Hidden Champions: Heimlich an die Weltspitze

Exportweltmeister. In Österreich gibt es 190 Firmen, die in ihrer Sparte Europa- oder Weltmarktführer sind. Meist sind sie Familienbetriebe, haben viel Eigenkapital und tauchen Krisen einfach durch. Und: Sie haben hohes Börsenpotenzial.

Wien. Wenn es um den wirtschaftlichen Erfolg Österreichs geht, ist oft von ihnen die Rede: Den Hidden Champions. Firmen, die still und heimlich von Österreich aus die Weltmarktführerschaft in ihrem Bereich übernommen haben – von der Öffentlichkeit unbemerkt. Vor den Vorhang geholt werden sie selten – auch, weil die heimlichen Weltmarktführer oft selbst kein Interesse daran haben. Georg Jungwirth, Professor an der Grazer Fachhochschule Campus 02, erforscht seit sieben Jahren die heimischen Nischenweltmeister. Er möchte herausfinden, was sie gemeinsam haben – und ob es Muster gibt, die die Hidden Champions teilen.

Sein Fazit: Es gibt sie. „Wir konnten einige Erfolgsfaktoren ausmachen, die immer wieder aufgetaucht sind. Von einer sehr überlegenen Produktqualität über die Fokussierung auf einzelne Marktnischen bis hin zu Ausgaben für Forschung und Entwicklung, die weit höher sind als die der Großkonzerne“, sagt Jungwirth.

190 Nischen-Weltmarktführer

Ein Hidden Champion ist per Definition ein „in der breiten Öffentlichkeit weitgehend unbekanntes mittelständisches Unternehmen, das eine am Weltmarkt führende Position innehat“. Für Österreich hat Jungwirth die Beschreibung etwas überarbeitet. Demzufolge ist ein Hidden Champion unter den Top drei der Welt oder Marktführer in Europa, hat seinen Firmensitz in Österreich und setzt weniger als 200 Millionen Euro im Jahr um. In diese Kategorie fallen laut Jungwirth 190 Unternehmen. 121 davon sind in ihrer Sparte die weltweite Nummer eins.

Ein Beispiel für einen Nischenweltmeister ist dem Betriebswirt zufolge das Wiener Unternehmen Schiebel, vor allem als Drohnenhersteller bekannt. Schon weniger bekannt dürfte sein, dass Schiebel gleichzeitig Weltmarktführer bei Minensuchgeräten ist. Die Firma mit Sitz in Wien-Margareten beschäftigt 120 Mitarbeiter und setzt jährlich 25 Millionen Euro um. Oder die Pollmann International GmbH mit Sitz im niederösterreichischen Karlstein, Weltmarktführer bei Autoschiebedächern: Mit 1200 Beschäftigten spielt Pollmann 100 Millionen Euro jährlich ein. Oder die Ordermann GmbH in Salzburg: 17 Millionen Euro Jahresumsatz, 110 Mitarbeiter, Weltmarktführer bei Kassensystemen für die Gastronomie.

Mitarbeiter sind seltener krank

Hidden Champions sind meistens Familienbetriebe, eine Tatsache, die auch ausschlaggebend für ihren Erfolg ist, sagt Jungwirth: Sie planten langfristig und nachhaltig, weil die Eigentümer das Unternehmen einmal gesund an die Erben übergeben wollten. „Sie denken nicht in Quartalen, sondern in Generationen“, sagt Jungwirth. „Das hat zur Folge, dass sie in Boomphasen vielleicht nicht die Ober-Performer sind. Aber auch, dass in Krisen kein Hire and Fire betrieben wird und die Unternehmen oft weiter investieren, auch wenn es ihnen gerade nicht so gut geht.“ Das Geld für Investitionen ist oft Eigenkapital: Laut der KMU-Forschung Austria haben 34 Prozent aller österreichischen Firmen eine negative Eigenkapitalquote, elf Prozent liegen zwischen null und zehn Prozent. Anders bei den Hidden Champions: Ihre Eigenkapitalquote liegt im Durchschnitt bei 42,2 Prozent.

Was auch wieder dazu führt, dass sie Investitionsentscheidungen überlegter treffen. „In puncto Risikobereitschaft sind sie vielleicht zurückhaltender, weil es ja ums eigene Geld geht.“ Nachhaltig legen viele der Firmen, die Jungwirth untersucht hat, auch ihre Personalpolitik an. Es lasse sich eine große Treue feststellen – und zwar sowohl der Mitarbeiter dem Unternehmen gegenüber als auch umgekehrt. „Auch in der Krise, da taucht man durch und entlässt solche Mitarbeiter nicht.“ Dafür sind ihre Mitarbeiter hoch motiviert und seltener krank, die Personalfluktuation sei niedrig. Sehr oft sind sie in ländlichen Gegenden angesiedelt. Die meisten Nischen-Weltmarktführer gibt es in der Steiermark (48), gefolgt von Oberösterreich (41). Aber auch in Wien sitzen 24 versteckte Weltmarktführer.

Dass viele Hidden Champions in der Öffentlichkeit nicht bekannt sind, liegt laut Jungwirth unter anderem daran, dass sie fast nur im B2B-Bereich tätig sind – also eher Geschäfte mit anderen Firmen machen als mit Endkunden.

Kandidaten für die Börse

Laut Jungwirths Erhebungen beträgt der durchschnittliche Jahresumsatz eines Hidden Champion 53 Millionen Euro, er beschäftigt im Schnitt 405 Mitarbeiter und hat einen Weltmarktanteil von bis zu 70 Prozent. Außerdem vermeiden Nischenweltmeister „Massenmärkte“ ganz bewusst und setzen sehr früh auf den Export. Dass Österreich ein kleines Land ist, begünstige das, sagt Jungwirth – weil der Inlandsmarkt klein sei und sich Unternehmen, um Erfolg zu haben, früh ans Ausland richten müssen. Auch die hohe Spezialisierung in bestimmten Nischen sei Teil des Erfolgsrezepts: „Es ist sinnvoll, sich auf ein Geschäftsfeld zu konzentrieren. Man kann nicht in allen Feldern hohe Kompetenzen haben, das würde unglaubwürdig wirken.“

Hidden Champions hätten in der Regel hervorragende Geschäftskennzahlen – und damit das Potenzial, an die Börse zu gehen, sagt Jungwirth. Die gute Geschäftslage sei aber auch der Grund, warum der Kapitalmarkt für viele gar nicht das Ziel sei: „Für Familienbetriebe ist es ein gravierender Einschnitt, wenn plötzlich Aktionäre mitreden dürfen. Außerdem sehen sie oft keinen Vorteil in einem Börsengang, weil sie sowieso alles aus dem Cashflow zahlen können.“

ZUR SACHE

International erfolgreich. Der Grazer FH-Professor Georg Jungwirth untersucht seit sieben Jahren Österreichs Hidden Champions. Seiner Definition zufolge ist das ein in der breiten Öffentlichkeit weitgehend unbekanntes mittelständisches Unternehmen, das unter den Top drei der Welt zu finden oder Marktführer in Europa ist, seinen Firmensitz in Österreich hat und weniger als 200 Millionen Euro im Jahr umsetzt. Dieser Beschreibung entsprechen 190 Unternehmen, davon sind 121 in ihrem Segment die weltweite Nummer eins. Hidden Champions haben eine durchschnittliche Eigenkapitalquote von 42 Prozent und beschäftigten durchschnittlich 405 Mitarbeiter. Massenmärkte vermeiden sie ganz bewusst, lieber setzen sie auf Nischen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.12.2013)

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