Russland: Graue Kardinälin oder graue Maus?

Elvira Nabiullina
Elvira Nabiullina (c) REUTERS (SERGEI KARPUKHIN)
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Putin macht seine Wirtschaftsberaterin Nabiullina zur neuen Notenbankchefin. Beobachter befürchten, dass ihre Kreml-Nähe die Eigenständigkeit der Bank unterminiert.

Moskau. Dass die Wahl des nächsten Chefs der russischen Zentralbank auf Elvira Nabiullina fiel, sagt paradoxerweise weniger über sie selbst als vielmehr über Kreml-Chef Wladimir Putin aus: In seinem Wesen liegt es bekanntlich, die Umgebung zu verblüffen. Und das geht am besten, wenn man sich von vielen Experten Namenslisten mit Vorschlägen vorlegen lässt und diese dann einfach übergeht.

Ex-Wirtschaftsministerin und Präsidentenberaterin Nabiullina nämlich, so die Zeitung „Wedomosti“, ist auf keiner einzigen der Listen gestanden. Das war offenbar ihr Vorteil. Am gestrigen Montag übernahm sie das Amt der obersten russischen Währungshüterin aus den Händen des honorigen Sergej Ignatiev.

Starke Loyalität

Der Vorteil der 49-jährigen Ökonomin war aber auch, dass sie zeitlebens eine starke Loyalität zu ihren Vorgesetzten zeigte. Ob in ihrer kurzen Zeit als Vizechefin einer Oligarchenbank Ende der 1990er-Jahre, ob kurz später als Ko-Autorin von Putins Wahlprogramm, ob als Wirtschaftsministerin ab 2007: Zuverlässig sei sie, hieß es überall, liberal, professionell und vor allem loyal.

Die Frage, die Beobachter daher beschäftigt, hat denn auch mit der Loyalität zu tun – und zwar mit deren Kehrseite, der mangelnden Eigenständigkeit. Ob sie tatsächlich die „graue Kardinälin“ sei, wird gefragt. Oder doch eher eine graue Maus? Das Urteil fällt gemischt aus.

Je mehr sich in Russland zuletzt eine Stagnation abzeichnete, desto mehr wurden Stimmen laut, die Zentralbank solle die Verantwortung für das Wachstum übernehmen. Experten meinen, dass Nabiullina der Bitte des Kremls um Zinssenkung leichter nachgeben könnte, als Ignatiev dies bisher getan hat. Immerhin hat Nabiullina zur Vorsicht bei Zinssenkungen gemahnt, da diese nicht immer zu Wachstum, sondern manchmal auch zu Kapitalabfluss und mehr Inflation führen würden. Über 350Mrd. Dollar sind seit 2008 aus dem Land abgeflossen. Und die Tendenz hält an.

Auch die Gefahr der Inflation steht trotz Ignatievs effizienter Bekämpfung nach wie vor im Raum. Ignatiev hat als Ziel fünf bis sechs Prozent ausgegeben, Nabiullina will fortan drei bis vier Prozent erreichen.

Das Wirtschaftswachstum sei in erster Linie Sache der Regierung, sagte Nabiullina. Und auch bei der Inflationsbekämpfung müsse sie kooperieren – etwa in Fragen der Tarifpolitik.

Gerade in der Tarifpolitik zeichnet sich eine Änderung der Spielregeln ab. Putin hat vorige Woche mit der Ansage aufhorchen lassen, ab 2014 fünf Jahre lang die Tarife der natürlichen Monopole maximal mit der Inflationsrate des vorausgehenden Jahres steigen zu lassen.

Mit der Einführung des Finanzregelwerkes Basel III hat Nabiullina es eigenen Worten zufolge jedenfalls nicht eilig.

Ohnehin ist sie künftig mit einem Berg anderer Aufgaben befasst, da das Verantwortungsportfolio der Zentralbank demnächst auf die Oberaufsicht über die nicht kreditvergebenden Finanzinstitutionen wie etwa Versicherungen ausgeweitet wird.

Und Nabiullina muss sich in Äquidistanz üben. Die Eigentümerstruktur dürfe keine Auswirkungen auf das Verhältnis zu einer Bank haben, sagte sie. Das ist leichter gesagt als getan. Schließlich ist die landesweit größte Bank, Sberbank, mehrheitlich im Besitz der Zentralbank.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.06.2013)

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