Marokko: Islamisten wollen Marihuana-Anbau legalisieren

A judge checks a marijuana sample during a judging session of Uruguay's second 'Cannabis Cup' at a hotel in downtown Montevideo
A judge checks a marijuana sample during a judging session of Uruguay's second 'Cannabis Cup' at a hotel in downtown MontevideoReuters
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In der ärmsten Region des Landes leben viele Bauern vom Cannabis-Anbau. Politiker haben das Geschäft als vielversprechende Einnahmequelle entdeckt.

Mustafa Tahiri baut im Norden von Marokko seine prächtigen Hanfpflanzen an. Das ist allerdings auch hier ein ziemlich riskantes, weil verbotenes Geschäft und wird von staatlicher Seite zumindest formell verfolgt. Der Landmann freut sich aber schon auf den unbeschwerten Tag der Legalisierung, denn der soll nach den Vorstellungen vieler Abgeordneter aus der islamistischen Regierungspartei in Marokko nicht mehr fern sein.

"Ich wäre wesentlich erleichtert, wenn der Staat uns endlich in Ruhe unsere Kräuter anbauen ließe und die Verhaftungen stoppen würden", sagt der siebenfache Vater Tahiri. Erst im letzten Jahr war sein bettelarmes Dorf namens Beni Gmil von der marokkanischen Drogenpolizei aufgebracht worden. Tahiri wäre für ein Leben in der Legalität bereit, sein Cannabisharz für 7500 Dirham (etwa 750 Euro) pro Kilo an den Staat abzugeben. Bislang verkauft er an Zwischenhändler, die ihm etwa das Doppelte zahlen.

Mindestens 800.000 Marihuana-Bauern

Mindestens 800.000 Marokkaner leben vom illegalen Anbau von Marihuana und generieren einen Jahresumsatz von rund acht Milliarden Euro oder nahezu zehn Prozent der Wirtschaftsleistung des Landes. Das zumindest schätzt eine lokale Lobbygruppe mit dem Namen Netzwerk zur industriellen und medizinischen Nutzung von Marihuana. Marokko ist mit seinen 32 Millionen Einwohnern laut Daten des Internationalen Währungsfonds IWF die sechstgrößte Volkswirtschaft in Afrika.

Eine Legalisierung und der Verkauf des Produkts an staatliche Stellen zur Weiterverarbeitung und für medizinische Zwecke würden vor allem dem illegalen Drogenhandel schaden. Auch der marokkanische Export würde angekurbelt und das bislang schwere Handelsbilanzdefizit von rekordhohen 197 Milliarden Dirham, rund 23 Prozent des Bruttoinlandsprodukts, könnte gesenkt werden, lautet die Argumentation der Befürworter.

Teile der islamistischen Partei für Gerechtigkeit und Entwicklung (PJD) des Ministerpräsidenten Abdelilah Benkirane befürworten eine Legalisierung des Cannabis-Anbaus ebenso wie viele Abgeordnete der oppositionellen "Partei für Authentizität und Moderne". Die meisten Abgeordneten unterstützen die Gesetzesvorlage der Lobbygruppe. Mohamed Boudra, Gouverneur der besonders stark vom Hanfanbau abhängigen Region Hoceima-Taounate und Mitglied der Oppositionspartei, will die Legalisierung innerhalb von drei Jahren erreichen.

Verkauf an die Pharmaindustrie

"Wir müssen die medizinischen Wirkungen der Pflanze herausstellen und an Exporte und den Verkauf an die Pharmaindustrie denken. Damit lassen sich auch ausländische Investitionen ins Land holen", sagt der PJD-Abgeordnete Abdelahim Allaoui. Es handele sich um einen vielversprechenden Wirtschaftssektor.
Und davon kann Marokko durchaus mehr brauchen. Der Maghrebstaat wird gerade von der Ratingagentur Standard & Poor's auf den Verlust seines Länderratings auf Investmentgrad untersucht. Um den sozialen Frieden angesichts des "Arabischen Frühlings" zu bewahren, hatte die Regierung in Rabat Löhne und viele Subventionen erhöht, was die Staatsverschuldung aufgebläht hat. Sie ist zwischen 2009 und 2012 von 47 Prozent des BIP auf 60 Prozent und damit den höchsten Wert seit mehr als 30 Jahren gestiegen. Schon seit Oktober 2012 führt S&P Marokko mit einem Ausblick Negativ.

Vor dem Ausbruch des "Arabischen Frühlings" im Jahre 2011 wurde auch Cannabis erheblich strenger verfolgt und die Anbaufläche von 137.000 Hektar im Jahre 2003 auf 47.000 reduziert, wie aus Daten der Vereinten Nationen hervor geht. Statt Hanf sollten die Bauern Oliven oder Mandeln anbauen, die allerdings weniger lukrativ sind.

"Wir wollen den Bauern eine Alternative bieten, von der sie leben können und sie zugleich aus der Falle des Drogenhandels befreien", sagt Chakib Khayari von der Lobbygruppe mit dem Ziel der Legalisierung. Die Polizeikräfte könnten dann überdies gezielt gegen den Drogenhandel vorgehen, sagte er.

"Das einzige, was in dieser Gegend funktioniert"

Die gebirgige Region im Nordosten von Marokko, in der das meiste Marihuana angebaut wird, ist die ärmste Region des Landes. Hier gibt es die meisten bei der Geburt gestorbenen Mütter und die höchste Analphabetenquote unter Mädchen, wie der Gouverneur beklagt. Das BIP pro Kopf liegt um 50 Prozent unter dem nationalen Durchschnitt. Für den Cannabisbauer Tahiri, der sich um seine kranke Mutter kümmern muss, kann die Legalisierung gar nicht schnell genug kommen. "Wir geben den Anbau von Hanf nicht auf", sagt er. "Denn es ist das einzige, was in dieser Gegend funktioniert".

(Bloomberg)

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