Jordan Belfort: Der Wolf unter den Betrügern

(c) REUTERS (LUCAS JACKSON)
  • Drucken

Jordan Belfort machte sich in den 1990er-Jahren durch Betrügereien zum Multimillionär. Wer ist der Mann, den Leonardo DiCaprio in »The Wolf of Wall Street« so packend verkörpert?

Es ist recht einfach, an der Börse zum Millionär zu werden. Man kauft sich Aktien von einem unbedeutenden, kleinen Unternehmen – am besten sogenannte Penny-Stocks, also Aktien mit einem Wert von weniger als einem Euro oder Dollar – und überzeugt dann viele andere Menschen, diese Aktien ebenfalls zu kaufen. Am besten geht das, wenn man als Brokerhaus mit einem klingenden Namen auftritt. In der Folge steigt der Preis der Aktie – wegen des geringen Werts oft dramatisch –, man verkauft sie wieder und verdient ein Heidengeld.

Jordan Belfort machte sich so in den 1980er- und 90er-Jahren an der Wall Street zum vielfachen Millionär. Mit 26 Jahren besaß er Häuser in ziemlich jeder attraktiveren Stadt der USA, eine Jacht, die einmal Coco Chanel gehört hatte, einen Hubschrauber, eine schöne Ehefrau und viele schöne Freundinnen. Es gab Abendessen um 30.000 Dollar (der gereichte Wein war ein 1945er Château Lafite Rothschild um 20.000 Dollar, den die Gäste aber nicht wirklich zu schätzen wussten, weil sie mit Drogen voll waren). Als Pendlerauto benutzte Belfort einen weißen Ferrari, weil ihm der in der TV-Serie „Miami Vice“ so gut gefallen hatte. Und an den Wochenenden oder öfter auch ganz spontan unter der Woche am Arbeitsplatz gab es wilde, ausgelassene Partys mit Whiskey, kostenlosen Drogen und Prostituierten für alle.

Es ist schwer, aus diesen Ingredienzen nicht einen Film zu machen, in dem der Protagonist als cool und beneidenswert rüberkommt – noch dazu, wenn ihn Leonardo DiCaprio spielt. Aber hinter „The Wolf of Wall Street“, der am kommenden Freitag in den Kinos anläuft, stecken eine reale Geschichte und Tragödien von hunderten Menschen, die einen Großteil ihrer Ersparnisse verloren haben, weil sie auf Jordan Belforts Aktientipps gehört haben. Denn der eingangs erwähnte „Pump and dump“-Trick, um Aktien künstlich in die Höhe zu treiben und dann zu verkaufen, ist natürlich illegal. Aber Belfort war nicht der Erste und zweifellos auch nicht der Letzte, der mit Tricks und Betrügereien ein Vermögen an der Börse verdient hat.

Gerade in den 1980er- und 90er-Jahren herrschte in New York dank der Höhenflüge der Börse Goldgräberstimmung. Die Erkenntnis „Gier ist gut“ von Gordon Gekko, dem Protagonisten in Oliver Stones Film „Wall Street“, war das Motto für eine ganze Generation von Bankern und Investmentberatern. Aber auch von einfachen Menschen, die angesteckt von der allgemeinen Börseneuphorie hofften, mit Aktien schnelles Geld zu machen.


Großbetrüger Madoff. Das war der Boden, auf dem Kriminelle wie Belfort entstehen konnten. In seinem Brokerhaus Stratton Oakmont arbeiteten wenige echte Banker, sondern in erster Linie Menschen, die sich aufs Verkaufen verstanden: Vertreter etwa oder Autoverkäufer. Erst durch die Exzesse wurde das Brokerhaus zu einer Art Kult und zu einem Magnet für seriöse Händler. „Eigentlich hätte es Sodom und Gomorrha heißen müssen“, schreibt Belfort in seiner 2007 veröffentlichten Autobiografie „The Wolf of Wall Street“ über das Unternehmen.

Andere Betrüger genossen ihren nicht legal erarbeiteten Reichtum stiller und versteckten sich hinter dem Schutzmantel der Philanthropie. Bernard Madoff etwa, im Vergleich zu dem Belfort ein Chorknabe ist. Auch Madoff hatte sich 1960 mit seiner Investmentfirma Investment Securities zuerst auf Penny-Stocks spezialisiert. Aber während Belfort nie über diese Phase hinauskam, steigerte sich Madoff in ein „Ponzi scheme“, das bei seiner Verhaftung wegen Betrugs 2008 ein Milliardengeschäft geworden war. Als Madoffs Pyramidenspiel in sich zusammenbrach, verloren tausende Geschädigte 65 Milliarden Dollar. Er wanderte für 150 Jahre ins Gefängnis.

Der Schaden, den Belfort bis zu seiner Verhaftung 1998 verursacht hatte, belief sich im Vergleich dazu auf geradezu bescheidene 200 Millionen Dollar. Nicht nur deswegen war das Urteil ein Geschenk. „Er weinte wie ein Baby und machte alles für uns“, berichtete Greg Coleman im „New York“-Magazin. Belfort ließ sich verwanzen und lieferte mit dem versteckten Mikrofon seine früheren Freunde ans Messer. Dafür musste er nur 22 Monate hinter Gitter, zusätzlich muss er die Hälfte seiner Einkünfte an die Opfer abliefern, bis eine Summe von 110 Millionen Dollar erreicht ist.

Dass er das macht, bezweifeln die Behörden. Als ihn das „New York“-Magazin im vergangenen Jahr besuchte, lebte der 51-Jährige in einem großzügigen Strandhaus in Kalifornien und wurde von zwei Assistentinnen betreut. Seinen Lebensunterhalt verdient er als Autor und Vortragender für Motivationsseminare. Mit seinen Büchern und den Filmrechten machte er knapp 1,8 Millionen Dollar. An seine Opfer habe er nur etwas mehr als 250.000 Dollar überwiesen, kritisiert eine Untersuchung des Gerichts.

Der Film über Belforts Leben sorgt in den USA für heftige Kontroversen. „The Wolf of Wall Street“ verherrliche die Eskapaden, so die Kritik. „Euer Film ist ein rücksichtsloser Versuch, so zu tun, als seien diese Delikte unterhaltsam, ausgerechnet in einem Land, das nach weiteren Wall-Street-Skandalen noch immer umhertaumelt“, wetterte eine Betroffene in einem offenen Brief an DiCaprio und Regisseur Martin Scorsese. DiCaprio gestand in einem Interview ein: „Der Film könnte falsch verstanden werden. Ich hoffe, die Leute verstehen, dass wir das Verhalten nicht verzeihen, sondern anklagen.“

In den prüden USA sorgt freilich ein anderes Faktum für fast noch mehr Aufregung: „The Wolf of Wall Street“ hat einen Allzeit-Rekord bei der Verwendung eines verpönten Schimpfwortes gesetzt: 506-mal sagt in dem Film jemand „fuck“. Kein Vergleich übrigens zu Belforts Autobiografie: In der verwendet er das Wort 737-mal.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.01.2014)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Unterhosen, Gelsen, Popcorn

Skurrile Krisen-Indikatoren


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.