Milliardenschaden bei öffentlichen Aufträgen

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Baustelle SkylinkMichaela Bruckberger
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Durch manipulierte Auftragsvergabe, Schmiergeldzahlungen und bewusste Misswirtschaft bei Aufträgen der öffentlichen Hand gehen in der EU bis zu 18 Prozent der Projektkosten verloren.

Brüssel/Wien. Wenn der Staat in die Tasche greift, fließen bis zu 18 Prozent der Projektkosten in falsche Kanäle. Das ist das Ergebnis einer von der EU-Kommission in Auftrag gegebenen Studie, die durch Pricewaterhouse-Coopers und Ecorys und mithilfe der Universität Utrecht in Frankreich, Ungarn, Italien, Litauen, Niederlande, Polen, Rumänien und Spanien durchgeführt wurde. Die Studie liegt der „Presse“ vor.

Untersucht wurden zwar nur acht der 28 Mitgliedstaaten, doch die Ergebnisse sind alarmierend. In den fünf wichtigsten Sektoren des öffentlichen Beschaffungswesens gingen in diesen Ländern pro Jahr zwischen 1,4 und 2,2 Milliarden Euro an Steuergeldern durch Betrug verloren. Die Autoren warnen vor gängigen Praktiken wie Schmiergeldzahlungen, Absprachen bei Ausschreibungen und bewusstem Missmanagement. Die EU-Kommission hat Interesse an einem Kampf gegen Korruption im öffentlichen Beschaffungswesen, weil zahlreiche dieser Projekte mit EU-Geldern finanziert werden.

Das jährliche Volumen an öffentlichen Aufträgen in der EU ist riesig. 2010 wurden laut der Studie in den damals 27 Mitgliedstaaten Aufträge in der Höhe von nicht weniger als 2406 Milliarden Euro von den Regierungen und den Kommunalverwaltungen an private Unternehmen vergeben. Das entsprach 20 Prozent der Wirtschaftsleistung. Das Geld fließt in öffentliche Bauaufträge, in Dienstleistungen für den Staat, in die Wasserwirtschaft oder in Forschung und Entwicklung. Bei den entdeckten Korruptionsfällen ging das meiste Geld bei Projekten zur Fort- und Weiterbildung verloren. Dahinter lagen der Straßen- und Eisenbahnbau und am Ende der Skala Forschung und Entwicklung.

Die höheren Kosten entstehen vor allem durch manipulierte Angebote oder Absprachen mit Amtsträgern. Schmiergeldzahlungen sorgen dafür, dass es nur eine sehr geringe Zahl an Angeboten gibt oder Aufträge an Firmen vergeben werden, die nicht die Bestbieter sind. Ein Beispiel aus den untersuchten Ländern: Bei einem öffentlichen Projekt zum Wiederaufbau eines historischen Stadtkerns wurde eine Budgetobergrenze von 4,32Millionen Euro festgelegt. Der einzige Bieter reichte ein Angebot mit 5,4 Millionen Euro ein. Die Ausschreibung wurde wiederholt, und derselbe Bieter bot seine Leistungen nun zu exakt 4,32 Millionen an. Noch während der Bauzeit wurden von den verantwortlichen Amtsträgern die Kosten um 1,08 Millionen ausgeweitet, sodass die Projektkosten letztlich doch 5,4 Millionen ergaben.

Die Studienautoren empfehlen angesichts der eskalierenden Korruption eine radikale Änderung der öffentlichen Auftragsvergabe in der EU. Es müsse eine völlige Transparenz eingeführt werden. Die EU-Mitgliedstaaten sollten dafür Sorge tragen, dass bei jeder Ausschreibung eine ausreichende Zahl an Unternehmen als Bieter eingeladen werden. In allen Mitgliedstaaten sollte ein System zur Kontrolle sämtlicher öffentlicher Aufträge über einheitliche Datenerhebung eingeführt werden. Ausdrücklich wird darauf hingewiesen, dass immerhin in der Hälfte der EU-Mitgliedstaaten, darunter in Österreich, die Daten von öffentlichen Aufträgen nach „ungewöhnlichen Mustern“ untersucht werden.

In den untersuchten acht Ländern war die Wahrscheinlichkeit von Korruption in Spanien, Litauen und Rumänien am höchsten. Von 192 untersuchten Fällen öffentlicher Aufträge wurden bei der Hälfte Korruption oder mögliche Korruption festgestellt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.10.2013)

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