Der Niedergang der Nahversorger

Niedergang der Nahversorger
Niedergang der NahversorgerAPA (ROLAND SCHLAGER)
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Niedermeyer und Dayli krankten unter anderem an schlechten Standorten. Die Sonntagsöffnung wäre für Dayli eine Chance gewesen – aber nur in der Stadt.

Wien. Die letzten Stunden des Elektrohändlers Niedermeyer haben geschlagen. Viel scheint nicht mehr da zu sein in den Filialen, bei denen am Freitag der finale Abverkauf startete. In manchen Regalen gab es nichts mehr außer die Schilder, die 50 Prozent Rabatt auf ausgewählte Produkte versprachen. Schon am heutigen Samstag sollen einige Filialen geschlossen werden.

Bei Dayli hingegen ist noch nicht alles verloren. Zwar wurden am Mittwoch 560 Mitarbeiter beim AMS-Frühwarnsystem zur Kündigung angemeldet, 180 von 885 Filialen müssen zusperren. Aber Dayli-Eigentümer Rudolf Haberleitner, der im Moment mit seiner Beteiligungs-GmbH TAP 09 alle Firmenanteile hält, hofft noch, einen Investor an Bord zu holen. 25 Mio. Euro bräuchte der Handelskonzern akut, um seine Schulden zu tilgen.

Die Frage ist allerdings, ob Haberleitners Konzept für die ehemaligen Schlecker-Filialen tragfähig genug ist, um das Ruder noch herumzureißen. Handelsexperten sind sich da nicht ganz einig. Haberleitner will aus Dayli einen multifunktionalen Nahversorger machen, der von Lebensmitteln über Mode, Consumer-Elektronik bis zu Haushaltswaren und Drogerieartikeln eine bunte, etwas gewagte Mischung anbietet.

Einen großen Trumpf, die Sonntagsöffnung mittels Gastronomiekonzession, die für Dayli einen entscheidenden Wettbewerbsvorteil geschaffen hätte, konnte Haberleitner nicht ausspielen. Nach einer Flut von Klagen und Anzeigen vonseiten der Gewerkschaften beschloss die Regierung eine Anpassung der Gewerbeordnung.

Das Projekt war gestorben. „Dayli hätte eine Chance gehabt, wenn die Sonntagsöffnung geklappt hätte", ist Marktforscher Andreas Kreutzer überzeugt. Dayli hätte den Tankstellenshops, die jetzt quasi allein die Sonntagsnische bespielen, Konkurrenz gemacht.

Lieber in die Kirche als zum Einkaufen

Anders sieht das Michael Oberweger von Regioplan. Er findet das Konzept von Haberleitner, egal ob mit oder ohne offenem Sonntag, nicht stark genug. Dayli habe den großen Nachteil, dass es die schlechten Standorte von Schlecker geerbt habe. Schlecker habe alles daran gesetzt, die Kosten niedrig zu halten, um möglichst hohe Margen zu erzielen. Deshalb habe man auf billige, aber strukturarme Filialstandorte im ländlichen Raum gesetzt. Und dabei übersehen, dass sich das Mobilitätsverhalten der Kunden verändert habe. Wobei sich hier die Frage von der Henne und dem Ei stellt.

Sind zuerst die Kunden aus den ländlichen Ortskernen abgewandert, oder die Handelsstandorte? „Menschen, die am Land wohnen, sind es jedenfalls mittlerweile gewohnt, zum Einkaufen weitere Wege auf sich zu nehmen“, sagt Kreutzer. Der offene Sonntag hätte am Land für Dayli auch nicht die Kastanien aus dem Feuer geholt, findet Oberweger. „Im städtischen Raum funktioniert das. Dort sind die Dayli-Filialen aber limitiert.“ Am Land sei der Lebensstil aber anders: „Da gehen die Leute am Sonntag noch in die Kirche und nicht einkaufen, um es überspitzt zu formulieren.“ Insofern sei der jetzige Schritt von Dayli, 180 besonders strukturschwache Filialen zuzusperren, nachvollziehbar. Doch selbst mit guten Standorten müsse Dayli erst beweisen, ob es gegen die Mitbewerber bestehen könne.

„Jeder Postbeamte ist Nahversorger“

Auch bei Niedermeyer sei ein Problem die veraltete Standort- und Sortimentspolitik gewesen, analysiert Kreutzer. „In der heutigen Online-Welt werden Elektroartikel nicht mehr in kleinen Nahversorgerstandorten gekauft, sondern entweder auf der Großfläche oder online. Jeder Postbeamte ist heute Elektrowaren-Nahversorger.“

Während Konkurrent Hartlauer frühzeitig erkannt habe, dass er aus dem Elektrogeschäft herausmüsse und sich mit der Optik und dem Handygeschäft neue Standbeine aufgebaut habe, bot Niedermeyer weiterhin EDV-Artikel und Elektrogeräte an. Und scheiterte im Wettbewerb mit den Großen (Mediamarkt/Saturn). Nischen zu bespielen sei die einzige Chance für kleinere Händler, sich zu profilieren.

Sporthändler Eybl hat es im Gegensatz zu Dayli und Niedermeyer geschafft, mit Sports Direct einen finanzstarken Investor an Land zu ziehen. Das Beispiel Eybl zeigt aber, dass auch die Großfläche strauchelt. Bei Eybl sei das Problem, so Oberweger, nach einem exzessiven Flächenwachstum den geschaffenen Raum auch zu bespielen. Mit Sportartikeln sei das nicht mehr zu bewerkstelligen, deshalb fülle man den Rest mit Mode auf. Und die Großen würden auch Kunden verlieren, weil sie ein Problem mit Beratung haben. Denn man habe zwar die Fläche aufgestockt, nicht aber das Personal.

Das patentierte Erfolgsrezept gibt es momentan im Handel nicht. Auf der Suche danach wird es wohl noch mehr Kollateralschäden geben.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.06.2013)

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