Energiewende: Berlin zügelt den Ökostrom-Boom

(c) REUTERS (FABIAN BIMMER)
  • Drucken

Die schwarz-roten Koalitionsverhandler beschließen eine halbherzige Reform: Der Ausbau von Windkraft und Biomasse wird gedrosselt. Mehr Markt soll es nur langsam geben.

Berlin. Ziemlich gestürmt hat es am Wochenende in Berlin, während sich die Koalitionsverhandler von Union und SPD die Änderungen bei der Ökostromförderung ausgeschnapst haben. Das Fazit, am Montag von der großen Runde fixiert: Vor allem bei der Windkraft will die künftige Große Koalition auf die Bremse steigen. Aber aus dem von vielen erhofften großen Umdenken bei der Energiewende wird, trotz Murren der Strompreis-geplagten Bürger und Gegenwind aus Brüssel, vorerst nur ein laues Reformlüftchen.

Im Detail: Die ehrgeizigen Pläne für Windparks in der Nord- und Ostsee weichen rauen Realitäten. Bis 2020 sollen sie statt 10.000 nur 6500 Megawatt liefern, bis 2030 statt 25.000 nur 15.000. Groß waren die Offshore-Hoffnungen, weil auf hoher See ständig der Wind weht. Doch technische Probleme und verunsicherte Investoren ließen die Euphorie rasch schwinden. Vor allem die Anbindung ans Land will nicht recht gelingen. Dennoch warnt nun Netzbetreiber Tennet, dass er für die reduzierten Kapazitäten überdimensionierte und zu teure Seekabel verlegen muss.

„Überförderte“ Windenergie

Neue Windräder auf Äckern und Wiesen soll es fast nur noch dort geben, wo viel Wind weht, am flachen Land im Norden und Osten. Dort sinken aber auch die Förderungen deutlich. Sogar die Branche gibt zu, dass der Staat „überfördert“, wenn er für das Aufstellen jedes rentablen Windrads mehrere tausend Euro zahlt.

Einschränkungen sind auch beim Strom aus Biomasse geplant. Nur noch Abfälle sollen bei neuen Anlagen als Rohstoff dienen, nicht mehr dafür eigens angebauter Mais. Keine Änderungen muss die Solarbranche fürchten: Die Koalitionsverhandler belassen es bei den kleinen Förderreduktionen, die schon Umweltminister Peter Altmaier (CDU) eingeleitet hat.

Zusätzliche Subventionen müssen wahrscheinlich in alte Kohle- und Gaskraftwerke fließen. Wind und Sonne liefern unregelmäßig. Mit den Speicherkapazitäten geht es langsamer vorwärts als erhofft. Fossile Energieträger müssen die Lücke schließen. Mit dem Erfolg, dass der deutsche CO2-Ausstoß im Vorjahr wieder gestiegen ist. Weil ein nur sporadischer Betrieb von Kohle- und Gaskraftwerken nicht rentabel ist, muss der Steuerzahler ihn finanzieren.

Paradox erscheint vielen Bürgern auch, dass ihre Stromrechnung immer höher wird, obwohl der Preis an der Strombörse sinkt. Beides liegt am Ökostrom: Er schafft an sonnigen und windreichen Tagen Überkapazitäten, die den Preis drücken. Im Gegenzug steigt die Ökostromumlage, mit der man die fixe Einspeisevergütung für Anbieter erneuerbarer Energie finanziert. Ausnahmen für die Industrie sollen wieder auf energieintensive, exportorientierte Betriebe zurückgestutzt werden. Allerdings sind so nur zwei bis drei Prozent der 24 Mrd. Euro einzusparen, die die EEG-Umlage die Deutschen im kommenden Jahr kosten wird.

Marktprämie ohne Risiko

Brüssel sieht alle Ausnahmen mit Misstrauen. Mehr noch: Die Wettbewerbshüter haben die gesamte großzügige Ökostromförderung im Visier. Kommt es zu einem Beihilfeverfahren, steht das System als Ganzes auf dem Spiel.

Viele Experten hatten auf eine grundlegende Reform des EEG gehofft, die mehr Markt in die planwirtschaftliche und damit ständig korrekturbedürftige Energiewende bringt. Doch die Ansätze dafür bleiben bescheiden: Großanlagen sollen irgendwann ihren Strom selbst vermarkten, und die feste Einspeisevergütung soll einem Aufschlag auf den Börsenpreis weichen. Aber bis auf Weiteres dürfen den Anbietern daraus keine Einbußen entstehen. Das heißt: Die Politik legt die „gleitende Marktprämie“ fest, es bleibt bei der Planwirtschaft.

Mit diesen Maßnahmen wird der Strompreis für deutsche Privathaushalte vermutlich nicht sinken. Nur der Anstieg dürfte sich abschwächen. Der Anteil der Erneuerbaren am Strommix wächst durch die insgesamt immer höheren Förderungen schneller als geplant. Die befürchtete Folge: Den Herstellern fehlt der Anreiz, die Kosten durch Innovation zu senken und Ökostrom marktfähig zu machen. Über das richtige Ausbautempo sind Rot und Schwarz noch uneins. Die Union peilt bis 2030 einen Hälfteanteil für Ökostrom an, die SPD hingegen drei Viertel – fast schon das gesamte 80-Prozent-Ziel bis zur Jahrhundertmitte.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.11.2013)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.