Investmentbanken: 21-Stunden-Tage und ein Todesfall

USA MERRILL LYNCH
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Der Tod eines 21-jährigen Praktikanten, der drei Nächte durchgearbeitet haben soll, wirft ein Schlaglicht auf die teils extremen Bedingungen bei Investmentbanken.

Tag und Nacht durchgearbeitet, dann in der Dusche leblos zusammengebrochen. Nach dem Tod eines deutschen Studenten rücken lange Arbeitszeiten und der hohe Druck in den Büros der internationalen Investmentbanken wieder in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit. Der 21-Jährige war Ende der Vorwoche tot aufgefunden worden - nachdem er angeblich drei Nächte hintereinander durchgearbeitet hatte: in Form von 21-Stunden-Tagen.
Der Deutsche absolvierte ein Praktikum bei der Investmentbank Merrill Lynch, die in der Finanzkrise von Bank of Amerika übernommen worden war. Es war ein begehrtes Praktikum - für Studenten-Verhältnisse noch dazu gut bezahlt (2700 Pfund pro Monat). Britische Medien stellen nun die Frage: Hat der Praktikant sich „zu Tode" gearbeitet? Ist die Hochdruck-Atmosphäre in den Büros der Investmentbanken schuld?

Autopsie noch ausständig

Es ist freilich völlig unklar, wie es zum Tod des jungen Studenten kommen konnte. Die britische Polizei geht von natürlichen Ursachen aus. Die Ergebnisse einer Autopsie sind noch ausständig. Mit 21 konnte der Student auch schon Erfahrung vorweisen: Morgan Stanley und Deutsche Bank - zwei weitere Großbanken. Ein in den Zeitungen kursierendes Foto zeigt den jungen Mann mit Gel-Frisur, gestreiftem Hemd, Krawatte und Hosenträgern - ganz wie man sich einen Investmentbanker vorstellt. Ein Kollege behauptete gegenüber dem „Independent", der Verstorbene hätte „innerhalb von zwei Wochen acht Nächte nicht geschlafen".
Er sei ein „Superstar" gewesen, ausgesprochen nett, ein harter Arbeiter. „Wir arbeiten 15 Stunden pro Tag oder mehr - und es gab niemanden, der härter als er gearbeitet hat. Er war ein liebenswerter Typ, sehr beliebt bei allen, wir haben Großes von ihm erwartet", so ein anderer Praktikant zum „Evening Standard".

"Masters of the Universe"

Auch stand der 21-Jährige kurz vor dem Ende des Praktikums - und da entscheidet sich in der Regel, ob aus der temporären eine Fixanstellung wird - das Ziel eines jeden Praktikanten. Das Gehalt wäre gestiegen - aber auch der Druck, wenn das noch möglich ist. Fünf Jahre nach dem Zusammenbruch der Investmentbank Lehman Brothers (der mit einer Reihe von Selbstmorden einherging), wirft der Fall wieder helles Licht auf das Leben der „Masters of the Universe" wie der Autor Tom Wolfe die Top-Banker in seinem Epos „Fegefeuer der Eitelkeiten" getauft hat.
Echte Einblicke in das Leben der Investmentbanker zu bekommen ist schwierig. In der Regel sind es Aussteiger, die darüber berichten. Und dabei handelt es sich meist um eine Abrechnung mit der alten Branche. So berichtet ein ehemaliger Software-Consultant auf der Debattenplattform „reddit" über seine Erfahrungen an der Wall Street: „Die Scheiße, die du dort siehst, lässt dich jede Hoffnung in die Hochfinanz, den Aktienmarkt, Händler und die Menschheit an sich verlieren. Stell dir den größten Trottel vor, den du je kennen gelernt hast, und füge einen Gottkomplex hinzu, dann kennst du 99 Prozent aller Trader." Und der Autor fügt auch eine - durchaus logische - Begründung hinzu: „Warum ist das so? Erstens, weil die ganze Industrie so ist. Wer nicht mitmacht, wird zerkaut und ausgespuckt. Zweitens wird schlechtes Benehmen sogar noch gefördert. Es ist ein Spektakel menschlichen Abschaums." Ein anderer User wird noch konkreter: „Geh zu einem Hedgefonds, dort tendiert die Menge an Arschlöchern gegen unendlich."

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Druck und Machokultur

Die britischen Medien debattieren die Sachlage freilich auf (leicht) höherem Niveau. Auch wenn eine Antwort auf die Frage, warum der deutsche Praktikant nun konkret gestorben ist, ausbleibt. Und genauso wenig wird wohl die Aufregung etwas an der Arbeitszeit, dem Druck oder der Machokultur in den Banken ändern. Denn: „Es geht immer nur um Geld, Geld, Geld", schreibt der „reddit"-Autor.

Auf einen Blick

Tod in der Dusche: Ein deutscher Praktikant der Investmenbank Merrill Lynch ist Ende vergangener Woche tot in seiner Dusche gefunden worden. Laut Kollegen hatte der sehr beliebte und fleißige 21-Jährige in den Wochen zuvor teils drei Nächte am Stück durchgearbeitet. Bei Investmentbanken sind solche Arbeitszeiten freilich eher die Norm als die Ausnahme, weshalb der Aufschrei nach dem Tod des Praktikanten nun laut ausfällt.

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