Deutsche sollen mehr investieren

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Die ungewöhnlich niedrige Investitionsquote vernichte Wachstumschancen für die Zukunft, sagen Forscher. Wovor schrecken Unternehmer und Bauherren zurück?

Berlin. Es ist wie verhext: Die Deutschen sparen wie Weltmeister. Die Banken hätten genug Geld zu verleihen. Aber Unternehmer und Bauherren halten sich bei Investitionen im eigenen Land auffallend zurück – und das schon seit Langem (siehe Grafik). Auf Dauer sei das nicht gesund, meinen viele Ökonomen. Wer seinen Maschinenpark auf den neuesten Stand bringe, Geld in grüne Energie stecke oder Wohnraum schaffe, bilde Potenzial für künftiges Wachstum. Wo solche Investitionen fehlen, bleiben Chancen ungenutzt.

Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) in Berlin ruft nun den Staat, vor allem aber Unternehmer und Kapitalbesitzer dazu auf, die „Investitionslücke“ von jährlich drei Prozent des BIPs oder 75 Mrd. Euro zu schließen. Dann, so rechnen die Forscher vor, könnte das Potenzialwachstum in vier Jahren statt bei 1,0 bei 1,6 Prozent liegen – um 60 Prozent höher („Die Presse“ berichtete).

Woher aber rührt die Zurückhaltung? Nach der Wiedervereinigung boomte die Bauwirtschaft, was mit Überkapazitäten endete. Die Immobilienpreise fielen in den Keller und blieben dort, zumal der Staat Subventionen fürs Bauen zurückfuhr. Nach dem Platzen der Internetblase schwand die Lust auf unternehmerische Wagnisse. Industriebetriebe stöhnten unter Steuerlast, hohen Lohnkosten und dem rigiden Arbeitsmarkt. Wenn sie expandierten, dann lieber in Osteuropa als zu Hause. Die Politik reagierte mit Reformen: Die Unternehmenssteuern sanken, Arbeitsverhältnisse wurden flexibler. Eine Folge: Bei den Ausrüstungsinvestitionen liegt Deutschland seit 2005 wieder über dem Schnitt der Eurozone, aber nicht so deutlich, wie es sich für ein echtes Industrieland gehören würde.

Die Unsicherheit bleibt

Freilich kam dann die Wirtschaftskrise und mit ihr die Unsicherheit. Seit drei Jahren aber ist das Wachstum zurück, die Zinsen bleiben, mit Rücksicht auf die Krisenstaaten, einladend niedrig – also eigentlich beste Voraussetzungen. Allein: „Wir überschätzen die Unternehmensinvestitionen in unseren Prognosen immer wieder“, sagt Ko-Studienautor Guido Baldi zur „Presse“. Offenbar schafft die Politik nicht die Planungssicherheit, die deutschen Unternehmern den Mut zum Investieren gibt.

Stärker wirkten die Reformen gegen die Arbeitslosigkeit. Aber Niedriglohnverdiener kommen selten in Versuchung, ein Haus zu bauen. Durch Lohnzurückhaltung stagnierten die Realeinkommen und damit die Vermögensbildung der Mittelschicht – was den Wohnungsbau weiter dämpfte. Die Wirtschaft aber wurde so wettbewerbsfähig, dass sie nun wieder Spielraum für großzügige Abschlüsse hat. Die Folge: Das aktuelle Konsumklima ist so hoch wie seit 2007 nicht mehr. Folgt die Bauwirtschaft? Kaum gehen in guten Großstadtlagen die Immobilienpreise und Mieten in die Höhe, schreitet die Politik schon ein – und die Investoren fürchten sich voreilig vor einer Blase.

Was aber passiert mit den deutschen Ersparnissen? Sie werden natürlich investiert, direkt oder über Banken – aber oft im Ausland. Im letzten Jahrzehnt zudem oft ziemlich verlustreich, in spanische Feriensiedlungen oder US-Subprime-Papiere. Zu Hause, zeigen die DIW-Forscher, hätte das Geld bessere Früchte getragen.

Königsweg aus der Eurokrise

Ifo-Chef Hans-Werner Sinn hofft seit drei Jahren, dass gutes deutsches Geld zurückkehrt und zu Hause einen Boom finanziert. Aber die Leistungsbilanzüberschüsse steigen weiter, im Vorjahr auf 6,4Prozent. Sie sind der Saldo von Gespartem und im Inland Investiertem – der „Nettokapitalexport“. Allerdings investieren die Privaten, wie das Ifo betont, nun stärker außerhalb des Euroraums, vor allem in Schwellenländern von Osteuropa bis Südamerika. Der Nettoüberschuss in die Eurozone wurde 2012 „vollständig für Target-Kredite der Bundesbank und andere öffentliche Hilfskredite eingesetzt“.

Was aber passiert mit Europa, wenn die Deutschen künftig stärker im eigenen Land investieren? Für das DIW wäre das der Königspfad aus der Krise: Ein kräftiges Wachstum von Investitionen, Wirtschaft, Löhnen, Konsum und Importen könnte aus Deutschland eine europäische Konjunkturlokomotive machen. In den Nullerjahren half das starke, aber wenig nachhaltige Wachstum im Rest Europas mit, die deutsche Wirtschaft auf die Beine zu bringen. Nun könnten sich die Deutschen revanchieren – auf einer solideren Basis.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.06.2013)

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