Gewalt in Ägypten schreckt ausländische Konzerne

Gewalt in Ägypten
Gewalt in ÄgyptenREUTERS
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Ausländische Konzerne schließen ihre Büros und stoppen die Produktion in Ägypten.

Ägypten droht durch die Gewaltexzesse ein herber wirtschaftlicher Rückschlag. Erste ausländische Konzerne stoppten die Produktion und schlossen ihre Büros. Nach Angaben des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK) ist es derzeit so gut wie unmöglich, noch Geschäfte in dem Krisenland zu machen. Auch Urlauber machen einen Bogen um das beliebte Reiseziel.

Derzeit befinden sich laut einem Sprecher des Außenministeriums keine Vertreter österreichischer Firmen im Land am Nil. Vom Österreichischen Außenhandelscenter in Ägypten waren am Donnerstag keine Informationen zu erhalten, geöffnet war dieses aber - ganz im Gegensatz zu Büros in Kairo und Alexandria der deutsch-arabischen Industrie- und Handelskammer, die am Donnerstag zeitweise geschlossen wurden.

80 deutsche Unternehmen in Ägypten

Der weltweit zweitgrößte Haushaltsgeräte-Hersteller Electrolux stoppt bis auf Weiteres seine Produktion in Ägypten. Am Samstag werde eine Wiederaufnahme geprüft, sagte ein Konzernsprecher am Donnerstag. Die AEG-Mutter beschäftigt rund 7000 Mitarbeiter in dem Land. Auch die Opel-Mutter Europas General Motors hielt die Bänder in ihrem Werk nahe Kairo mit 1400 Mitarbeitern an. Europas größter Ölkonzern Royal Dutch/Shell lässt seine Büros vorerst geschlossen. Inwieweit die Förderanlagen betroffen sind, blieb zunächst unklar.

Nach Angaben des DIHK sind rund 80 deutsche Unternehmen mit 24.000 Mitarbeitern in Ägypten aktiv, darunter 20 produzierende Unternehmen aus Autobranche, Chemieindustrie und Elektrotechnik. Geschäfte seien derzeit nahezu unmöglich, sagte DIHK-Außenhandelschef Volker Treier. "Die Logistikketten reißen ab." Die deutsch-arabische Industrie- und Handelskammer habe ihre Büros in Kairo und Alexandria zugemacht. "Es gibt aber keine Flucht aus dem Land", betonte Treier.

Der Autozulieferer Leoni - mit drei Werken und 4500 Mitarbeitern einer der größten deutschen Arbeitgeber in Ägypten - hat seine Produktion bereits am Mittwochnachmittag angehalten. Am Donnerstag wurde von Drei- auf Zwei-Schicht-System umgestellt, um die Ausgangssperre zu umgehen. Der übliche Export per See sei derzeit unmöglich, da Häfen stillgelegt worden seien, sagte ein Sprecher. Angesichts der Unruhen in Nordafrika hatte Leoni im März angekündigt, sich beim Ausbau seiner Produktion künftig eher auf Osteuropa zu konzentrieren.

Der Handelskonzern Metro sorgt sich ebenfalls um seine Mitarbeit. "Als vorsorgliche Maßnahme wurde das Headquarter der Metro in Kairo vorübergehend geschlossen", sagte eine Sprecherin. Der Konsumgüterkonzern Henkel führt seine Waschmittelproduktion in Port Said vorerst fort. Dort sind 600 Mitarbeiter beschäftigt. Den 190 Kollegen in der Verwaltung in Kairo - die außerhalb des umkämpften Stadtzentrums liegt - können von zu Hause aus arbeiten. Die Öl- und Gasfördertochter Dea des Energiekonzerns RWE beobachtet die Lage ebenfalls genau. "Wir sind vorbereitet, falls notwendig, die entsprechenden Maßnahmen zu ergreifen", sagte ein Sprecher.

Die Produktion des Duft- und Aromenherstellers Symrise ist von der Gewalteskalation verschont geblieben. Das niedersächsische Unternehmen stellt mit etwa 100 Mitarbeitern in einem Werk im Außengürtel von Kairo Aromen, Emulsionen und natürliche Extrakte her. Sollte sich die Situation weiter zuspitzen, will Symrise seine Beschäftigten vorsichtshalber nach Hause schicken und die Produktion anhalten.

Touristen meiden das Krisenland inzwischen. "Die Nachfrage ist in den vergangenen vier Wochen zurückgegangen", sagte ein Sprecher von TUI Deutschland . Der Buchungsstand liege unter dem der Vorsaison. Nil-Kreuzfahrten und Reisen nach Luxor seien vorerst bis Mitte September aus dem Programm genommen worden. Die Sicherheitslage in den großen Badeorten auf dem Festland sei aber unverändert ruhig. Derzeit machen 6000 deutsche Gäste mit TUI am Roten Meer Urlaub.

Schon vor der Eskalation hat Ägyptens Wirtschaft unter der unsicheren Lage gelitten. In den neun Monaten bis Ende März legte das Bruttoinlandsprodukt nur um 2,3 Prozent zu. Experten halten ein Wachstum von mindestens sechs Prozent für notwendig, um ausreichend Jobs zu schaffen. Die Zentralbank senkte Anfang August überraschend ihren Leitzins, um die Konjunktur anzukurbeln. Auch an den Finanzmärkten nimmt die Verunsicherung zu. Die Kairoer Aktienbörse blieb am Donnerstag wegen der Krawalle geschlossen.

(APA/Reuters)

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