Die privaten Geschäfte der großen Ökonomen

KARL MARX
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Nicht alle Vordenker der Wirtschaft waren auch gute Geschäftsmänner. Manche waren erfolgreiche Zocker wie David Ricardo. Karl Marx hingegen war ein Leben lang abhängig von Gönnern.

Theorie allein reicht nicht. Die großen Ökonomen der Geschichte haben zwar geprägt, wie wir heute Wirtschaft verstehen, aber nicht alle von ihnen waren auch gute Geschäftsmänner. Die Vordenker der Ökonomie waren oft wagemutige Spekulanten. Sie zählten entweder zu den reichsten Männern ihrer Zeit oder verzockten als versnobte Pleitiers ganze Staaten und Banken und blieben ein Leben lang auf Almosen angewiesen.

Eine Zeitreise.

Der wohl reichste Ökonom aller Zeiten war genau genommen gar kein Wirtschaftswissenschaftler. Der Schotte John Law war vielmehr ein Mathematikgenie, begnadeter Glücksspieler – und gesuchter Verbrecher. Dennoch legte er den Grundstein unseres heutigen Wirtschaftssystems. Er ist zwar nicht der „Erfinder des Papiergelds“, als der er oft dargestellt wird. Doch von ihm stammt die Idee, dass Banknoten nicht nur mit Gold, sondern auch mit Grund und Boden – oder eben dem Versprechen der Regierung – gedeckt werden können. Ihn selbst machte diese Idee im frühen 18.Jahrhundert zum reichsten Mann seiner Zeit. Aber der Reihe nach.


Und ewig lockt die Druckerpresse. Die Geschichte von John Law begann 1671 im schottischen Edinburgh. Als Sohn eines Goldschmieds lernte er auch das Handwerk eines Bankiers von Kindesbeinen an. Sein mathematisches Genie machte er als professioneller Glücksspieler in London zu Geld. Nachdem er in einem Duell seinen Kontrahenten getötet hatte, wurde er als Mörder verfolgt und musste die Insel verlassen. Er ging nach Amsterdam zu großen Handelshäusern und verdiente schließlich– wieder als Spieler – ein kleines Vermögen in Paris. Ganz nebenbei formulierte er sein eigenes Modell des idealen Finanzsystems. Seine Erkenntnis: Geld muss zirkulieren, damit die Wirtschaft läuft. Ist nicht genug da, muss eben mehr hineingepumpt werden. Und wenn der Staat zur Schaffung neuen Vermögens gerade keine Goldmine zur Hand hat, dann muss man Geld eben anders erschaffen.


Er machte Frankreich bankrott. In ganz Europa stieß er mit seiner Idee von einem Papiergeld-Experiment auf taube Ohren. Erst der Tod des französischen Sonnenkönigs Ludwig XIV. eröffnete ihm eine Chance. Das Land war am Rande des Bankrotts, sein Freund und Regent Philipp von Orléans brauchte eine Idee, um die Schulden irgendwie zu drücken. Die Idee, das einfach per Druckerpresse zu erledigen, war damals so verlockend wie heute. Law wurde Inhaber der Banque Royale, der ersten privaten Zentralbank mit der Lizenz zum Gelddrucken.

Wenig später gründete er die Mississippi-Kompanie, die bald das Monopol auf den Handel mit den französischen Kolonien erhalten und die angeblichen Goldvorräte im Boden Louisianas erforschen sollte. Auch dieses Unternehmen war auf Sand gebaut. Als Kapital hatte es anfangs nur die abgewerteten französischen Staatsanleihen. Doch da die Zentralbank weiter munter Geld druckte, gab es keinen Mangel an Käufern. Das ganze Volk war im Rausch. Einfache Handwerker wurden in wenigen Monaten zu „millionaires“, wie die Adeligen die Neureichen abschätzig nannten.

Erst als klar wurde, dass in Louisiana nur Schlamm und kein Gold zu holen war, platzte die Blase und mit ihr das Vertrauen in das Papiergeld. Das Land kehrte zu Gold- und Silbermünzen zurück. John Law wurde aus Frankreich verjagt und kehrte nach Großbritannien heim. Nur dort konnte er mit seiner Geschichte noch Geld verdienen. Die Besucher strömten in die Theater Londons, um jenen Schotten zu sehen, der den Erzfeind Frankreich bankrott gemacht hatte.


Die große Wette auf Waterloo. Es sollte eine Weile dauern, bis wieder ein Ökonom ähnlichen Reichtum anhäufen konnte wie er. Und es sollte einer sein, der mit den Lehren John Laws auf Kriegsfuß stand. David Ricardo, geboren 1772 in London als Sohn jüdischer Banker, hielt von der lockeren Geldpolitik der Briten nichts. Das Land befand sich seit fast zwei Jahrzehnten im Krieg gegen Napoleon. Die Goldreserven neigten sich dem Ende zu, da gestattete die Regierung der Zentralbank, Pfund auch ohne Golddeckung zu drucken. Die Folge war eine enorme Inflation.

Ricardo selbst lebte von den Blasen an den Aktienmärkten, die dadurch verursacht wurden, aber sehr gut. Seine 88 Pfund Startkapital vermehrte er in nur fünf Jahren so stark, dass er finanziell unabhängig war. Den spektakulärsten Erfolg feierte der ökonomische Autodidakt am späten Abend des 18.Juni 1815. Als die Kunde kam, dass die Alliierten Napoleon bei Waterloo besiegt hatten, jubelte wohl kaum jemand so laut wie er. Nur vier Tage zuvor hatte er fast sein gesamtes Vermögen ausgegeben, um die letzte große Tranche britischer Staatsanleihen zu kaufen, mit denen das Land den teuren Krieg finanzieren wollte. Er wurde mit einem Schlag zu einem der reichsten Männer seines Landes.

Der Nachwelt ist der ökonomische Autodidakt vor allem als Vater des heutigen Freihandels bekannt. Er bewies, dass sich der Handel mit anderen Ländern auch für jene Staaten lohnt, die kein Gut am billigsten produzieren können. Er erkannte auch als einer der ersten Ökonomen, dass es einen natürlichen Interessenkonflikt zwischen Bodenbesitzern, Kapitalgebern und Arbeitern geben muss. Er starb im Jahr 1823.


Ein Leben am Tropf des Gönners. 25Jahre später war es Karl Marx, der mit seinem „Kommunistischen Manifest“ diese These erneut aufgriff – dabei aber freilich zu gänzlich anderen Schlussfolgerungen kam. Sein Weg in den Kommunismus als Gegenmodell zum Kapitalismus hat da, wo es zumindest in Ansätzen probiert wurde, nie wirklich funktioniert. Aber Marx war nicht nur ideologisch das Gegenteil von Ricardo, sondern auch bei seinen privaten Geschäften.

Karl Marx sollte zeit seines Lebens nie wirklich reich werden – und das, obwohl er (mit dem Geld seines Onkels) immer wieder an den Börsen spekulierte. Doch ohne großen Erfolg. Der deutsche Vorkämpfer der Arbeiterbewegung verdingte sich stattdessen die meiste Zeit seines Lebens als Journalist (unter anderem auch für diese Zeitung). Nur durch regelmäßige Zuwendungen seines Gönners, des Baumwollfabrikanten Friedrich Engels, konnte Karl Marx sein Leben finanzieren.

Scham kannte er dabei nicht. In erhalten gebliebenen Briefen an Engels schrieb er, dass er keine einzige Hose mehr besitze, weil er sie für Zigarren eingetauscht habe. Auch der Bericht eines preußischen Polizeispitzels zeichnet ein klares Bild davon, wie es um Karl Marx' private Finanzen gestellt war. „Er führt ein wahres Zigeunerleben“, heißt es da. Er lebte damals zusammen mit seiner Familie im Chaos einer kleinen Zweizimmerwohnung. Er schlief, wann er wollte, arbeitete, wann er wollte. Unbeeindruckt davon, wo sich die Zeiger der Uhr gerade befanden.

Seine ärmste Zeit erlebte der Philosoph nach 1848 im Londoner Exil. Von dort schrieb er seinem treuen Freund Engels: „Wüsste ich nur irgendein business anzufangen! Grau, teurer Freund, ist alle Theorie, und nur das business ist grün.“ In seiner Not bewarb sich Marx sogar als Schreibkraft bei der Eisenbahn. Und wurde abgelehnt, weil seine Handschrift unleserlich war. Wie schlecht es dem Ökonomen ging, zeigt sich auch daran, dass von sieben Kindern, die ihm seine Frau Jenny von Westphalen gebar, drei an den Folgen der ärmlichen Unterkunft und der Mangelernährung starben.

Erst nach einigen Erbschaften verbesserte sich die finanzielle Situation der Familie. Sie zog in ein größeres Stadthaus. Doch auch in den Jahren zuvor hatte Engels seinem Freund jährlich zwischen 150 bis 375 Pfund zugesteckt. Verglichen mit dem Großteil der Bevölkerung musste Karl Marx also trotz seines chaotischen Lebensstils damit als durchaus wohlhabend gelten. Er starb im März 1883.

Im selben Jahr, nur einen Monat früher, kam im (damals) österreichischen Mähren Joseph Schumpeter zur Welt. Wenn man so will, war er der Inbegriff des „Klassenfeinds“, den Karl Marx stets bekämpft hatte. Joseph Schumpeter wuchs als Sohn eines erfolgreichen Tuchfabrikanten auf. Von Kind an war er Elite. Gymnasium im Wiener Theresianum, Studium der Ökonomie und Rechtswissenschaften an der Universität Wien, begeisterter Reiter. Sein Anspruch an sich und sein Leben war entsprechend hoch: Er wollte der „größte Nationalökonom der Welt, der größte Reiter in Österreich und der größte Liebhaber in Wien“ werden. Dass er auch mit Zahlen umgehen konnte, bewies er kurz nach seinem Studium als Vermögensberater einer ägyptischen Prinzessin in Kairo. Binnen weniger Jahre verdoppelte er ihren Reichtum.

In Europa tobte indessen der Erste Weltkrieg, seine Heimat wurde von den Kriegswirren und der Inflation heimgesucht. Mittlerweile 36 Jahre alt und tatsächlich einer der größten Nationalökonomen der Welt, wurde Schumpeter zum Finanzminister bestellt. Doch nur sieben Monate später trat er wieder zurück. Er wolle nicht „Finanzminister eines Landes sein, das vor dem Bankrott steht“.

Stattdessen widmete sich Schumpeter seinen privaten Geschäften, verdiente, so wie auch John Maynard Keynes, an der Börse ein kleines Vermögen und lebte in Saus und Braus. Von den konservativen Abgeordneten wurde er zum Präsidenten der M.L. Biedermann & Co. Bankaktiengesellschaft gemacht. Er nahm Kredite auf, legte das Geld an und lebte in Wien auf großem Fuß. Daran sollte sich auch nichts ändern, als die Wirtschaftskrise im Jahr 1924 seinem finanziellen Erfolgslauf ein jähes Ende setzte. Schumpeter verlor sein ganzes Vermögen, seine Bank musste er in die Pleite schicken. Doch trotz hoher Schulden und noch höheren Steuerrückständen ging er mit seinem Ruf ebenso unbekümmert um wie mit seinem Geld.


Ein Stall Rennpferde. Joseph Schumpeter, der als Ökonom das „Prinzip der „schöpferischen Zerstörung geprägt hat, wonach manche Unternehmen und Branchen sterben müssen, um Raum für neue zu schaffen, bekam von seinem eigenen finanziellen Untergang nicht viel mit. Er blieb einer der begehrtesten und meistumworbenen Ökonomen seiner Zeit. 1932 folgte er einem Ruf der Harvard-Universität und wurde dort Lehrer von Wissenschaftlern wie wie Paul A. Samuelson oder James Tobin.

Seine Schulden bekümmerten ihn bis zuletzt offenbar kaum. Noch 1950, im Jahr seines Todes, hielt er sich einen Stall reinrassiger Rennpferde.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.02.2014)

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