Weltwirtschaftsforum: Aufstand gegen Reiche größtes Risiko

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Über 1000 Experten urteilten über anstehende Risken. Soziale Unterschiede überwiegen gegenüber dem Klimawandel.

London/Wien. Gehälter von mehreren Millionen Dollar, Bonuszahlungen in lichten zweistelligen Millionenhöhen, exzessiv dargestellter Reichtum, Rekordgewinne, während gleichzeitig zehntausende Menschen um ihren Arbeitsplatz zittern müssen: Das ist der Boden, auf dem möglicherweise die nächste Revolution gedeiht. Für mehr als 1000 Experten aus Wirtschaft, Politik und Wissenschaft stellen die immer größer werdenden Einkommensunterschiede jedenfalls die größte weltweite Gefahr dar.

Im aktuellen Risikobericht des Weltwirtschaftsforums („World Economic Forum: Global Risks 2014“) wird betont, dass „erhebliche Einkommensunterschiede als das Risiko“ eingeschätzt wird, „das sich im Lauf der nächsten zehn Jahre am wahrscheinlichsten manifestieren wird“. Dazu gehören die hohe Arbeitslosigkeit und vor allem auch das Problem der „verlorenen Generation“ – also jener Jugendlichen, die heute ohne Job dastehen.

An zweiter Stelle der größten Gefahren steht weiter ein „schwerwiegender Ausfall des Finanzsystems“. Die Experten trauen den Finanzmärkten und auch den Staaten nicht. Kämpfe und Kriege um Trinkwasser werden als noch wahrscheinlicher eingeschätzt als Auswirkungen des Klimawandels. Danach folgen Lebensmittelkrisen und politische Instabilität als jene Faktoren, die für die Menschheit gefährlich werden könnten.

Der Bericht erschien im Vorfeld des Weltwirtschaftsforums (WEF) in Davos vom 22. bis 25.Jänner. Bei dem Treffen, an dem etwa 2500 Persönlichkeiten, darunter mehr als 40 Staats- und Regierungschefs, teilnehmen, soll der Risikobericht erörtert werden.

Schon jetzt mahnte WEF-Direktorin Margareta Drzeniek, dass Politiker und Wirtschaftsführer den absehbaren Risken entschlossener und konzertierter entgegenwirken müssten als bisher. „Wenn die Lenker der Welt die erkennbaren Risken nicht konsequent angehen, werden diese sich weiter verstärken und zu Konsequenzen führen, die wir kaum noch kontrollieren können“, warnte Drzeniek, die an der Studie beteiligt war. Dabei habe gerade die Privatwirtschaft eine sehr große Verantwortung zu tragen.

Auch Gefahr für Europa

David Cole von Swiss Re wurde bei einer Pressekonferenz diesbezüglich deutlicher: „Ich bin ein großer Anhänger des Kapitalismus. Aber es gibt Momente, wenn er ausartet, und es ist wichtig, dass es dann Möglichkeiten gibt – regulatorische oder steuerliche –, um Exzesse beim Einkommen und der Wohlstandsverteilung zu vermeiden.“

Die Disparität des Wohlstands ist laut des Berichts nicht nur für Entwicklungs- und Schwellenländer ein Problem, sondern auch für Europa und seine Krisenländer. Besonders schwerwiegend sei das Problem der Jugendarbeitslosigkeit mit mehr als 50 Prozent in Ländern wie Spanien oder Griechenland. „Jugendarbeitslosigkeit in einem solchen Ausmaß ist nicht allein eine Vergeudung menschlichen Kapitals, sondern droht auch, den gesamten wirtschaftlichen Fortschritt zu bremsen“, heißt es in der WEF-Studie.

Besonders betroffen sind laut Bericht die heute 13- bis 23-Jährigen. Ihre Schwierigkeiten, eine Arbeit zu finden und sich eine Zukunft zu schaffen, erhöhe „das Risiko für soziale Unruhen“. Das habe auch eine schwere politische Vertrauenskrise zur Folge, weil sich die engagierten Jugendlichen nicht von der klassischen Politik vertreten fühlten.

Als „Teufelskreis“ bezeichnen die Verfasser den Umgang vieler Staaten mit der Finanzkrise. Nach wie vor würden Regierungen mehr Geld ausgeben, als sie einnehmen. Die Differenz werde durch Staatsanleihen ausgeglichen, also durch das Borgen von immer mehr Geld bei privaten Investoren. Besonders gefährlich sei hier die Situation in den USA mit Staatsschulden jenseits von 100 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Aber auch in Europa sei die Krisengefahr gravierend, weil Staaten nicht mehr die Möglichkeit hätten, fiskale Anpassungen durch eine Abwertung ihrer Währung vorzunehmen.

Eine Gefahr sehen die Experten auch in der zunehmenden digitalen Vernetzung der Welt. So könnten beispielsweise Falschinformationen zu „digitalen Flächenbränden“ führen. (rie)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.01.2014)

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