OMV: Aus der Traum vom Global Player

OMV-Generaldirektor Gerhard Roiss
OMV-Generaldirektor Gerhard Roiss(c) APA/HANS KLAUS TECHT (HANS KLAUS TECHT)
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Erdgas aus Aserbaidschan wird nicht über die Nabucco-Pipeline nach Österreich geliefert, sondern über die eines Konkurrenten nach Süditalien.Die OMV bleibt auf 50 Millionen Euro an Planungskosten sitzen.

Wien/Rie. In Giuseppe Verdis Oper steht Nabucco für einen König, der sich zu Gott machen will und dafür mit Wahnsinn bestraft wird. Im Wirtschaftsleben steht der Name seit 2002 für ein Projekt, das die OMV zu einem der großen Player machen sollte: eine Pipeline, die Erdgas aus dem Osten über Österreich nach Europa bringt. Gestern ist dieser Traum geplatzt: Die riesigen Vorkommen in Aserbaidschan werden über das Netz eines Konkurrenten transportiert. Damit bleiben der OMV nur hohe Entwicklungskosten – mit Wahnsinn wird sie immerhin nicht bestraft.

Genaue Beobachter der Wiener Börse ahnten seit Dienstagvormittag, dass sich bei der OMV etwas tut. Die Aktie machte einen deutlichen Sprung nach oben, bis gestern Mittag stieg sie um 5,3 Prozent. Offenbar waren ein paar Investoren besser informiert als andere, die erst Mittwochvormittag exklusiv auf der „Presse“-Homepage erfuhren, was sich bei Österreichs größtem Mineralölkonzern tut: Das Shah-Deniz-Konsortium hat vor einigen Tagen entschieden, Erdgas aus Aserbaidschan über die Transadriatische Pipeline (TAP) nach Süditalien und nicht über Nabucco nach Baumgarten an der March zu liefern. Für Anleger war das eine gute Nachricht, weil hohe Investitionen vorerst ausbleiben.

Überraschend war die Entscheidung für die Betroffenen zumindest nach eigenen Angaben nicht: „Wir haben die Chancen für unser Projekt bei weit unter 50 Prozent gesehen“, meinte OMV-Generaldirektor Gerhard Roiss bei einer Pressekonferenz Mittwochmittag. Ob er enttäuscht sei? „Enttäuschung ist keine Dimension für einen Manager.“

Außerdem hat man bei Nabucco mit Rückschlägen zu leben gelernt. Die Pipeline-Pläne mussten immer wieder überarbeitet werden, der Baubeginn wurde mehrmals verschoben. Anfangs sollte die Gasleitung bis an die türkisch-georgische Grenze gehen, am Ende reichte sie nur bis an die türkisch-bulgarische. Von dort hätte sie 1300 Kilometer nach Niederösterreich führen sollen.

Die Konkurrenz führt ihre Pipeline über Griechenland 900 Kilometer nach Italien (siehe Grafik auf Seiten 2, 3). Diese Strecke soll auch der Ausschlag für TAP gewesen sein: Das Konsortium bekomme für sein Erdgas in Griechenland und Italien höhere Preise. Über politische Hintergründe für die Entscheidung – lange Zeit war Nabucco von der EU als Prestigeprojekt unterstützt worden – wollte Roiss am Mittwoch nicht spekulieren. Nur mit dem Gas aus Aserbaidschan wäre Nabucco wirtschaftlich gewesen.

OMV: Aus der Traum vom Global Player
OMV: Aus der Traum vom Global Player(c) APA / "Die Presse"

50 Millionen Euro für Planung

Nach eigenen Angaben hat die OMV bisher 50 Millionen Euro in die Planung der Pipeline investiert. Die Gasleitung hätte dreieinhalb bis vier Milliarden Euro gekostet (beim ursprünglichen, größeren Projekt war von Kosten bis zu 15 Milliarden Euro die Rede). Die Planungskosten seien aber „nicht verloren“, meinte der OMV-Chef. Denn der Energiekonzern überlegt, eine Pipeline zu bauen, um eigene große Gasfunde vom Schwarzen Meer nach Westeuropa zu bringen. Der „größte Gasfund unserer Geschichte“ wurde ursprünglich mit 42 bis 84 Milliarden Kubikmeter angegeben. Die Obergrenze gilt nach manchen Informationen jetzt bereits eher als Untergrenze.

Derzeit erhebe man die genaue Größe des Gasfeldes, in ein bis eineinhalb Jahren werde man das Volumen kennen. Dann stelle sich die Frage, mit welcher Dimensionierung oder Route man eine mögliche Pipeline errichte. Möglich wäre eine jährliche Lieferung von sechs Milliarden Kubikmeter. Roiss: „Unser Ziel ist es, eigenes Gas zu finden und zum Kunden zu bringen. Europäisches Gas für europäische Kunden.“

„Versorgung gesichert“

In Reaktionen auf die gestern bekanntgewordene Entscheidung bedauerte der staatliche OMV-Kernaktionär ÖIAG das Aus für Nabucco. Es sei „zweifellos schade für die Region“. Aber auch ohne diese Leitung werde man die OMV „erfolgreich weiterentwickeln“.

Wirtschafts- und Energieminister Reinhold Mitterlehner (ÖVP) meinte, die Versorgungssicherheit Österreichs sei weiterhin gewährleistet. Ausschlaggebend sei, dass „endlich eine Pipeline verwirklicht werden kann“.

Die Grünen meinten, Nabucco sei an seiner Überdimensionierung gescheitert. Für das BZÖ bedeutet das Aus einen „schweren Rückschlag im Bestreben, eine unabhängigere Energieversorgung Europas sicherzustellen“.

Auf einen Blick

Die Erdgasleitung Nabucco sollte Gas aus dem Kaspischen Meer über Österreich nach Europa bringen. Die OMV hat das Vorhaben 2002 initiiert, jetzt ist es endgültig gescheitert. Dennoch könnte der Öl- und Gaskonzern eine Pipeline für eigene Gasfunde im Schwarzen Meer errichten.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.06.2013)

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