Goldman Sachs glaubt an einen fallenden Dollar im kommenden Jahr und steht damit im Gegensatz zu den meisten anderen Analysten.
New York. Goldman-Sachs-Chefdevisenstratege Thomas Stolper bezieht eine zum Markt gegenläufige Meinung: Er rechnet für 2014 mit einem schwachen Dollar. Stolper hatte für 2013 korrekt einen Rückgang der US-Währung gegenüber dem Euro prognostiziert.
Der Dollar werde sich auch 2014 abschwächen und das erste Mal seit Oktober 2011 auf 1,4 Dollar je Euro nachgeben, zitiert Bloomberg den Strategen. Andere Banken – darunter BNP Paribas, Barclays und Morgan Stanley– sagen, dass eine Belebung der US-Wirtschaft der US-Notenbank Fed gestatten wird, den Umfang der Maßnahmen zur Ankurbelung der Wirtschaft, darunter monatliche Anleihekäufe über 85 Mrd. Dollar, zu reduzieren.
Nach Ansicht von Stolper wird diese Entwicklung jedoch dadurch ausgeglichen, dass die Fed den Leitzins nahe null belassen wird: Das macht den Dollar für Investoren wenig attraktiv.
Dollar-Zinsen bleiben niedrig
Daran ändere sich nichts, wenn die Fed damit beginne, die Anleihekäufe zurückzufahren („Tapering“). „Das Tapering ist bereits im Preis vorweggenommen, wir sehen nicht, woher die Dollar-Stärke kommen sollte“, schrieb Stolper. Und räumt ein: „Es besteht immer das Risiko, dass ein kräftigeres Wachstum in den USA schlagartig die Zinsen stärker nach oben treibt, obwohl die Märkte bereits mit einer heftigeren Reaktion der Fed rechnen. Aber unser Basisszenario geht davon aus, dass der Dollar von der Zinsseite nur marginal Unterstützung erhält.“
Stolper hatte Ende 2012 prognostiziert, dass der Dollar im Juni bei etwa 1,33 Dollar je Euro notieren werde. Tatsächlich wurde die US-Währung in diesem Monat dann bei durchschnittlich 1,32 gehandelt. Stolper senkte den Ausblick für den Dollar am 12.September, als die US-Währung bei 1,33 stand, und prognostizierte eine Abwertung auf 1,38 auf Sicht von drei Monaten.
Von den 46 von Bloomberg befragten Analysten erwarten hingegen 42, dass der Dollar zum Euro im kommenden Jahr an Wert gewinnt. Jeder zweite Analyst rechnet mit einen Anstieg um mehr als sieben Prozent.
Steigende Renditen bei US-Staatsanleihen (also fallende Preise) könnten internationale Investoren anziehen und Verkäufe bei Staatsanleihen mit geringeren Renditen auslösen. Die Rendite zehnjähriger Treasuries liegt derzeit um rund einen Prozentpunkt über jener deutscher Bundesanleihen gleicher Laufzeit, das ist der größte Renditeaufschlag innerhalb der letzten sieben Jahre.
Doch auch das hartnäckige Leistungsbilanzdefizit der USA stellt nach Einschätzung von Stolper ein Hindernis dar. Im zweiten Quartal lag das Defizit bei 98,9 Mrd. Dollar. Dagegen verzeichnete die Eurozone im September den achten Monat in Folge einen Überschuss in der Leistungsbilanz. Damit Investoren mehr Geld in die USA pumpen, bedürfe es einer überzeugenden Wachstumsgeschichte als Voraussetzung für einen Durchbruch beim Dollar, schrieb Stolper. „Bislang haben wir überwiegend Kapitalabflüsse aus den USA gesehen.“
Währungsverluste für Anleger
Ob der Dollar steigt oder fällt, ist nicht nur für USA-Urlauber, sondern auch für Anleger interessant. Wer Wertpapiere hält, die in Dollar notieren, profitiert von einem Kursanstieg in geringerem Ausmaß, wenn die US-Währung nachgibt. Zum Vergleich: Der US-amerikanische Leitindex Dow Jones hat seit Jahresbeginn um mehr als 20 Prozent zugelegt. Für Anleger aus der Eurozone, die in US-Aktien investiert hatten, blieb davon „nur“ ein Plus von knapp über 15 Prozent. (Bloomberg/b.l.)
("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.12.2013)