China will wahre Leistung zeigen

CHINA ECONOMY EXPORT
CHINA ECONOMY EXPORT(c) EPA (WU HONG)
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Als Teil der Reformen will China die BIP-Berechnung internationalen Standards anpassen. Bisher ist offenbar stärker gemogelt worden als sonstwo auf der Welt.

Wien. Wenn schon Reformen, dann gleich auch bei den Fundamentaldaten. Ungefähr so scheint die chinesische Führung den bereits als revolutionär gefeierten Umbau in Staat und Wirtschaft angedacht zu haben. Konkret will das Reich der Mitte eigenen Angaben zufolge die Berechnung seiner Wirtschaftsleistung internationalen Standards anpassen. Und zwar frühestens ab Ende 2014, wie der Vize-Chef des nationalen Statistikbüros, Xu Xianchun, sagte.

Der Schritt, so es zu ihm kommt, wäre genauso epochal wie die anderen Reformen und „passt zum Gesamtkurs, sich an die westliche Welt heranzupirschen“, wie Horst Löchel, Experte für China an der Frankfurt School of Finance & Management, zur „Presse“ sagt. Da China mittlerweile zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt ist, werden die Daten international mit besonderem Augenmerk verfolgt. Das hat auch damit zu tun, dass sie als nicht sehr zuverlässig eingestuft werden.

Die Summe ist weniger als einzelne Teile

Genährt wird diese Skepsis auch durch eine WikiLeaks-Enthüllung von Dokumenten, denen zufolge Ministerpräsident Li Keqiang jüngst zugegeben haben soll, dass Chinas BIP-Daten künstlich geschaffen und damit nicht solide seien. Forscher Löchel will zwar nicht von gravierenden Falschberechnungen sprechen, verweist aber auf wiederholte Widersprüchlichkeiten in der Vergangenheit, als das BIP der einzelnen Provinzen zusammengerechnet größer war als das gesamtstaatliche BIP.

Bislang ermittelt der bevölkerungsreichste Staat seine Wirtschaftsleistung nach einem System aus dem Jahr 1993. Künftig, so Vize-Chefstatistiker Xu, soll die Methode den seit 2008 geltenden UNO-Vorgaben angepasst werden. Demgemäß würden etwa Kosten für Forschung und Entwicklung als Art Anlageinvestition verbucht. Löchel sieht einen mindestens so großen Spielraum bei den Kleinstunternehmen, vor allem aber auf dem Servicesektor: „Dieser ist in der Berechnung nicht angemessen erfasst.“

Gewiss, die volkswirtschaftliche Gesamtrechnung ist auch andernorts in der Welt keine exakte Wissenschaft, weshalb manche Wirtschaftsleistungen nur geschätzt werden und das Gesamtergebnis daher zwischen den einzelnen Staaten nicht zu jeder Zeit und nur bedingt vergleichbar ist. So wird etwa das Ausmaß der Schwarzarbeit in Deutschland weitaus stärker im BIP berücksichtigt als in Österreich. Die USA wiederum haben kürzlich eine neue Berechnungsart für ihr BIP vorgenommen und dieses dadurch „gesteigert“.

China seinerseits hat zehn Jahre lang mit rasanten Wachstumsraten beeindruckt und diese in der Höhe von neun bis zehn Prozent auch in der Finanzkrise nach 2008 beibehalten. Erst seit zwei Jahren kühlt der Motor ab, wird heuer etwa 7,5 Prozent Zuwachs generieren und könnte laut Ökonomen fortan nur noch sechs Prozent schaffen.

Das hat auch mit der strukturellen Veränderung zu tun, steigt doch die Bedeutung des weniger wachstumstreibenden Dienstleistungssektors gegenüber der dominanten Industrie an. Orientierungspunkt für die Staatsführung ist jenes Wachstumsminimum, das Stabilität auf dem Arbeitsmarkt sichert: Zuletzt wurden sieben Prozent genannt.

Der Reformkurs, der vorige Woche bekannt wurde, beinhaltet unter anderem die Abschaffung der Ein-Kind-Politik, mehr Privatunternehmertum und eine Landreform.

Am Dienstag gab China übrigens bekannt, die Handelsspanne für die Landeswährung Yuan schrittweise zu erweitern und sukzessive aus der regulären Intervention auf dem Devisenmarkt auszusteigen. Damit soll die Währung marktabhängiger werden.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.11.2013)

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