China erreicht seine gesenkten Wachstumsziele

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Das Ziel eines Wirtschaftswachstums von 7,5 Prozent für das Jahr 2013 werde erreicht, so das nationale Statistikamt. Seine Rolle als globale Konjunkturlokomotive könnte das Land jedoch trotz Zielerreichung einbüßen.

Wien. Es war das schwächste erste Halbjahr seit drei Jahren. Um 7,6 Prozent war die chinesische Volkswirtschaft zwischen Jänner und Juni gewachsen. Und auch das Ziel für das Gesamtjahr 2013 liegt mit einem erwarteten Wachstum von 7,5 Prozent deutlich unter den Werten der Vorjahre. Dennoch ist selbst das Erreichen dieses Ziels keine ausgemachte Sache. Daher gab es am Montag große Erleichterung an den chinesischen Börsen, als das nationale Statistikamt mitteilte, dass die zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt sich weiter stabilisiert habe und auf einem guten Weg sei, dass 7,5-Prozent-Ziel zu erreichen.

„Wir haben großes Vertrauen in die Kraft der chinesischen Volkswirtschaft“, sagte der Sprecher des Statistikamtes Sheng Laiyun bei einer Konferenz in Peking. Seine Worte reichten aus, um die Indizes in Shanghai und Shenzhen um rund zwei Prozent in die Höhe zu treiben. Zuletzt wurde an den Aktienmärkten die Verunsicherung nämlich immer größer, ob China weiterhin die Erwartungen erfüllen kann. Das Wachstum zwischen April und Juni ging zum neunten Mal innerhalb von zehn Quartalen gegenüber dem direkten Vorquartal zurück.

Es geht um die Arbeitsplätze

Doch auch wenn die Wachstumsziele heuer erneut erreicht werden dürften, ändert dies nichts am langfristigen Trend einer schwächeren Konjunktur in China. So wurden nämlich auch die Ziele in den vergangenen Jahren von der chinesischen Regierung sukzessive gesenkt. Bezeichnete der damalige Premier Wen Jiabao im Jahr 2010 noch ein jährliches Wachstum von acht Prozent als notwendig, um eine „grundsätzliche Stabilität auf dem Arbeitsmarkt“ zu gewährleisten, nannte sein Nachfolger Li Keqiang vor einem Monat nur noch ein Wachstum von sieben Prozent pro Jahr als absolutes Minimum.

Ökonomen erwarten jedoch, dass diese Grenze innerhalb der nächsten fünf Jahre bei nur mehr sechs Prozent angesetzt werden wird. Hauptgrund dafür ist die Veränderung der chinesischen Wirtschaft. Stammte das Wachstum bis dato nahezu ausschließlich aus dem industriellen Sektor und seinen Billigarbeitskräften, wird künftig vermehrt der Dienstleistungsbereich zum Wachstum beitragen. Da dieser arbeitsintensiver ist, können hier auch mit geringerem Wachstum genügend Jobs für die auf den Arbeitsmarkt drängenden Menschen geschaffen werden.

Laut Berechnungen des in Peking lebenden Ökonomen Andrew Polk schafft ein Wachstum von acht Prozent rund zehn Millionen neue Jobs in der chinesischen Industrie. Die gleiche Zahl an Arbeitsplätzen im Dienstleistungssektor benötige jedoch lediglich ein Wachstum von fünf Prozent pro Jahr.

Druck auf Arbeitsmarkt nimmt ab

Damit Chinas Regierung ihr wichtigstes Ziel – soziale Unruhen vermeiden – erreichen kann, werde künftig also ein geringeres jährliches Wachstum ausreichen. Hinzu kommt, dass auch die Zahl der Chinesen im arbeitsfähigen Alter aufgrund der Ein-Kind-Politik stetig abnimmt. Darüber hinaus hat sich Chinas Regierung den Kampf gegen die ausufernde Umweltverschmutzung auf die Fahnen geheftet. Und diese wurde nicht zuletzt durch das rasante Wachstum der vergangenen 15 Jahre befeuert.

Fraglich ist jedoch, ob China mit einem weiter sinkenden Wirtschaftswachstum noch die Rolle der globalen Konjunkturlokomotive spielen kann, die das Land zumindest seit dem Ausbruch der Wirtschaftskrise von 2008/09 quasi durchgehend innehatte. So erklärt sich auch das deutsche Exportwunder der vergangenen Jahre – das die Rolle Deutschlands als ökonomische Führungsmacht Europas verfestigte – nicht zuletzt durch die hohe Nachfrage aus China nach deutschen Maschinen oder Automobilen.

Es ist aber eine logische Folge eines geringeren Wachstums der chinesischen Industrie, dass auch die Nachfrage nach ausländischen Investitionsgütern sinken wird. Westliche Ökonomen hoffen daher, dass dies zumindest mittelfristig von einem höheren Konsum der chinesischen Bevölkerung aufgefangen werden könnte.

Doch auch wenn Chinas – im Verhältnis zum Westen immer noch beachtliches – Wachstum weiterhin ausreicht, um die Weltwirtschaft anzutreiben, bleiben einige Risken bestehen. Allen voran bereitet die Verschuldung der lokalen Regierungen und Banken bereits vielen Experten Sorgen.

Platzt die Immobilienblase?

So stieg das Kreditvolumen allein seit 2008 von rund 20 Billionen Yuan (2,4 Billionen Euro) auf mehr als 42 Billionen Yuan. Rund zwei Drittel dieser Kredite wurden dabei von den vier größten Banken des Landes gegeben. Und nicht immer waren die damit getätigten Investitionen werthaltig. Vor allem im Immobilienbereich soll sich in vielen Gegenden bereits eine veritable Blase gebildet haben.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.08.2013)

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