Arthur Laffer: "Reichensteuer? Das ist dumm"

Arthur Laffer Reichensteuer Reagan
Arthur Laffer Reichensteuer Reagan
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Arthur Laffer, einst Wirtschaftsberater von Ronald Reagan, erklärt im "Presse"-Interview, warum wirtschaftspoltische Änderungen ihre Zeit brauchen.

Die Presse: Wenn man die wirtschaftliche Entwicklung der USA und Europas vergleicht, scheint die US-Strategie, massenhaft Geld in die Wirtschaft zu pumpen, besser zu funktionieren als die Sparprogramme in Europa. Hat am Ende doch Keynes recht?

Arthur Laffer: Die US-Zahlen sind schrecklich, wenn man sie sich im Detail anschaut: Dass die Arbeitslosen weniger werden, hat vor allem damit zu tun, dass die Menschen einfach aus dem Arbeitsprozess ausgeschieden sind. Sie geben auf. Das Wachstum des BIP ist konstant, es gibt keinen Ausschlag nach oben. Untersuchungen zeigen, dass wirtschaftlich die Länder den größten Erfolg haben, die die wenigsten Stimulusprogramme hatten. In den USA hatten wir die beste wirtschaftliche Entwicklung, als wir keine oder kaum öffentlichen Förderprogramme hatten - etwa unter Bill Clinton oder von 1944 bis 1950, als wir unsere Staatsausgaben massiv zurückfuhren.

Damals gab es aber auch keine Krise.

Ich habe mir die Krisenzeiten, also die Präsidentschaft von George W. Bush und Barack Obama, genau angeschaut - beide übrigens schreckliche Präsidenten: Als sich der Staat am meisten einmischte, kollabierte die Wirtschaft.

Wäre der Zustand der Wirtschaft nicht noch viel schlechter, wenn man gar nichts getan hätte?

Ich glaube, dass die Wirtschaft ohne Stimulusprogramme viel besser dastehen würde. Die Wirtschaft weiß besser, wie sie sich regenerieren kann, als irgendein Beamter.

Hätte der Staat nichts getan, wären doch viele systemrelevante Banken in den USA Pleite gegangen und hätten weltweit andere Banken mitgerissen. Hätte das die Krise nicht dramatisch verschärft?

Absolut nicht. Wir hatten in der Vergangenheit viele Wirtschaftskrisen in vielen Ländern, und jede Krise, die ohne Einmischung der Regierung verlaufen ist, hat sich sehr schnell wieder normalisiert. Wir hatten auch im Jahr 2000 einen dramatischen Einbruch, die Finanzmärkte gaben um mehr als 50 Prozent nach. Aber die Regierung hat nichts getan - und innerhalb eines Jahres war der Markt wieder auf normalem Niveau.


Mit einem Bankenkollaps wären aber auch alle Ersparnisse der Menschen weg gewesen.

Und? Die Häuser wären nicht weg gewesen, die Autos wären nicht verschwunden. Stimmt, die Menschen hätten viel, viel Geld verloren. Aber die Fabriken wären noch immer dagewesen, die Produktionsstätten und die Menschen mit ihrem Wissen und ihrem Können. Nach einem solchen Zusammenbruch hätte es eine große Sturm- und Drang-Zeit gegeben und alles hätte wieder schnell zur Normalität gefunden. Der Grund, warum die Krise so lange dauert und so schrecklich verläuft, ist, dass die Staaten keine Verluste zulassen wollen. Wenn man die aber nicht zulässt, dann kann man auch keine Profite haben. Und leider erfordern wirtschaftliche Anreize Gewinner und Verlierer, um ein dynamisches Wachstum zu bekommen. Wenn die Regierung alle davor beschützen will, irgendetwas zu verlieren, hört das System auf zu funktionieren. Und genau das ist passiert.

Hat somit also Ihrer Meinung nach auch nicht der New Deal von Präsident Franklin Roosevelt die USA aus der großen Depression der 1930er-Jahre geholt?

Natürlich hat Roosevelt dem Land nicht geholfen. Der Grund, warum wir die große Depression hatten, war die Politik der Verantwortlichen - zuerst Herbert Hoover, dann Roosevelt. Sie haben alles besteuert, was geht, schwimmt oder fliegt und die Steuern massiv erhöht. Der Effekt bei solchen Steuern ist, dass die Menschen nicht mehr arbeiten wollen, wenn ihnen nichts mehr bleibt vom verdienten Geld.

Was wäre denn nach Ihrer berühmten Laffer-Kurve die perfekte Steuerquote, damit die Menschen viel arbeiten wollen und der Staat dennoch genug Geld für seine Programme hat?

Ich habe 1992 ein Modell für Jerry Brown (damaliger Bewerber um die demokratische Präsidentschaftsnominierung, der Bill Clinton unterlag, Anm.) erarbeitet: Ich würde alle Steuern in den USA abschaffen, es gäbe nur noch zwei Flatrate-Steuern: Eine Mehrwertsteuer und eine Einkommensteuer ohne Abschreibemöglichkeiten. Wenn wir die beiden Steuern damals auf zwölf Prozent festgelegt hätten, wäre das Steuermodell aufkommensneutral gewesen. Der Staat hätte mehr Einnahmen, weil die Wirtschaft enorm boomen würde - um mehr als 20 Prozent. Das wäre noch viel größer als alles, was wir unter Ronald Reagan gemacht haben.

Apropos: Sie waren Wirtschaftsberater von Präsident Reagan und eines der Masterminds hinter den Reaganomics. Damals hat man die Einkommensteuer von 70 Prozent auf 28 Prozent gesenkt, die Wirtschaft hat geboomt - aber die Verschuldung der USA ist in Reagans Amtszeit von 30 auf 60 Prozent des BIP gestiegen. So gut hat das offenbar nicht funktioniert.

Solche Änderungen, wie wir sie nach vielen Jahren der Misswirtschaft eingeführt haben, brauchen ihre Zeit. Wir haben eine Steuerreform gemacht, wir haben die Staatsausgaben geändert, dereguliert. Es gab ein Wirtschaftswachstum - aber es stimmt, die Schulden sind nicht gesunken. Das ist erst unter Clinton passiert, da gab es einen Budgetüberschuss und sinkende Staatsschulden.

Die Reaganomics haben sich also erst nach zehn, zwölf Jahren auf die Verschuldung ausgewirkt. Es besteht also Hoffnung für die Schulden der USA, wenn der übernächste Präsident 2024 sein Amt antritt.

(lacht) Vielleicht. Wir haben ein sehr massives Schuldenproblem. Wir haben keine Antwort darauf, Republikaner und Demokraten können sich nicht auf eine Linie einigen. Eine solche Verschuldung kann man nur durch Wirtschaftswachstum in den Griff bekommen. Alles andere funktioniert nicht mehr, schon gar nicht Steuererhöhungen.

Diese Idee hat eine Partei, die SPÖ, im aktuellen Wahlkampf in Österreich: Mit Steuern auf Vermögen über einer Million Euro will man niedrigere Einkommen entlasten. Klingt das nicht gut?

Das ist dumm. Man kann nicht Arbeitsplätze lieben und jene hassen, die Arbeitsplätze schaffen. Die sogenannten Reichen sind diejenigen, die für die Jobs verantwortlich sind, weil ihnen die Fabriken und die Firmen gehören. Man will doch sicher nicht die Reichen in Steuerparadiese vertreiben oder in unproduktive Teile der Wirtschaft.

Wie in Frankreich, wo die Vermögenden vor der Reichensteuer fliehen . . .

Genau, Gerard Depardieu geht nach Russland. Das ist doch alles lächerlich. Warren Buffett zahlt in den USA kaum Steuern, weil er weiß, wie er sein Vermögen vor der Steuer in Sicherheit bringen kann. Wenn es eine niedrige Steuerquote gibt, sind die Menschen eher gewillt, Steuern zu bezahlen. Wenn man Reiche besteuert und das Geld den Armen gibt, wird man am Ende sehr viele arme Leute haben und keine Reichen mehr. Die Reichen kennen nämlich die Tricks, wie man Steuern vermeidet. Sie haben Berater und Experten, sie können das Land ihres Einkommens und den Zeitpunkt ihres Einkommens ändern.

Wie kann man dann als Staat niedrigeren Einkommensbeziehern helfen?

Der Traum auf dieser Welt war immer, den Armen zu helfen. Aber Ziel muss es sein, die unteren Einkommensschichten nach oben zu bringen, nicht, sie zu Almosenempfängern zu machen. Die beste Möglichkeit für einen Staat, wohltätig zu sein, ist es, Möglichkeiten zu schaffen, damit die Menschen einen guten Job haben und gutes Geld verdienen können. Man will doch die Armen reich machen und nicht die Reichen arm.

("Die Presse", Print-Ausgabe vom 28.9.2013)

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