Fed-Zinswende noch weit entfernt

(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Die Fed wird die Liquidität erst drosseln, wenn die Arbeitsdaten in den USA sich deutlich verbessern, sagt Ben Bernankes ehemaliger Vize, Donald L. Kohn.

Wien. Was wird die Fed tun? Und wann? Wird sie ihr außergewöhnliches Assets- und Staatsanleihenankaufprogramm „Quantitative Easing“ (von Kritikern als „Gelddrucken“ verspottet) zurückfahren? Es vielleicht einstellen? Und sogar die Zinsen erhöhen? Das sind die Fragen, die die Märkte derzeit mehr als alles andere bewegen. Die Fed ist als Hüterin des Dollars sicher die wichtigste Zentralbank der Welt – und was die Übrigen machen, ist ohnehin klar. Japan versucht durch extrem lockere Geldpolitik krampfhaft, Inflation zu erzeugen. Die EZB ließ die Leitzinsen am Donnerstag vorerst unangetastet auf dem Rekordtief von 0,5 Prozent stehen.

Und die Fed? Die sieht gespannt auf den US-Arbeitsmarkt, sagt Donald L. Kohn im Gespräch mit der „Presse“. Kohn war von 2006 bis 2010 der Vizevorsitzende der Federal Reserve, also der Stellvertreter von Ben Bernanke. „Der US-Wirtschaft geht es ein bisschen besser. Nicht viel besser, aber ein bisschen“, sagt Kohn. Die Federal Reserve steht vor einer großen Herausforderung. Sie hat ihre Bilanz seit der Krise in noch nie da gewesener Weise ausgeweitet, um die Liquiditätsversorgung sowohl der Banken als auch der US-Regierung zu sichern.

US-Arbeitsmarktdaten kommen heute

Jetzt – da die Krise überwunden scheint – wird von ihr eine Exitstrategie erwartet. Die Zentralbank soll sich wieder auf die eigentliche Rolle als Währungshüterin besinnen – wenn möglich aber, ohne dabei eine neue Liquiditätskrise hervorzurufen. Gerede vom Ende des Quantitative Easing (QE) – oder gar einer „Zinswende“ (die Fed-Zinsen stehen seit Jahren auf dem Rekordtief von 0,25 Prozent) sei aber verfrüht, so Kohn. Vielmehr gehe es um einen „graduellen Rückzug“ aus dem Anleihenkaufprogramm QE. Eine mögliche Hebung der Zinssätze sei erst „mit einiger Verspätung“ zu erwarten, so der ehemalige Bernanke-Vize.

„Das ist ein riesiger Unterschied: Rückzug aus QE bedeutet nicht sofort steigende Zinsen. Und Bernanke hat das sehr klar gemacht: Wenn er den Rückzug antritt, dann wird es ein schrittweiser sein. Er kann jederzeit gestoppt werden oder sogar rückgängig gemacht werden. Das hängt alles von der Lage der Wirtschaft ab“, so Kohn. Derzeit pumpt die Fed mehr als 80 Mrd. Dollar pro Monat in den Markt für US-Staatsanleihen und Immobilien. Seit sie die dritte Runde von QE Ende 2012 angekündigt hat, sind die Börsen weltweit gestiegen – was manche Marktbeobachter nervös macht, weil sie einen Zusammenhang zwischen wachsender Basisgeldmenge und steigenden Preisen auf den Aktienmärkten (Inflation) vermuten.

Die Federal Reserve hat im Gegensatz zur EZB, die nur auf Preisstabilität ausgelegt ist, zusätzlich die Aufgabe, für minimale Arbeitslosigkeit zu sorgen. Kohn sieht dieses zweite Ziel derzeit im Übergewicht: „Die Fed hat ganz klar gesagt, dass sie über höhere Zinsraten weder nachdenken noch reden wird – solange die Arbeitslosigkeit nicht unter 6,5 Prozent liegt. Die Arbeitslosigkeit ist der Hauptfokus. Die Fed ist bereit, bei der Inflation ein bisschen Risiko einzugehen.“ Am heutigen Freitag werden die neuesten US-Arbeitslosenzahlen (für Mai) veröffentlicht.

Im April lag die US-Arbeitslosenrate bei 7,5 Prozent – dem niedrigsten Wert seit 2008. Dass das Fed-Ziel von 6,5 Prozent schon im Mai erreicht wurde, gilt aber als unwahrscheinlich. Es wird eher eine Verschlechterung befürchtet. Die Daten zu neu geschaffenen Stellen waren zuletzt enttäuschend. Was wir bisher sehen, sind eher „verbale Interventionen“. Auch in der Fed seien ob der möglichen Gefahren extrem lockerer Geldpolitik für die Stabilität der Finanzmärkte „einige besorgt“, so Donald L. Kohn.

Auf einen Blick

Donald L. Kohn (Jg. 1942) ist Senior Fellow für Wirtschaft beim Thinktank Brookings Institution in Washington. Er war 40 Jahre in der Federal Reserve, zuletzt als Vizechef. 2010 lief Kohns Mandat aus. Ab 2002 saß er im Board of Governors, dem höchsten Gremium der US-Notenbank. Kohn war am Mittwoch und Donnerstag auf Einladung der Industriellenvereinigung in Wien und nahm an einer Debatte über Reindustrialisierung in Europa und den USA teil.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.06.2013)

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