EU-Strafzölle: Handelskrieg mit China droht

Sonnenkollektoren auf einem Hausdach
Sonnenkollektoren auf einem Hausdachwww.BilderBox.com
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Anfang Juni werden chinesische Solarzellen um bis zu 68 Prozent verteuert. Die EU beschloss Strafzölle wegen Dumpings der Hersteller. China plädiert für eine „Verhandlungslösung“ – noch ohne Gegenmaßnahmen.

Wien/Jaz/Ag. Europäische Hersteller von „nahtlosen Rohren“ könnten die ersten Kollateralopfer eines neuen Handelskonfliktes zwischen der EU und China werden. So teilte das Handelsministerium in Peking am Freitag mit, dass Importe dieser etwa bei Dampfleitungen von Kraftwerken benötigten Rohre hinsichtlich Dumpings „überprüft“ werden sollen. Ein Akt, den viele Beobachter als erste Retourkutsche gegen die am Mittwoch beschlossenen EU-Strafzölle in Höhe von bis zu 68 Prozent auf chinesische Solarzellen werten.

Nach außen hin gibt sich die chinesische Führung zwar betont entspannt und ruft die EU zu einer Verhandlungslösung auf. „Wir hoffen, dass beide Seiten konstruktiv bleiben können, damit es weiterhin eine für alle gewinnbringende Kooperation gibt“, erklärte eine Sprecherin des Ministeriums möglichst diplomatisch. Hinter den Kulissen dürfte der Schritt Europas aber zu großer Verstimmung in Peking geführt haben. Denn er könnte nicht nur den globalen Siegeszug der chinesischen Solartechnologie bremsen, er könnte auch zum Untergang von hunderten Unternehmen führen. Denn wie in Europa wurden auch in China im Solarbereich Überkapazitäten aufgebaut.

Schlüsseltechnologie für Chinas Führung

Erneuerbare Energie wurde von Chinas Führung nämlich schon vor einigen Jahren als Schlüsseltechnologie definiert. Und daher erhielten die Unternehmen auch staatliche Vergünstigungen wie kostenloses Bauland für ihre Werke oder nahezu kostenlose Kredite. Dies führte zu einem wahren Boom. Hunderte Firmen nahmen die Produktion auf, weshalb die Preise global in den Keller fielen. Leidtragende waren dabei vor allem die europäischen Solarzellenhersteller – allen voran jene aus Deutschland, wo sich infolge der hohen Subventionen für Sonnenstrom nur wenige Jahre zuvor ebenfalls eine große Industrie gebildet hatte.

Mit den Strafzöllen von durchschnittlich 47 Prozent soll dieses staatlich gestützte Preisdumping der Chinesen nun verhindert werden, lautet die Argumentation der EU. Einen ähnlichen Schritt haben bereits im Vorjahr die USA gesetzt. Dort reichten die Zollsätze sogar bis zu 250 Prozent. Europa ist für Chinas Solarindustrie jedoch ein ungemein wichtigerer Markt. So exportierten die Chinesen 2011 Solarzellen im Wert von 2,4 Mrd. Euro in die USA, nach Europa waren es Paneele im Ausmaß von 21 Mrd. Euro. Einzelne chinesische Firmen exportieren bis zu 90 Prozent ihrer Produktion nach Europa.

Die EU-Strafzölle könnten nun also den Todesstoß für viele Hersteller bedeuten. Denn auch ohne sie leidet Chinas Solarindustrie an den eigenen Überkapazitäten sowie einer Absatzschwäche in Südeuropa. 2012 sanken die Importe nach Europa laut Zahlen von Chinas Handelskammer bereits um 45 Prozent. Daher dürfte China die geplante Einführung der Zölle ab 6. Juni auch nicht einfach so hinnehmen. Schon im Herbst des Vorjahres kommentierte Liangshen Miao, der Chef des chinesischen Solarkonzerns Yingli, die Einführung der US-Zölle mit den Worten: „Wir sind nun mitten in einem globalen Handelskrieg.“

China erhebt Strafzölle auf US-Autos

Das Wort Handelskrieg wird sowohl in China als auch in Europa zurzeit noch tunlichst vermieden. Denn China und die EU sind füreinander jeweils die größten und wichtigsten Handelspartner, weshalb allen Beteiligten die Brisanz der Situation klar ist. Doch dass die Chinesen bei „Uneinsichtigkeit“ des Gegenübers nicht zögern, auch Gegenmaßnahmen zu setzen, ist an dem vorjährigen Konflikt mit den USA zu sehen. So sind inzwischen etwa chinesische Strafzölle auf amerikanische Autos in Kraft. Für die US-Autoindustrie ist China jedoch lange nicht so wichtig wie für Deutschlands Hersteller. Eine ähnliche Maßnahme im Konflikt mit der EU hätte also weit drastischere Auswirkungen.

Effekte haben die EU-Strafzölle aber natürlich auch auf den europäischen Solarmarkt – und zwar nicht nur für die Hersteller, sondern auch für die Kunden. Für diese könnten Solarpaneele ab Juni nun wieder teurer werden. Betroffen wären davon auch tausende Österreicher, die sich Solarzellen auf ihre Hausdächer montieren lassen. Europäische Solarstromverbände lobbyierten daher bereits im Vorfeld gegen die Strafzölle. Sie befürchten, dass durch die Verteuerung der Solarzellen der Ausbau der Fotovoltaik gebremst und somit die gesamte Energiewende verzögert werden könnte.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.05.2013)

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