Zinssitzung: Da geht noch was, oder?

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Egal, ob die EZB am Donnerstag die Zinsen senkt oder nicht, fest steht: Mario Draghi kann es nicht allen recht machen. Denn Deutschland hätte gerne höhere Zinsen. Und die wird es garantiert nicht geben.

[Wien] Mario Draghi ist kaum zu beneiden. Als er Ende 2011 dem Franzosen Jean-Claude Trichet an der Spitze der Europäischen Zentralbank nachfolgte, nahm der ehemalige Notenbank-Chef Italiens immerhin eine 50-prozentige Gehaltskürzung in Kauf (von rund 760.000 auf rund 370.000 Euro pro Jahr). Und wofür? Draghis Bilanz kann sich zwar durchaus sehen lassen - immerhin darf er von sich behaupten, den Euro erstmal „gerettet" zu haben. Aber Dank darf er sich nicht erwarten. Der EZB-Chef kann es nicht allen recht machen - das ist sozusagen Teil des Jobs.

Diese Regel wird sich am Donnerstag wieder bestätigen. Und zwar egal, ob Draghi und sein Direktorium die Zinsen senken (wie einige Experten erwarten) - oder ob sie die Zinsen auf dem aktuellen Rekordtief von 0,75 Prozent belassen (wie es andere Experten erwarten). Beschwerden wird es garantiert geben. Nur eines gilt als sicher: Zinserhöhungen sind keine zu erwarten (da sind sich ausnahmsweise alle Experten einig).
Es hat schon seinen Grund, warum Draghi und andere EZB-Notenbanker immer und immer wieder darauf hinweisen, dass Geldpolitik kein Allheilmittel sein kann. Dass die Staaten in der Verantwortung seien, Reformen anzugehen. Dass die EZB nur auf die Preisstabilität zu achten hat - und auf sonst nicht viel. Und dass sie bei ihrer Arbeit völlig unabhängig bleiben muss - egal, wie groß der Druck der Politik wird.

Es ist nämlich so: Die EZB ist „im Kleinen" mit den „großen Problemen" der ganzen Welt konfrontiert. Konkret: mit den unterschiedlichen Bedürfnissen robuster Volkswirtschaften wie Deutschland und maroder Staaten wie Griechenland. Noch konkreter: Deutschland steht noch niedrigeren EZB-Zinsen im Wege. Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte vergangene Woche sogar angemerkt, dass ihr Land eher höhere Zinsen benötige. Man muss wissen: Deutsche Politiker kommentieren normalerweise die Politik der Notenbank nicht. Sie sind die Autorität der Bundesbank gewohnt.

Druck auf die EZB

Deswegen ist so ein Wort Merkels auch hundertmal gewichtiger als der siebzehnte französische Minister von links, der wieder einmal billigeres Geld fordert. Allerdings: Die europäischen „Weichwährungsländer" stellen im EZB-Rat die Mehrheit (auch weil oft unklar ist, wo zum Beispiel die Oesterreichische Nationalbank steht). Und sie sind nicht alleine. Auch international wächst der Druck auf Deutschland. So lässt auch IWF-Chefin Christine Lagarde keine Gelegenheit aus, um von Deutschland und der EZB „mehr Bewegung" zu verlangen.

Als einzige wichtige Zentralbank wehrt sich die EZB bisher gegen die totale Nullzinspolitik und allzu ausgefallene Notfallprogramme zur Finanzierung staatlicher Defizite (Stichwort: Quantitative Easing). Aber tatsächlich sieht es so aus, als stünden die Zeichen in dieser Woche auf einem Erfolg der „Weichwährungsfraktion". Die Börsen scheinen eine Zinssenkung vorwegzunehmen: sie steigen. Auch der geldpolitisch sensible Goldpreis legt wieder zu.
Ein Placeboeffekt oder Zeichen nachhaltiger Erholung? Bedeutet ein EZB-Zinsschritt nach unten: Ende gut, alles gut? Die meisten Experten erwarten einen solchen allerspätestens im Juni. Hier sind die entscheidenden Punkte:

► Stimmungen und Experten können irren. Eine ähnliche Debatte rund um den EZB-Leitzins gab es schon vor einigen Monaten. Schon da hieß es vonseiten der „Marktexperten", dass eine Zinssenkung zu erwarten sei. Und was machten Draghi und Co.? Gar nichts machten sie. Mit gutem Grund.

► Denn - und das ist ein entscheidender Punkt - die EZB kann so eine Zinssenkung noch genau zweimal einsetzen, dann hat sie ihren viel zitierten „Spielraum" verspielt. Senkt sie den Zins am Donnerstag auf 0,50 Prozent, bleibt der Euro-Notenbank nur noch ein Schritt nach unten: auf 0,25 Prozent - das Niveau der US-Notenbank Fed. Die historisch einmaligen Fed-Zinssenkungen auf quasi null Prozent kamen nach dem Kollaps von Lehman Brothers zur Bekämpfung der „größten Krise seit den 1930ern" - die EZB steht heute nicht vor einem derartigen Abgrund.

► Die Lage in Europa hat sich sogar entspannt. Weder droht Spanien und Italien die „Rote Karte" vom Bondmarkt - noch steht ein Euroaustritt Griechenlands oder Zyperns bevor. Irland und Portugal melden sogar verhaltene Erfolge. Und Merkels Bemerkung zeigt, dass der Euro aus Sicht der (wichtigen) Deutschen nicht nur aus Philosophiegründen „hart" bleiben muss. Auch, weil die deutsche Wirtschaft sonst zu überhitzen droht.

► Fazit: Wenn die „Experten" und die „Stimmung" recht behalten, wird es zu einer kleinen Zinssenkung kommen - entweder am Donnerstag oder im Juni. Es sind noch zwei Schritte bis auf Fed-Niveau. Da geht noch was, oder? Aber: Genauso gut könnte die EZB die Märkte auf die Folter spannen - und sich einfach gar nicht bewegen. Das wäre ein Zugeständnis an Deutschland - aber sicherlich kein „Kniefall". Was Merkel wirklich will, kann Draghi ihr nicht geben: Zinserhöhung ausgeschlossen.

("Die Presse", Print-Ausgabe vom 30.4.2013)

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