Konjunktur: Wachstumslokomotive China zuckelt

Die Chinesen kaufen zu wenig Produkte, um die Wirtschaft deutlich anzukurbeln.
Die Chinesen kaufen zu wenig Produkte, um die Wirtschaft deutlich anzukurbeln. (c) REUTERS (SHENG LI)
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Die zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt exportiert so wenig wie seit einem Jahr nicht mehr. Auch die Inlandsnachfrage ist erlahmt. Der IWF und die OECD senkten erst kürzlich ihre Wachstumsprognosen für China.

Peking/AG. Der Internationale Währungsfonds (IWF) und die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) senkten erst kürzlich ihre Wachstumsprognosen für China. Der IWF änderte seine Prognose von acht auf 7,75 Prozent. Die OECD nahm ihre Schätzung von 8,5 auf 7,8 Prozent zurück. Damit wird angenommen, dass die chinesische Wirtschaft nur noch im gleichen Tempo wächst wie im Jahre 2012 – damals war das Plus so schwach wie seit 13 Jahren nicht mehr.

Am Wochenende wurden neue Konjunkturdaten der weltweit zweitgrößten Volkswirtschaft veröffentlicht. Sie sind enttäuschend und liefern weitere Hinweise auf ein schwächeres Wachstum. Zum einen exportierte China wegen der schwachen Weltwirtschaft im Mai so wenig wie seit fast einem Jahr nicht. Zum anderen kauften die Chinesen zu wenig Produkte, um mit ihrer Nachfrage die Wirtschaft deutlich anzukurbeln.

Schwache Kreditvergabe

Zudem fielen die am Wochenende veröffentlichten Inflationsdaten, die Kreditvergabe der Banken sowie die Investitionen in die Wirtschaft unerwartet schwach aus. „Die Konjunkturdaten weisen zwar auf weiteres Wachstum hin, aber dieses ist weiter nicht überzeugend, und zugleich scheint es im Mai an Fahrt verloren zu haben“, sagte RBS-Analyst Louis Kuijs. Ökonom Jianguang Shen hält es sogar für möglich, dass die chinesische Wirtschaft im zweiten Quartal weniger stark wächst als im ersten Vierteljahr.

Die Exporte legten im Mai binnen Jahresfrist nur um ein Prozent zu, wie die Zollbehörde in Peking mitteilte. Dies spiegelte allerdings auch die verschärften Finanzkontrollen wider. Spekulative Kapitalflüsse sollen das Exportvolumen in den vergangenen Monaten auf zweistellige Zuwachsraten aufgebläht haben.

Im April haben die Exporte noch um 14,7 Prozent zugelegt. Doch diese Zuwächse gibt es nicht mehr: Die Ausfuhren in die USA und die EU – die beiden wichtigsten Handelspartner Chinas – fielen im Mai sogar den dritten Monat in Folge. Auch die Einfuhren nach China gingen im Mai um 0,3 Prozent zurück. Hier hatten Analysten einen Anstieg um sechs Prozent erwartet.

„Die Daten spiegeln eine schleppende Nachfrage sowohl aus dem Inland als auch aus dem Ausland wider“, sagte Volkswirt Shen Lan von der britischen Bank Standard Chartered in Shanghai.

Die Preise erhöhten sich im Mai nur um 2,1 Prozent, den niedrigsten Wert seit drei Monaten. Analysten hatten im Schnitt mit 2,5 Prozent gerechnet. Aus Daten der Notenbank ging hervor, dass chinesische Banken im Mai nur frische Kredite in Höhe von 667,4 Milliarden Yuan (umgerechnet 82 Milliarden Euro) vergaben, rund 22 Milliarden Euro weniger als erwartet. Zugleich konnten auch das Wachstum der Einzelhandelsumsätze und der Industrieproduktion nicht positiv überraschen. Beide Werte entsprachen den Erwartungen.

Spekulationen über Zinssenkung

Einige Analysten sehen in den schwachen Konjunkturdaten Hinweise darauf, dass die Zentralbank bald aktiv wird und die Zinsen senkt. Die Wahrscheinlichkeit nehme zu, sagte Barclays-Analyst Jian Chang.

Die neue Führung in Peking peilt offiziell ein Wirtschaftswachstum von 7,5 Prozent an. Die Nachrichtenagentur Reuters erfuhr allerdings aus Regierungskreisen, dass die neue Führung um Präsident Xi Jinping erst bei einer Abschwächung auf 7,0 Prozent aktiv werden wolle.

Auf einen Blick

China muss sich auf schwächeres Wirtschaftswachstum einstellen. Vor Kurzem haben IWF und OECD ihre Prognosen für die weltweit zweitgrößte Volkswirtschaft nach unten revidiert, jetzt geben neue Konjunkturdaten weitere Hinweise auf schwächeres Wachstum: China exportiert weniger, und auch die Inlandsnachfrage lässt nach. Analysten rechnen mit einer baldigen Zinssenkung.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.06.2013)

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