Argentinien gibt Dollarkäufe frei

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Dollarkäufe waren in Argentinien verboten. Nun hebt die Regierung diese Maßnahme auf. Die Bevölkerung sitzt auf Devisen in Milliardenhöhe.

Buenos Aires. Nach dem Preisverfall des argentinischen Peso hielt Argentiniens Wirtschaft drei Tage lang den Atem an. Viele Geschäfte waren geschlossen, und Onlinehändler pausierten ihre Angebote, ehe Montagmorgen der Kabinettschef und der Kopf der Steuerbehörde erklärten, wer künftig wann wie viele Devisen kaufen kann.

Das ist die entscheidende Frage in einem Land, das in fünf Jahren akkumuliert 270 Prozent Inflation verkraften musste – auch wenn der Staat das leugnet. Denn die offizielle Infaltionsrate lag zum Ende des Vorjahres bei 10,9 Prozent, während nicht staatliche Experten sie auf etwa 28 Prozent schätzten.

Die hohe Inflationsrate, verbunden mit ihrer öffentlichen Negierung, löst bei den Argentiniern einen alten Reflex aus: Sie versuchen traditionell, ihre Habe in Devisen zu sichern, vor allem in US-Dollar, kein Volk der Erde hortet mehr Dollarscheine. Im Schnitt besitzt jeder der 41 Millionen Argentinier etwa 1500 Dollar in bar. Nach einer jüngeren Geschichte voller Abwertungen, Hyperinflation und Staatsbankrotten traut die Bevölkerung ihrem Finanzsystem nicht und bunkert das Geld in Bankschließfächern und oft auch daheim – versteckt, eingemauert oder im Garten vergraben. Auf etwa 140 Mrd. Dollar wird das außerhalb des Finanzsystems angelegte Kapital geschätzt.

Notenbank greift ein

Um diese Devisenflucht zu stoppen, verhängte die Regierung die „Dollarklemme“. Seit 2011 erschwerten die Behörden Firmen und Privatpersonen den Zugang zu Devisen. Seit Mitte 2012 war es förmlich verboten, in Dollar oder Euro zu sparen. Mit dieser Restriktion wollte die Regierung den Abfluss von Devisen bremsen, die das Land vor allem für den Import von Gas und Öl braucht.

Doch nun hat die Regierung die Käufe von US-Dollar bis zu einem Betrag von maximal 2000 Dollar pro Monat freigegeben. Vorerst allerdings nur für jene, die mindestens 7200 Peso (901 Dollar) verdienen. Zudem hebt sie 20 Prozent Steuer auf die Käufe ein – es sei denn, Sparer lassen die Summen mindestens zwölf Monate auf ihrem Sparkonto liegen. Weil das Horten von Devisen lange Zeit verboten war, stecken auch die Staatsfinanzen in der Klemme: Die Währungsreserven sanken von 47,8 Mrd. Dollar im Jahr 2011 auf 29 Mrd. Dollar. Ständig musste die Zentralbank Dollar verkaufen, um den Wechselkurs des Peso zu halten. Gleichzeitig druckte die Bank Unmengen an Pesos, um die Vielzahl staatlicher Subventionen und Sozialprogramme zu finanzieren.



Während der offizielle Dollarkurs so halbwegs gehalten wurde, schoss der Preis auf dem Schwarzmarkt nach oben. Im Mai des Vorjahres lag die Differenz schon bei 90 Prozent, danach verscherbelte die Zentralbank viel Tafelsilber, um die Differenz vor den Wahlen im vergangenen Oktober zu verkleinern.

Seit November beschleunigte die Zentralbank die Abwertung in kleinen Schritten, doch weil das offensichtlich keine Resultate zeitigte – der Paralllelkurs lag schon wieder etwa 70 Prozent über dem offiziellen –, ließen die Währungshüter vergangenen Donnerstag den Peso von 6,80 auf etwa acht pro Dollar abrutschen und weckten damit alle Inflationsgespenster. Um die entfachte Unruhe zu bremsen, verkündeten die Wirtschaftsführer am Freitagmorgen völlig überraschend das Ende der „Dollarklemme“ – aber erwähnten keine Details. Nach einem angespannten Wochenende erfuhren die Argentinier, dass sie künftig maximal ein Fünftel ihres versteuerten Monatseinkommens in Devisen tauschen dürfen. Die Klemme wurde also ein wenig geöffnet, aber sie bleibt bestehen.

Ob solches Hin und Her die dringend benötigten Auslandsinvestitionen anzieht? Es war der inzwischen oppositionelle Ex-Wirtschaftsminister Roberto Lavagna, der die Außensicht auf den Regierungskurs beschrieb: „Wer am Steuer ein Auto erblickt, das Schlangenlinien fährt, bleibt besser auf Distanz. Sonst riskiert er einen Unfall.“

Auf einen Blick

Argentinien hat nicht nur mit einer hohen Inflation, sondern auch mit dem stärksten Preisverfall des Peso seit zehn Jahren zu kämpfen. Um die Devisenflucht zu stoppen, verbot die Regierung der Bevölkerung im Jahr 2012, in Dollar oder Euro zu sparen. Dieses Verbot wurde nun gekippt und der Ankauf von maximal 2000 Dollar pro Monat für eine bestimmte Einkommensschicht freigegeben. Im Schnitt ist jeder Argentinier im Besitz von 1500 Dollar in bar. Kein Volk der Welt hortet mehr Dollarscheine. Viele bunkern ihr Geld in Bankschließfächern oder auch im Garten.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.01.2014)

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