Amazons legale Steuervermeidung

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Der Online-Handelskonzern wird heftig kritisiert, weil er sein Geschäft über Luxemburg abwickelt. Auch andere Internetfirmen stehen im Kreuzfeuer.

Wien/Jaz/Reuters. „Sie tun Böses.“ Mit dieser drastischen Anspielung auf das Google-Motto („Sei nicht böse“) fand die Befragung des Google-Nordeuropa-Chefs, Matt Brittin, am Donnerstag vor dem Steuerausschuss des britischen Parlaments seinen emotionalen Höhepunkt. Zuvor war Brittin mehrere Stunden von den Abgeordneten über die Steuerzahlungen des Konzerns in Großbritannien befragt worden. Grund dafür war, dass Google zwischen 2006 und 2011 im Vereinigten Königreich 18 Mrd. US-Dollar an Umsätzen generierte, aber nur 16 Mio. Dollar Steuern ablieferte.

Schon am Tag zuvor mussten sich Vertreter des Online-Handelskonzerns Amazon den Fragen der Abgeordneten stellen. Zum zweiten Mal nach dem vergangenen November bereits. Und auch hier lautet der Verdacht auf zu geringe Steuerzahlungen: So erzielte Amazon in Großbritannien im Vorjahr laut Aussagen gegenüber Investoren einen Umsatz von 6,5 Mrd. Dollar – die Steuerleistung belief sich jedoch lediglich auf 3,7 Mio. Dollar. Laut Kritikern ein eindeutiges Zeichen für Steuervermeidung.

Wo ist das Internet zu Hause?

Die Firmen verteidigen sich, dass sämtliche steuerlichen Maßnahmen legal seien. Konkret geht es dabei um folgende Frage: Wo werden Umsätze im Internet generiert? Laut Amazon kommen Verträge der Kunden immer mit dem europäischen Hauptquartier in Luxemburg zustande, weshalb die daraus erzielten Gewinne auch dort versteuert werden (laut Google werden Geschäftsabschlüsse mit britischen Kunden in Irland getätigt). Die lokalen Tochtergesellschaften seien lediglich Servicegesellschaften, die von der Mutter Honorare für ihre Dienste wie den Versand der Waren erhalten.

Die britische Amazon-Tochter, die mit 4200 Mitarbeitern rund achtmal größer als das Luxemburger Hauptquartier ist, verbuchte daher in ihren Büchern nur einen Umsatz von 490 Mio. Dollar, womit die Steuerlast von 3,7 Mio. Dollar gleich wesentlich größer aussieht. Doch auch hier besteht weiter das grundsätzliche Problem der Kritiker: Umsatz ist nicht Gewinn – und nur Letzterer wird besteuert. Lokale Gewinndaten werden von Amazon jedoch nicht ausgewiesen.

Auf Konzernebene ist das Verhältnis zwischen Gewinn und Steuerlast jedenfalls deutlich weniger kritikwürdig. So zeigt ein Blick in die Bilanz von Amazon, dass der Konzern 2012 einen Vorsteuergewinn von 544 Mio. Dollar erzielte und davon 428 Mio. Dollar an Steuern bezahlte – was einer Steuerquote von 78,7Prozent entspricht. Allerdings sind die Steuerzahlungen von Amazon aufgrund der weltweiten Aktivitäten sehr volatil. So wurden etwa 2010 bei einem Vorsteuergewinn von 1,5 Mrd. Dollar 352 Mio. an Steuern gezahlt – was aber immer noch einer Quote von 23,5Prozent entspricht.

Bei einem genaueren Blick in die Bilanz wird jedoch auch klar, dass diese Steuerleistung ungleich verteilt ist. So fielen 2012 über 80Prozent davon in den USA an, obwohl Amazon dort nur 57Prozent des Geschäfts erzielt. Noch drastischer war die Situation im Jahr 2010. Damals machte das US-Geschäft knapp 55Prozent aller Umsätze aus (Gewinnzahlen gibt es auf lokaler Ebene ja keine), die Steuerleistung entfiel aber zu 90 Prozent auf die USA. Dies könnte ein Indiz dafür sein, dass Amazon in den USA größere Schwierigkeiten bei legalen Strategien der Steuervermeidung hat. So schreibt der Konzern selbst in seiner Bilanz: „Einkommen in Niedrigsteuergebieten hängt primär mit unserem Europa-Geschäft zusammen.“

Große Worte, kleine Taten

Obwohl diese Steuervermeidung legal ist, werden immer mehr Stimmen laut, dies zu ändern. So soll das Thema laut Gastgeber Großbritannien auch den G8-Gipfel im Juni dominieren. Viele Experten sehen jedoch eine deutliche Diskrepanz zwischen Worten und Taten bei der Politik. Denn sobald es darum geht, konkrete Schlupflöcher zu schließen, wie jüngst im holländischen Parlament angedacht, bildet sich eine große Mehrheit dagegen, um den eigenen Wirtschaftsstandort nicht zu schädigen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.05.2013)

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