WTO-Einigung: Die Wiedergeburt des Freihandels

Einigung bei WTO-Konferenz
Einigung bei WTO-KonferenzREUTERS
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Die Welthandelsorganisation WTO erreicht das erste weltweite Handelsabkommen seit ihrer Gründung. Keine Sekunde zu früh.

Wien/Nusa Dua. WTO-Generalsekretär, Roberto Azevêdo, hat ganz genau gewusst, warum er die Handelsminister seiner 159 Mitgliedsländer Anfang Dezember lieber auf Bali statt beim WTO-Hauptsitz in Genf zusammentrommelt. Am Rande des Indischen Ozeans ist es dieser Tage nicht nur wohlig warm, auf der hinduistisch geprägten "Insel der Götter" ist auch der Glaube an die Wiedergeburt tief verwurzelt.

Eine Wiedergeburt haben sowohl der Freihandel als auch die Welthandelsorganisation selbst bitter nötig. Seit Ausbruch der Krise ist der Protektionismus auf dem Vormarsch, die Welthandelsorganisation drohte mangels Erfolgs in die Bedeutungslosigkeit abzustürzen. Die Vorzeichen, auf Bali etwas daran zu ändern, standen schlecht. Doch der 56-jährige Brasilianer hat es geschafft: In quasi letzter Sekunde holte er nicht nur Indien, sondern auch Kuba ins Boot und brachte einen Kompromissentwurf für den Bali-Pakt durch.

Es ist ein historisches Abkommen. Nicht so sehr wegen seines Inhalts, sondern weil es das erste weltweit gültige Handelsabkommen seit Gründung der WTO im Jahr 1995 überhaupt sein wird. Der Bali-Vorgänger, die 2001 gestartete DohaRunde, ist seit Jahren klinisch tot.

Dem Pakt von Bali ersparte am Freitag der indische Handelsminister ein ähnliches Schicksal. Er gab den Widerstand gegen das Abkommen auf, das eine einfachere Zollabwicklung, den Abbau von Agrarsubventionen und eine bessere Einbeziehung der ärmsten Länder in den Welthandel vorsieht. Indiens regierende Kongresspartei lehnte den Bali-Pakt anfangs ab, weil sie ihren Bauern versprochen hatte, ihnen im Wahljahr 2014 Reis zu überhöhten Preisen abzukaufen, um die Armen zu ernähren. Nach den neuen Regeln der WTO wäre das eine illegale Agrarsubvention. Der Kompromiss sieht für Schwellenländer nun eine Ausnahme von dieser Begrenzung für Agrarsubventionen vor.

Abkommen soll 21 Millionen neue Jobs bringen

Der Pakt kommt keine Sekunde zu früh. Denn auch wenn Ökonomen vorrechnen, dass dieses Freihandelsabkommen wirtschaftliche Vorteile von 760 Milliarden Euro und 21 Millionen neue Jobs in Entwicklungsländern bringe, entwickelte sich die Welt zuletzt eher weg vom Freihandel.

Wie schlecht Wirtschaftskrisen als Nährboden für Handelsliberalisierungen sind, zeigt ein Blick zurück in die 1930er-Jahre. Damals führte ein Land nach dem anderen Importzölle und Quoten für ausländische Waren ein, was den Welthandel fast zum Erliegen brachte und so aus dem Börsenkrach von 1929 die Große Depression machte.
Protektionismus blüht in G20

Einen solchen Wettlauf an Zöllen und Importquoten verhindern heute die Regeln der WTO. Das hindert die Staaten aber nicht daran, Handelshemmnisse zu erreichten, die hinter der Grenze ihre Wirkung entfalten. Gegen die Einführung von diskriminierenden Qualitätssiegeln kann die WTO denkbar wenig tun.

Wie schädlich derartige Schranken sind, wissen die meisten Staaten der Welt sehr gut. Kurz nach Ausbruch der Krise im Jahr 2008 versprachen die zwanzig führenden Wirtschaftsnationen (G20) daher hoch und heilig, keine neuen Handelshemmnisse aufzubauen.

Passiert ist seither das genaue Gegenteil. Zwischen 2008 und August 2013 haben die G20 genau 1527 handelshemmende Maßnahmen eingeführt, zählt die unabhängige Organisation "Free Trade Alert". Deutlich mehr als alle wirtschaftlich schwächeren Staaten zusammen. Und es sind nicht hungrige G20-Länder wie Indien, die hier vor allem am Pranger stehen. Die westlichen Industrienationen stehen den aufstrebenden Schwellenländern in Sachen Protektionismus um nichts nach. So wurde im Jahr 2009 etwa mehr als die Hälfte aller protektionistischen Maßnahmen von der EU, Japan und den Vereinigten Staaten eingeführt.
Auch USA mit Extrawünschen

Der Bali-Pakt bringt nun eine Reihe von Erleichterungen für den Welthandel. Am Kernthema, das schon die Doha-Runde auf die Intensivstation brachte, rührt der neue Vertrag aber kaum: an die Landwirtschaft. Auch hier können die reichen Länder den ärmeren locker das Wasser reichen. Noch immer subventionieren die EU und die USA ihre Bauern mit zig Milliarden Euro. So verkauften allein im Vorjahr subventionierte Landwirte aus Deutschland 47.000 Tonnen Geflügelfleischreste billigst nach Afrika, was den Geflügelbauern vor Ort jede Geschäftsgrundlage entzieht.

Auch wenn hier nicht direkt der Export gefördert wurde, verschlechtern diese Subventionen die Situation der Bauern in den Importländern. Noch schlimmer ist das bei echten Exportförderungen. Schon 2005 hat die WTO deren Abschaffung bis Ende 2013 beschlossen.

Umgesetzt wurde der Schritt mangels einer Einigung in der Doha-Runde nie. Mit dem Pakt von Bali sollen Exportsubventionen nun endlich gesenkt und Importquoten weitgehend gestrichen werden. Aber auch hier sind nicht alle gleich: Die USA dürfen als einziges Industrieland auch in Zukunft die Einfuhr von Agrarprodukten begrenzen.

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