US-Budgetstreit riskiert Bankenkrach

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Wenn der Kongress die Obergrenze für die Schulden Amerikas nicht erhöht, droht Chaos im globalen Bankenwesen. Binnen einer Woche hat sich der Preis für die Zahlungsfähigkeit der Banken bereits verdoppelt.

Washington. Was kostet ein Pfund Schweinebauch in Amerika? Ungefähr 90 Cent, vermutlich. Aber genau weiß man das seit dem 1. Oktober nicht mehr. Denn an diesem Tag begann der Shutdown, und das US-Landwirtschaftsministerium musste aufhören, die Marktpreise für verschiedene Sorten von Schweinefleisch zu erheben. „Aufgrund des Ausfalls der Finanzierung durch die Bundesregierung ist diese Website nicht verfügbar“, heißt es auf www.usda.gov. Im Weißen Haus laufen die Verhandlungen zwischen Republikanern und Demokraten währenddessen ohne Pause weiter. Ein Kompromiss scheint erstmals denkbar.

Der amerikanische Schweinefleischmarkt, der jährlich rund 95 Milliarden Dollar (70 Milliarden Euro) umfasst, ist somit im Blindflug unterwegs. Zwar behelfen sich manche Supermarktketten und Fleischverarbeiter mit den Daten privater Marktforscher. Doch die kosten Geld, und nicht jeder Schweinezüchter kann sich das leisten. Und wenn die Bauern nicht wissen, ob es ein Über- oder Unterangebot an Schweinen gibt, züchten sie zu wenige oder zu viele Schweine. Bereits eine Woche nach dem Shutdown zeigt sich das auf dem Futures-Markt für Schweinefleisch: Dort wurden binnen einer Woche um 40 Prozent weniger Verträge über künftige Lieferungen von Fleisch zu festgelegtem Preis geschlossen.

Das Fünf-Billionen-Dollar-Problem

Dem Rest der Welt mag es egal sein, dass die Heimat der modernen Wirtschaftswissenschaften mit dem „Schweine-Zyklus“ ringt.

Nicht egal hingegen ist es für den Rest der Welt, was mit dem zweiten aktuellen Budgetproblem Amerikas geschieht. Denn wenn die USA ihre Schuldenobergrenze nicht erhöht, kann das Finanzministerium irgendwann gegen Ende diesen Monats nicht mehr alle Rechnungen bezahlen. Und das könnte eine globale Bankenkrise verursachen, die an jene vor fünf Jahren nach dem Bankrott von Lehman Brothers heranreicht.

Denn Tag für Tag gewähren die Banken einander kurzfristige Kredite, um sicherzustellen, dass sie jederzeit flüssig sind. Als Sicherheit für diese über Nacht glatt gestellten Darlehen verwenden sie besonders häufig kurzfristige Schuldverschreibungen der US-Regierung, die T-Bills. Dieser allein in den USA rund fünf Billionen Dollar umfassende Markt (im Finanzenglischen „Repo“ genannt, was eine Verballhornung von „Sale and Repurchase Agreement“ ist, also „Rückkaufvereinbarung“) ist für das Funktionieren der Wirtschaft sehr wichtig. Ohne diese gegenseitige Liquiditätshilfe kann der Bankenmarkt einfrieren, wenn eine Bank plötzlich zahlungsunfähig wird. Dann weiß keine der Banken, wem sie wie sehr trauen kann. Einander gegenseitig in die Geschäftsbücher zu schauen, ist ja nicht möglich.

Und somit gibt es dann weniger oder gar keine neuen Kredite für Unternehmen. Die Unternehmen können dann nicht investieren und neue Arbeitsplätze schaffen. Die Wirtschaft kommt zu Stillstand: so, wie das nach dem Eingeständnis der Zahlungsunfähigkeit von Lehman Brothers 2008 war.

„Was denken Leute, die T-Bills kaufen?“

Die Rauferei zwischen Präsident Barack Obama und den Republikanern um die Erhöhung der Schuldengrenze könnte genau so einen Bankenkrach auslösen. Zwar bieten die Republikaner an, die Frist für das Ablaufen der derzeitigen Obergrenzen von 16,7 Billionen Dollar um sechs Wochen zu verschieben. Obama lehnt das aber bisher ab.

Und so wird Finanzminister Jack Lew irgendwann zwischen dem 22. Oktober und dem 1. November das Bargeld ausgehen. Dann wird er Prioritäten setzen müssen. Die Anleihengläubiger der USA werden wohl keine Einbußen erleiden. Sie werden immer bevorzugt bezahlt werden. Anders sieht das für Empfänger von Arbeitslosengeld, Lebensmittelkarten oder Rechnungen für öffentliche Bauprojekte aus. Sie dürften, falls die Schuldendecke tatsächlich nicht angehoben wird, kurzerhand später bezahlt werden.

Für die Kreditgeber der US-Regierung reicht aber schon der Umstand, dass Amerika nicht alle Rechnungen problemlos bezahlen könnte, um einen höheren Preis zu verlangen. Und so hat sich der Zinssatz auf dem geschilderten kurzfristigen Repo-Markt binnen einer Woche von 0,07 auf 0,17 Prozent mehr als verdoppelt. Das ist der Preis für die ständige Zahlungsfähigkeit der Banken. Und zwar aller Banken auf der Welt, die mit US-Banken Geschäfte machen. Sie sind ebenso betroffen, wenn Obama das Offensichtliche benennt: „Letzten Endes zählt das: Was denken die Leute, die T-Bills kaufen?“

USA Bargeldvermögen
USA BargeldvermögenDie Presse

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.10.2013)

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