Mateschitz: „Eine Vermögensteuer ist durchaus legitim“

Dietrich Mateschitz
Dietrich MateschitzGEPA pictures/ Irmgard Daempfer
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Red-Bull-Chef Dietrich Mateschitz im Gespräch mit Journalisten – das hat Seltenheitswert. Mit der „Presse“ sprach er über Formel 1, Steuergerechtigkeit, die Nachfolge in seiner Firma – und wo er sich daheim fühlt.

Die Presse: Sie haben mit dem Red-Bull-Team zum vierten Mal in Folge die Konstrukteurs-Weltmeisterschaft in der Formel 1 gewonnen. Wie intensiv erlebt man den Erfolg, wenn er zum Automatismus und zur Übermacht wird?

Dietrich Mateschitz: Es inflationiert natürlich auch ein bisschen. Aber es ist nicht wie „Dinner for One“ zu Silvester: Sie wissen schon, same procedure as every year. Es ist immer noch alles andere als Normalität, und das versuchen wir auch so zu begreifen, daher freuen wir uns auch. Die Luft ist dünn da oben. Die anderen verstehen ihren Job auch. Auch sie investieren, konstruieren und perfektionieren.

Was macht dann den Unterschied aus?

Vielleicht, dass wir Qualitätsfetischisten in fast pathologischer Ausprägung sind.

Sie sind daheim geblieben, als Sebastian Vettel in Indien den Titel sicherte.

Ich gehe auf den 70er zu, da wird man ein bissl hoamsinnig, wie man in der Steiermark sagt. Wir machen jetzt 19 Jahre Formel 1, zehn Jahre mit Peter Sauber und jetzt das neunte mit Red Bull. Da reist man nicht mehr nach Shanghai und sieht vier Tage die Sonne nicht. Da geh ich lieber auf einen Berg, Schwammerlsuchen, Biken oder sonst was. Die Zeit ist kostbar. Dass ich da mit Bernie oder anderen den Vorstart rauf- und runtergehe, Sie wissen, das bin ich nicht. Vielleicht bin ich auch etwas faul geworden.

Für Spielberg 2014, da gilt die Faulheit aber nicht, oder?

Nein, das ist etwas Besonderes. Da habe ich keine Ausrede.

Ist das Formel-1-Comeback, das Sie möglich gemacht haben, ein sentimentales Projekt oder ein wirtschaftliches?

Es hat viel mit gutem Willen zu tun, weniger mit Sentimentalität. Es ist mit Sicherheit kein Geschäft, ganz im Gegenteil. Aber für manche Dinge gibt man das Geld eben gern aus und für manche weniger gern. Diese Investition trage ich gerne.

Eine Geste an Ihr Herkunftsland?

Ich will kein falsches Pathos. Wenn 80.000 Leute kommen, wird die Investition zurückfließen, nicht nur in die Steiermark, sondern ins ganze Land. Das macht dann Freude. Und wahrscheinlich habe ich auch so etwas wie ein Erzherzog-Johann-Syndrom, ein bissl ein Trauma.

In Amerika wurde Ihr Unternehmen dieser Tage verklagt, weil ein Konsument angeblich an den Folgen überhöhten Red-Bull-Konsums verstorben ist. Wie gehen Sie damit um?

Das passiert fünf Mal im Jahr und nervt natürlich. Da muss man die amerikanische Justiz kennen, die Anwälte, die ihre Visitenkarten verteilen und sagen: Ich vertrete dich umsonst, dafür kriege ich 30 und mehr Prozent der Einnahmen. Wir haben meterhohe klinische und toxikologische Untersuchungen zur Unbedenklichkeit, die Vorwürfe sind absurd. Und wenn die französische Regierung eine Steuer auf Energy Drinks einführen will, dann tut sie das nicht, weil sie die Gesundheit schützen will, sondern weil sie damit 80 Millionen Euro für die leere Staatskassa lukriert. Das ist Doppelmoral, Lug und Betrug. Coca-Cola hat teilweise dasselbe Problem, bei denen ist es halt der Zucker, bei McDonalds ein Konsument mit Übergewicht, bei Walmart ein frisch gewischter Fußboden. Solche Beispiele kann man endlos aufzählen. Ich halte es mit Viktor Frankl, der sagt, das ureigenste aller Menschenrechte ist das der Eigenverantwortung.

Die braucht aber einen Rahmen.

Den setzt bei uns der Staat so eng, dass von der Verantwortung des Einzelnen nichts mehr übrig bleibt. In der Pädagogik ist immer der Lehrer schuld oder das System, aber nie die Eltern oder die Jugendlichen selbst. Alles wird niederreglementiert. Man schreibt vor, dass ein Wegweiser auf einem Berg gelb und pulverbeschichtet sein muss und dass Schafe und Kühe auf der Alm Marken haben müssen, mit so und so vielen Farben, dass man schon fast keine Ohren mehr sieht. Ich glaube an Individualismus, nicht an Konformismus. Mich wundert, was die Menschen alles hinnehmen. Dass sie sich gefallen lassen, was die NSA macht, was die Staaten machen, was die EU macht. Irgendwann wird es zum Aufstand kommen.

Wollten Sie nie Politiker werden?

Nein, ich wäre völlig unbrauchbar. Da geht es um die politische Kultur. Ich finde es nicht richtig, dass es primär um die Machterhaltung der eigenen Partei geht, dass man durch Diffamierung und Diskriminierung der anderen Parteien überzeugen will und nicht durch die eigene Leistung. Das würde ich nie auf mich nehmen. Ich glaube auch nicht, dass es gut ist, dass man hauptberuflich Politiker ist. Was hat man da gelernt? Was ist das für ein Beruf?

Ein verantwortungsvoller und zeitraubender.

Dass man rhetorisch gut ist? Dass man gut lügen kann? Dass man sich opportun verhalten kann? Das ist ja kein Beruf. Ich wünsche mir Politiker, die einen Beruf haben, Landwirt, Rechtsanwalt, Finanzmann, Wissenschaftler, Professor, Unternehmer, Journalist, Kaufmann. Und wenn man in der Politik keinen Erfolg hat, das heißt seine Leistung nicht erbringt, dann geht man zurück in die Kanzlei oder auf den Bauernhof. Dann wäre zumindest mal die Abhängigkeit von der politischen Partei aufgehoben. Und warum muss man überhaupt einer Partei angehören? Man verliert dadurch die besten Köpfe eines Landes, weil sie genau das nicht möchten. Im Kern ist es ganz einfach, in der Politik wie überall sonst auch: Es geht um Kompetenz und Charakter, um sonst nichts.

Sie stellen sich mit Ihrem Produkt dem globalen Wettbewerb. Wie wettbewerbsfähig ist Österreich?

Österreich könnte sein Potenzial besser ausschöpfen. Das gilt für Wissenschaft genauso wie für Technik, Forschung und Wirtschaft. Es gäbe in Österreich viele Marken, die das Potenzial hätten, international zu reüssieren. Warum das nicht allen gelingt, warum es vielleicht nicht einmal alle versucht haben, kann ich nicht beurteilen. Vielleicht haben sie von manchem zu wenig, Selbstvertrauen, Freude an der Herausforderung, Mut, und von manchem zu viel, Bequemlichkeit, Zufriedenheit. Aber vielleicht fehlt auch die Möglichkeit, so einen Schritt zu finanzieren.

Es gibt Pläne, das Vermögen in Österreich stärker zu besteuern. Würden Sie das als glamourös Betroffener befürworten?

Ja, eine Vermögensteuer finde ich durchaus fair und legitim. Auch wenn man natürlich jetzt schon ein Zigfaches an Steuervolumen bezahlt.

Wo zahlt Red Bull Steuern?

Es wird der gesamte Weltumsatz in Österreich versteuert. Es ist relativ bekannt von mir, dass wir völlig transparent sind. Wir haben keine Einkaufsgesellschaft in Hongkong, wir haben die Marke nicht auf den Cayman-Inseln. Wir zahlen, so wie es sich gehört, jeden Cent Steuer ohne irgendwelche Konstrukte. Aber in Ausnahmezeiten, und in denen bewegen wir uns, ist es die Verpflichtung des Einzelnen, sofern er dazu finanziell in der Lage ist, zusätzlich zu kontribuieren. Man könnte die zahlungskräftigen Großunternehmen freiwillig zu einer solchen Einmalaktion oder meinetwegen über zwei, drei Jahre hindurch auffordern, einen solchen außerordentlichen Beitrag zu leisten – vielleicht käme dabei mehr heraus, als man sich jetzt vorstellen würde.

Sie würden das machen?

Ja, solange es notwendig ist. Das Problem ist nur, dass es in Summe nicht viel helfen wird. Wenn Sie bei allen Arbeitnehmern fünf Euro im Monat einsparen, ist die Summe eine vielfach höhere, als wenn Sie den sogenannten Millionären Millionen wegnehmen. Was uns betrifft, machen wir ohnehin sehr viel. Und wenn es in Summe über das Machbare hinausgeht, dann müssen wir eben bei anderen Dingen einsparen, sei es im Sport, in der Wissenschaft, im sozialen Bereich oder sonst wo. Aber eines möchte ich schon noch anführen: Ich halte die Summe des Steueraufkommens in Österreich, als einem der höchstbesteuerten Länder, für ausreichend. Der Schlüssel ist die richtige Aufteilung. Aber noch einmal: Eine Vermögensteuer halte ich für durchaus legitim.

Wie viel Steuern zahlt Red Bull?

Das weiß ich jetzt nicht genau. Wenn Sie Mehrwertsteuer, Körperschaftsteuer, Lohnsteuer, Kommunalsteuer, dazu die Mehrfachsteuern usw. zusammenzählen, dann sind das ein paar hundert Millionen im Jahr.

In der Schweiz wäre es schonender.

Ich hab einmal im Spaß gesagt, wenn ich in die Schweiz ginge, könnte ich mir alle drei Monate eine Riesenvilla am Luganosee kaufen und verschenken, das Ganze viermal im Jahr, und es käme mich immer noch billiger als in Österreich.

Spricht da wieder Erzherzog Johann?

Nein, aber es besteht keine Notwendigkeit.

Wie definieren Sie Luxus?

Die Intensität einer unversehrten Natur, ein kleiner Kreis an Freunden mit einer Affinität im Humor und in der Art zu denken. Sinnvolle, erfüllende Arbeit. Familie. Zeit, Souveränität über sie und gelegentlich gut essen gehen. Auch ansehnliche Ski und ein gescheites Bike für die Berge gehören dazu.

Hier auf Ihrem Tisch liegt die Jachtzeitschrift „Exklusiv“.

Ich besitze keine Jacht. Es gibt den Spruch, die beste Jacht ist die von Freunden, aber ich habe auch keine Freunde mit Jacht.

Warum betreiben Sie einen defizitären Fernsehkanal mit zwei Prozent Reichweite?

Warum wir Servus TV gemacht haben? Wir haben einen Pilotsender für Red-Bull-TV gebraucht. Ich habe gesagt, wenn wir schon einen Pilotsender brauchen, um das Handwerk zu erlernen, dann muss er da sein, wo wir leben, und er muss das kommunizieren, wovon ich glaube, dass es notwendig ist. Wenn Sie sich durch die Fernsehprogramme zappen – und ich rede nicht nur von den Privatsendern –, dann frage ich mich oft, ob es Absicht ist, dass man zur Volksverblödung beitragen will. Da habe ich lieber zwei Prozent Reichweite und in ein paar Jahren vier. Da zeige ich lieber anspruchsvolle Dokus als ein 110 Kilo schweres, streitendes Serien-Eheweib in High Heels.

Wo zwischen Fidschi und Fuschl sind Sie zu Hause?

In Maria Alm, in einem Bauernhof am Fuße vom Steinernen Meer, ein unglaublicher Platz, die letzte Besiedelung, danach ist nur Wald. Die Mama wohnt bei mir, in einem Gästehaus neben dem Bauernhof. Da schaltet und waltet sie mit ihren 99 Jahren.

Fühlen Sie sich vom offiziellen Österreich hinreichend wertgeschätzt?

Ich bin ein Kritiker meiner selbst. Eigentlich muss nur ich mit mir zufrieden sein. Ich möchte keine Orden und keine Ehrungen. Es gibt nicht viel, was ich nicht abgelehnt habe, und das wird so bleiben.

Sie werden nächstes Jahr 70. Was haben Sie noch vor mit sich?

Ich erinnere mich immer selber daran, dass es Zeit wäre, in Pension zu gehen. Mein Umfeld versichert mir, dass das keine gute Idee wäre. Ich habe meine Arbeitszeit auf eine Drei-Tage-Woche reduziert, was mir zur Hälfte auch einzuhalten gelingt. Meinem vierköpfigen Vorstand sage ich, ihr müsst euch angewöhnen, Entscheidungen irgendwann ohne mich zu treffen, weil ich dann nur noch Holzknecht sein werde.

Wird Ihr Sohn das Unternehmen weiterführen?

Er muss es zuerst wollen. Und dann muss er es können. Er wird sicher nicht wie ich Geschäftsführer und Alleinverantwortlicher sein, nur weil er mein Sohn ist. Er glaubt, er muss BWL studieren, also soll er. Er hat das Herz am rechten Fleck, er ist sensibel, auch so ein Michael Kohlhaas. Ganz schief wird er nicht werden. Beweisen wird er sich in anderen Unternehmen müssen. Sohn sein ist kein Beruf. Dann sollte er quer bei uns einsteigen. Es drängt ihn ja auch nichts. Ich habe einen exzellenten vierköpfigen Vorstand. Meine Nachfolge ist kein Problem. Wenn ich morgen nicht mehr ins Unternehmen kommen will, wird man das nicht merken.

Wo wird man Sie dann vorfinden?

Auf meinem kleinen Pick-up, einem John Deere. Ich sitze am Steuer, mein Spitzname ist Husqvarna, hinten die Motorsäge und das Benzin. So fahr ich in den Wald und schneid herum, tu pflanzen und Bacherln regulieren.


Das Gespräch wurde von den Chefredakteuren der „Kleinen Zeitung", „Oberösterreichischen Nachrichten", „Salzburger Nachrichten", „Tiroler Tageszeitung", „Vorarlberger Nachrichten" und „Presse" geführt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.11.2013)

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