Japan und sein "Abenomics"-Crash

(c) REUTERS (Toru Hanai)
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Die Märkte glauben nicht mehr daran, dass das ambitionierte Wirtschafts - Ankurbelungsprogramm Japans funktioniert: Die Börse Tokio stürzt dramatisch ab.

Tokio/Wien/Ju/Ag. Japan hat große Hoffnung in die Fähigkeit von Ministerpräsident Shinzo Abe gesetzt, die seit mehr als 20 Jahren de facto stagnierende japanische Wirtschaft wieder in Schwung zu bringen. Unter anderem mit einer lockeren Notenbankpolitik nach Art der Federal Reserve. Die Folge war ein kräftiger Börsenboom in Tokio.

Doch jetzt haben die Börsianer ganz offensichtlich ihren Glauben an die Wirksamkeit von „Abenomics“ verloren: Der Tokioter Börsenindex Nikkei 225 fährt seit zwei Wochen steil nach unten. Gestern, Donnerstag, hat er die wichtige 13.000-Punkte-Marke „gerissen“. Seit Mitte Mai ist das Börsebarometer damit um mehr als 18 Prozent gefallen. Der „Bärenmarkt“ beginnt definitionsgemäß zwar erst ab einem Kursrückgang von 20 Prozent, die Börsianer haben den Nikkei-Fall aber schon jetzt zum „Abenomics“-Crash erklärt.

Besonderes Stirnrunzeln erzeugt bei den Händlern die erratische Art, in der der Index nach unten saust: In den vergangenen Wochen wurden mehrmals Tagesverluste von mehr als vier Prozent registriert. Gefolgt von fast ebenso starken Gegenbewegungen, die meist aber nur einen Tag lang anhielten. Die hohe Volatilität deutet auf extreme Nervosität der Händler hin.

Die ist auch gerechtfertigt. Denn der Boom, den „Abenomics“ erzeugen sollte, ist de facto schon wieder vorbei. Der hatte zwei Gründe: Die Flutung der Märkte mit Liquidität und die Ankurbelung der Exporte durch eine kräftige Yen-Abwertung. Gegenüber dem Euro beispielsweise hat die japanische Währung in den vergangenen zwölf Monaten ein gutes Viertel an Wert verloren.

Jetzt sind aber ausgerechnet die großen Exportwerte – Toyota, Nissan, die diversen Mitsubishi-Unternehmen – die großen Verlierer an der japanischen Börse. Experten befürchten nun, dass die Notenbank mit ihrer Marktflutung ins Leere schlägt. Gedacht war die Öffnung der Geldschleusen, um Investitionen anzukurbeln, Wachstum zu erzeugen und damit aus der Deflationsspirale, die das Land seit Mitte der Achtzigerjahre des vorigen Jahrhunderts im Griff hat, herauszukommen.

Dass das nicht lehrbuchgemäß funktioniert hat, liegt möglicherweise daran, dass Geld schon vorher sehr billig und reichlich vorhanden war. Und trotzdem nicht ausreichend für Investitionen genutzt wurde.

Das wollte Abe jetzt mit Strukturreformen, dem dritten Schritt seiner „Abenomics“-Strategie, ändern. Ein entsprechendes Papier wurde in dieser Woche öffentlich gemacht. Premier Abe hatte dabei getönt, dass Japan damit zur treibenden kraft für die Weltwirtschaft werde.

Zu schwache Reformen

Japans Investoren sehen das aber offenbar nicht so. Denen gehen die Reformen zu wenig weit. Besonders die angekündigte Arbeitsmarktreform hat enttäuscht: Stellenabbau ist in Japan nur extrem schwer möglich, was sich als enormer Hemmschuh für die Wirtschaft der Landes erweist. Der Arbeitsmarkt wird jetzt zwar ein wenig flexibilisiert, nach Ansicht von Wirtschaftsexperten aber viel zu wenig, um die notwendigen Wirtschaftsimpulse zu generieren.

Was heißt das für Japan-Anleger? Analysten gehen davon aus, dass das von Abe angestoßene Nikkei-Wunder (der Leitindex war seit dem Amtsantritt des Premiers um mehr als 70 Prozent hochgegangen) vorerst einmal vorbei ist und es kurzfristig bergab geht. Verstärkt wird das noch durch die Yen-Abwertung, die zusätzlich an den erzielten Gewinnen knabbert.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.06.2013)

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