Schwerere Geschütze für die EZB?

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Die Inflationsrate in der Eurozone ist auf 0,5 Prozent gefallen. Die Niedrigzinspolitik trägt kaum Früchte. Nun rät auch der deutsche Bankenverband zum Kauf von Staatsanleihen.

Frankfurt. Soll die Europäische Zentralbank (EZB) angesichts der Deflationsgefahr schwerere Geschütze auffahren, da die mehrmalige Senkung des Leitzinssatzes nicht zu helfen scheint? Immerhin ist die Inflationsrate in der Eurozone kürzlich auf 0,5 Prozent gefallen. In der Debatte um Anleihenkäufe erhält Notenbank-Chef Mario Draghi nun prominente Unterstützung: Der Deutsche-Bank-Ko-Chef und Präsident des Bundesverbandes deutscher Banken (BdB), Jürgen Fitschen, hat die EZB in der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“ aufgefordert, Staatsanleihen zu kaufen, sollten sich die Preise in Europa weiter in Richtung Deflation bewegen.

„Falls sich – entgegen unseren Erwartungen – die Preisperspektiven tatsächlich in Richtung Deflation eintrüben sollten, wäre wohl ein Aufkaufprogramm von marktgängigen Wertpapieren seitens der EZB eine angemessene und meines Erachtens auch wirksame Reaktion.“ Faktisch würde die EZB dann Geld drucken, wie es die US-Notenbank Federal Reserve im großen Stil vorgemacht hat.

Das Kalkül: Die Banken reichen das Geld an Haushalte und Firmen weiter, diese konsumieren und investieren, das belebt die Konjunktur, schließlich steigen die Preise. Dieses Vorgehen ist der EZB durch europäisches Recht erlaubt. Wie stark die Auswirkungen wären, dazu gibt es unterschiedliche Berechnungen der EZB: Im schwächsten Szenario würde sich die Inflationsrate um 0,2 Prozentpunkte, in einem anderen Szenario um 0,8Prozentpunkte erhöhen.

Widerstand lässt nach

Gerade in Deutschland sind solche Maßnahmen umstritten. Denn während Spanien in die Deflation gerutscht ist, droht in Ländern wie Deutschland (oder Österreich) die Inflation aus dem Ruder zu laufen, wenn die EZB allzu wirksame Maßnahmen gegen die Deflation setzt.

Den Streit um unbegrenzte Anleihenkäufe zur Rettung des Euro hatten EZB-Kritiker bis vor das Bundesverfassungsgericht getragen – dieses reichte das Verfahren an den Europäischen Gerichtshof (EuGH) weiter, ließ zugleich aber Kritik am Vorgehen der EZB erkennen. Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer sagte, die Hürde für Anleihenkäufe liege inzwischen viel niedriger, das komme manchem Land in der Eurozone wohl gelegen. „Einige Vertreter im EZB-Rat nehmen die Interessen ihrer Länder und Politiker an Bord. Es geht schon lange nicht mehr nur um Geldpolitik.“

Zuletzt hatte allerdings schon der Präsident der Deutschen Bundesbank, Jens Weidmann, seinen Widerstand gegen Anleihenkaufprogramme der EZB abgeschwächt. Die Bundesbank habe stets Käufe von Staatsanleihen abgelehnt, die das Ziel hatten, einzelnen Ländern unter die Arme zu greifen, erklärte Reinhard Kluse, Europa-Chefvolkswirt der Schweizer Großbank UBS. Bei einem Kaufprogramm mit einem konkreten geldpolitischen Zweck – etwa dem Kampf gegen eine drohende Deflation – sehe das aber anders aus. Commerzbank-Ökonom Michael Schubert sieht das ähnlich: „Nicht die Position von Herrn Weidmann hat sich geändert, sondern die Lage.“

Strafzinsen für Banken?

Hintergrund ist die Tatsache, dass der EZB die Mittel im Kampf gegen die Wirtschaftsflaute ausgehen. Da der Leitzinssatz bereits bei 0,25Prozent liegt, hätte eine weitere Senkung kosmetischen Charakter. Bei null Prozent wäre überhaupt Schluss. Allenfalls könnte die EZB den Einlagenzinssatz auf unter null senken, die Banken also zur Kasse bitten, wenn sie Geld bei der Notenbank bunkern, anstatt es zu verleihen. Mit dieser Maßnahme könnte man auch den Euro ein wenig ausbremsen.

Die jüngste Aufwertung der Gemeinschaftswährung auf dem Devisenmarkt auf bis zu knapp 1,40 Dollar kommt der EZB ungelegen (auch wenn der Euro in den vergangenen Wochen wieder etwas nachgegeben hat). Je teurer die Währung, desto stärker drückt dies auf die Importpreise und damit auf das Preisniveau in den Ländern der Währungsunion. Als Gegenmaßnahme haben Bundesbank-Chef Weidmann, Finnlands Notenbank-Chef Erkki Liikanen und zuletzt Draghi einen Strafzins für die Banken ins Gespräch gebracht. Dies würde den Eurokurs unter Druck setzen. Rainer Sartoris von der Düsseldorfer Privatbank HSBC Trinkaus&Burkhardt meint: „Ein solcher Schritt würde den Zins auf dem Geldmarkt drücken und damit Kapitalflüsse in die Eurozone unattraktiver machen.“ (Reuters/red.)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.04.2014)

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