Gazprom und der Verlust der Weltmeisterschaft

Europa hat den Import des über Pipelines transportierten Gases reduziert.
Europa hat den Import des über Pipelines transportierten Gases reduziert.(c) EPA
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Der russische Gasriese Gazprom ist plötzlich nicht mehr Nummer eins beim Gewinn. Dafür haben die Probleme zugenommen. Gazprom sucht eifrig nach Exportverträgen im ostasiatischen Raum.

Moskau. Über Jahre hat der russische Gasriese Gazprom vor Kraft kaum noch gehen können. Hat sich mit seiner Vormachtstellung Respekt gesichert, mit seiner präpotenten Rhetorik aber auch Verachtung zugezogen. In jedem Fall aber konnte er sich lange der Siegespalme im globalen Wettbewerb der gewinnstärksten Unternehmen sicher sein.

Damit ist nun fürs Erste einmal Schluss. Jüngst veröffentlichte Zahlen für 2012 zeigen, dass Gazprom auf den dritten Platz hinter Exxon Mobil sowie Apple zurückgefallen ist. Der Gewinn fiel um zehn Prozent auf 1,182 Billionen Rubel (29,2 Mrd. Euro). Darüber zu jammern ist zwar noch immer klagen auf hohem Niveau. Bei genauerem Hinsehen aber zeigt sich, dass Gazprom mit einer ganzen Reihe langfristiger Probleme kämpft.

Der Grund für den Gewinnrückgang liegt einerseits im rückläufigen Exportgeschäft und andererseits in den „retroaktiven Zahlungen“ an Kunden in Europa. Letzteres erklärt sich damit, dass westliche Konzerne nach Beginn der Finanzkrise und angesichts des Überangebotes auf dem Gasmarkt auf eine Revidierung der Langfristverträge bei Gazprom gepocht haben. Als Folge sind Gazproms Rückzahlungen 2012 auf 2,5 Mrd. Euro angewachsen. Und 2013 müssten wohl Preisnachlässe von 3,6 Mrd. Euro gewährt werden, sagten Firmenvertreter im Februar. Noch empfindlicher trifft Gazprom freilich, dass die Kunden im In- und Ausland weitgehend konjunkturbedingt um 7,1 Prozent weniger gekauft haben. Für Gazprom diesbezüglich bedeutsam ist vor allem der lukrativste Markt, Europa. Und hier sind die Prognosen über die Perspektiven sehr divergierend. Faktum ist, dass Gazprom 2012 nur 138,8 Mrd. Kubikmeter nach Westeuropa exportiert hat – um 7,5 Prozent weniger als 2011. Das ficht Gazprom-Chef Alexej Miller offenbar nicht an: Seiner Prognose zufolge werde man 2013 wieder wie zu den besten Zeiten bis zu 151,8 Mrd. Kubikmeter (das Achtzehnfache des österreichischen Jahresverbrauchs) absetzen. Im Jahr 2020 dann soll der Marktanteil in Europa von derzeit 25 Prozent auf 30 Prozent gestiegen sein.

Wie sehr Gazprom die Rechnung ohne den Wirt macht, ist nicht ausgemacht. Vor allem die seit wenigen Jahren in den USA boomende Förderung von Gas aus Schiefergestein könnte den Markt revolutionieren und hat es zuletzt bereits getan. Mit der bekannten Folge, dass Europa vermehrt das zu Spottpreisen gehandelte, billigere Flüssiggas (etwa aus Qatar) zugekauft und den Import des über Langfristverträge durch Pipelines transportierten Gases aus Russland reduziert hat.

Gewiss, laut Internationaler Energieagentur (IEA) bleibt Russland zumindest mittelfristig größter Lieferant nach Europa. Es sei denn, die Förderung aus Schiefergestein feiert einen weltweiten Durchbruch: Dann könnte sich der russische Export von Öl und Gas in den kommenden zehn bis 15 Jahren um über 20 Prozent verringern, warnt die Russische Akademie der Wissenschaften.

Probleme im Inland

Das ist natürlich hypothetisch. Realistisch aber ist, dass der Preisverfall durch das Überangebot Gazprom auch auf seinem volumenmäßig größten Markt, Russland, treffen wird. Gazprom hat ja gehofft, ab 2016 die künstlich niedrig gehaltenen Inlandspreise an die teuren Exportpreise anzupassen. Das Wirtschaftsministerium deutete nun aber an, dass sich der weltweite Preisverfall auch im Inland niederschlagen müsse.

Ob dieser Schwierigkeiten ist es nur zu verständlich, dass Gazprom eifrig nach Exportverträgen im ostasiatischen Raum sucht. Dies auch vor dem Hintergrund, dass aufstrebende Konkurrenten im Inland, wo Gazprom 73 Prozent Marktanteil hält, Gazproms Exportmonopol brechen wollen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.05.2013)

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