Chinas gefährliche Dollarsucht

Die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich warnt: Chinas Banken und Unternehmen haben zu viele Schulden in US-Dollar.
Die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich warnt: Chinas Banken und Unternehmen haben zu viele Schulden in US-Dollar.(c) REUTERS (STRINGER SHANGHAI)
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Die Anzahl der Dollarkredite in China ist seit 2008 dramatisch angestiegen. Sollte die Federal Reserve die Liquidität drosseln, könnte eine Asien-Krise wie 1998 oder Schlimmeres folgen.

Wien/Basel. Die schiere Menge an Dollarkrediten in China und anderen aufstrebenden asiatischen Ländern könnte im Fall der Drosselung der US-Geldpolitik zu einer Asien-Krise wie 1998 führen – bzw. zu einer viel größeren Krise, weil China und Co. seit 1998 stark an Bedeutung gewonnen haben. Das schreibt die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) in einem neuen Report. Die BIZ wird meist als die „Zentralbank der Zentralbanken“ bezeichnet – sie dient als Koordinationsstelle der Notenbanken, ihre Studien genießen weltweit hohes Ansehen.

Der neue Report mit dem Titel „Transmitting global liquidity to East Asia“ weist auf ein extremes Wachstum an Dollarkrediten (also Fremdwährungskrediten) in China seit dem Jahr 2009 hin. „Die Dollarkredite wachsen sehr schnell“, schreibt die BIZ. „Sie haben sich in den vergangenen vier Jahren mehr als vervierfacht und sind von 270 Mrd. Dollar auf 880 Mrd. oder mehr angestiegen.“
Laut Chinas Aufsichtsbehörden sind rund 81 Prozent aller Fremdwährungskredite im Reich der Mitte in US-Dollars – und nur jeweils sechs Prozent in Euro oder Yen. Laut BIZ sind die extrem lockeren geldpolitischen Maßnahmen der „westlichen Zentralbanken“ für den Anstieg der Fremdwährungskredite verantwortlich. Kurz gesagt: Chinesische Banken und Unternehmen haben sich bei US-amerikanischen und europäischen Banken in noch nie zuvor gesehener Weise mit Dollars versorgt – weil diese derzeit so billig sind wie noch nie (siehe Leitzinsen).

85 Mrd. pro Monat

Die BIZ stellt aber die Frage: Was passiert, wenn die lockere Geldpolitik endet? Einen Vorgeschmack darauf dürften wir schon heuer gesehen haben. Die Märkte vieler wichtiger Schwellenländer kamen ins Trudeln, nachdem die US-Notenbank Federal Reserve eine baldige Drosselung der Geldpolitik in Aussicht gestellt hat. Derzeit pumpt die Fed pro Monat rund 85 Mrd. Dollar in den Markt – in erster Linie, um die US-Immobilienpreise zu stimulieren und US-Staatsausgaben zu finanzieren.

Die lockere Geldpolitik soll also in erster Linie der US-Wirtschaft helfen, stellt aber China vor ein doppeltes Problem. Einerseits machen sich die Banken und Unternehmen durch ihre Gier nach der derzeit billigen Weltwährung Dollar verwundbar – andererseits hält der chinesische Staat das Rekordvolumen von rund zwei Billionen Dollar in US-Staatsanleihen. Heißt: Einerseits sollte Peking einen schwächeren Dollar begrüßen, weil das die Schuldenlast der Unternehmen entschärft. Dank eines bisher nicht freigegebenen Wechselkurses könnte man allzu negative Folgen eines schwachen Dollar auf den eigenen Export auch abfangen.

Aber andererseits würde ein schwächerer Dollar die Währungsreserven der Regierung entwerten. Dies könnte ein Grund dafür sein, warum China den Goldanteil an seinen Reserven seit Jahren sukzessive aufstockt.
Die Gefahr einer neuen Asien-Krise, die von Chinas Dollarkrediten ausgelöst wird, trifft aber auch Amerika, Europa und Japan. Genauer gesagt: die US-Banken, die britischen Banken und die japanischen. Allein die britischen Institute haben mehr als ein Viertel der Fremdwährungskredite nach China vergeben, US-Banken und japanische Institute gemeinsam ein bisschen weniger. Die Banken der Eurozone haben sich auffallend zurückgehalten – bzw. ihr „Exposure“ sogar zurückgefahren. Die deutschen, holländischen, französischen und anderen europäischen Banken haben nur noch 14 Prozent aller Forderungen an chinesische Banken und Unternehmen in ihren Büchern stehen. Vor vier Jahren waren es noch 32 Prozent.

Risken heute größer als 2008

Eine intelligente Strategie, wenn man bedenkt, dass der chinesische Staat (anders als der US-amerikanische) bereits deutlich signalisiert hat, dass man nicht bereit ist, strauchelnde Unternehmen nicht durch staatliches Geld retten zu wollen.

Die BIZ schreibt, dass die Dollar-Liquiditätskrise nach Lehman eine Lehre sein sollte – und dass die Risken heute größer sind als damals. Auch weil die chinesischen Banken in einer anderen Fallhöhe operieren. Lag das Verhältnis zwischen Fremdwährungskrediten zu Einlagen in China 2005 noch bei „gesunden“ 100 Prozent, so hat man sich inzwischen der 200-Prozent-Marke angenähert.

Sollte die Fed ihr lockeres Gelddruckprogramm im „falschen Moment“ beenden, könnte das drastische Folgen haben, so die BIZ.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.10.2013)

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