Europa auf der Kriechspur

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Die Amerikaner haben sich mit Entschlossenheit und ohne ideologische Vorbehalte selbst aus der Krise gezogen, Europa kommt da nicht mit.

Wien. Die Krise begann in den USA und explodierte am 15. September 2008 in New York: Die Investmentbank Lehman Brothers schlitterte in die Insolvenz, die Finanzwelt stand still, und die Weltwirtschaft vor ihrer größten Herausforderung seit den 30er-Jahren. Staaten beziehungsweise deren Notenbanken füllten die aufgebrochenen Liquiditätslücken, besonders Europa schlitterte darauf auch noch in eine Staatsschuldenkrise, die beinahe die Eurozone zerbrechen ließ.

Jetzt, fünfeinhalb Jahre nach Lehman, sind die Trümmer noch lange nicht weggeräumt. Aber es zeigen sich gravierende Unterschiede: Während in den USA die Wirtschaft schon wieder vergleichsweise kräftig wächst und der längst sanierte Bankensektor Rekordgewinne meldet, steckt Europa noch mitten in der Krisenbewältigung: Die Wirtschaft siecht, die Banken-Rekapitalisierung ist noch lange nicht abgeschlossen, die Aussichten alles andere als rosig. Dass ausgerechnet die Amerikaner, die die Krise ausgelöst hatten, so schnell wieder Tritt gefasst haben, hat zwei entscheidende Gründe: Sie reagieren schneller und pragmatischer auf Fehlentwicklungen, ideologische Vorbehalte werden im Ernstfall zurückgestellt.

500 US-Banken in Insolvenz geschickt

In der Praxis sah das so aus: Banken, die sich vergaloppiert hatten, wurden rigoros abgewickelt. Über 500 – meist regionale – US-Banken verschwanden seit dem Lehman-Krach vom Markt – übrigens ohne dass ein einziger Sparer einen einzigen Cent verloren hätte. Bei wackelnden Instituten der Größenklasse „too big to fail“ sprang der Staat ausgerechnet in einem der Mutterländer des Kapitalismus mit beherzten Verstaatlichungen in die Bresche. Fazit: Die Institute versuchten, möglichst rasch wieder auf die Beine zu kommen, um den ungeliebten staatlichen Miteigentümer wieder loszuwerden. In den ersten beiden Krisenjahren wurde eine Billion Dollar an faulen Krediten abgeschrieben, doppelt so viel wie in Europa.

Die Rosskur führte schnell wieder zu einem gesunden Bankensektor. Die Institute lieferten zuletzt Rekordgewinne ab. Und der Staat cashte beim Rückzug aus den Banken groß ab. 25 Mrd. Dollar brachte der Ausstieg aus den Banken. Unterm Strich kostete die größte Bankenrettungsaktion der Geschichte die US-Steuerzahler nur 21 Mrd. Dollar.

Also nicht viel mehr als die kleine Hypo Alpe Adria Österreich allein kosten wird. Denn in Europa lief die „Rettungsaktion“ anders ab: Kranke Institute wurden nicht abgewickelt, sondern mit Staatshilfen durchgeschleppt, die Vorgaben für die Institute waren viel „weicher“ als in den USA, die Rekapitalisierung ist demgemäß bis heute nicht abgeschlossen. Auch die Abwicklung unrettbarer Institute wie der Kärntner Hypo hat oft noch nicht einmal richtig angefangen.

Die Folge: Zombiebanken, die, wie in Japan, den Wirtschaftsaufschwung schwer behindern. Mehr als fünf Krisenjahre hat die EU gebraucht, um überhaupt einmal einen Abwicklungsplan für größere Institute zu entwickeln. Und die strengen Stresstests, die die Amerikaner schon vor Jahren durchgeführt haben, stehen erst diesen Sommer an.

Ein schönes Beispiel dafür, dass es ziemlich kontraproduktiv ist, notwendige Dinge einfach zu verschleppen. Echte Konsequenzen hat die Eurozone daraus freilich noch nicht gezogen. Entsprechend sieht auch die Konjunkturentwicklung aus, die sich heuer zu einer neuerlichen Belastungsprobe für die Eurozone auswachsen könnte. (ju)

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("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.04.2014)

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