EZB wirbt für verpönte Kreditpapiere

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Das Geschäft mit Kreditverbriefungen gilt als Mitauslöser der letzten großen Finanzkrise. Nun plant die EZB solche Papiere aufzukaufen.

"Asset Backed Securities" (kurz: ABS) haben durch die Weltfinanzkrise zweifelhaften Ruhm erlangt. Die Europäische Zentralbank (EZB) will nun eine der am stärksten in Verruf geratenen Nischen des Finanzmarkts aus der Schmuddelecke holen. Dem seit der Finanzkrise hochgradig verpönte Geschäft mit Kreditverbriefungen (ABS-Papieren) soll zu einem Comeback verholfen werden. Die Währungshüter wollen den Wiederaufbau des Marktes im Euroraum mit aller Kraft vorantreiben.

"Die EZB setzt sich voll und ganz dafür ein", betont Notenbankchef Mario Draghi. Die EZB spielt sogar mit dem Gedanken, selbst ABS-Papiere aufzukaufen.

Papiere trieben Finanzwirtschaft an Abgrund

Bis zum Herbst 2008, als die Pleite der US-Investmentbank Lehman Brothers das Finanzsystem an den Abgrund brachte, erfreuten sie sich großer Beliebtheit. Das Prinzip: Forderungen bündeln und als Wertpapiere an Investoren weiterverkaufen. So konnten leichtfertig Kredite vergeben, die Ausfallrisiken verschleiert und rund um den Globus gestreut werden. Der Rest ist Finanzgeschichte: Die Kreditblase platzte, als der US-Immobilienboom zu Ende ging. Nun gelten ABS als kaum vermittelbar.

Warum will ausgerechnet die EZB das ändern? Der Grund dafür sind die Folgen der Euro-Schuldenkrise: Trotz rekordniedriger Zinsen und extremer geldpolitischer Kraftakte stecken Teile der Eurozone in einer Kreditklemme fest. Vor allem kleine und mittlere Unternehmen im Süden haben Probleme, sich bei Banken Geld zu leihen. Die Kreditinstitute müssen ihre Bilanzen nach Jahren der lockeren Kreditvergabe reparieren, zumal diese bald den Stresstests der Bankenaufsicht standhalten müssen. Kredite verbriefen und weiterverkaufen - das käme gelegen.

Niedrige Ausfallquoten in der Eurozone

Die EZB bemüht sich deshalb, die strukturierten Papiere in der Eurozone von denjenigen aus der US-Immobilienkrise abzugrenzen. "ABS gibt es in vielen verschiedenen Formen", erklärt EZB-Direktor Yves Mersch. Die Risikoprofile könnten sehr unterschiedlich sein. Folgt man den Ausführungen, entsteht der Eindruck, in europäischen ABS würden nur grundsolide Hypotheken- und Unternehmenskredite verwendet. Keine Parallele zu den berüchtigten Schrottpapieren der Finanzalchemisten von der Wall Street? Tatsächlich sind die Ausfallquoten im Euroraum viel geringer.

Selbst die große Koalition in Berlin will das in Verruf geratene Geschäft mit Kreditverbriefungen ankurbeln. Finanzminister Wolfgang Schäuble kündigte jüngst im Bundestag an, es werde geprüft, wie die Verbriefung von Mittelstandskrediten erleichtert werden könne. "Ich weiß, dass Verbriefungen in der Finanzkrise eine unrühmliche Rolle gespielt haben." Aber dies habe an dem damit betriebenen Mißbrauch gelegen. Es müsse deshalb höchste Qualitätskriterien geben, verlangt Schäuble. Innovativen und wachstumsstarken Unternehmen solle der Zugang zum Kapitalmarkt erleichtert werden.

Förderung von KMU

Bei der EZB ist man von ABS-Papieren aus dem eigenen Währungsgebiet so angetan, dass man sogar selbst Ankäufe erwägt. Im Kampf gegen die Deflationsgefahr - ein gefürchteter Preisverfall auf breiter Front, der Konsum und Investitionen ausbremst - diskutieren die Notenbanker derzeit ohnehin breit angelegte Wertpapierkäufe. Österreichs EZB-Rat Ewald Nowotny hat deutlich gemacht, dass er ABS-Käufe bevorzugen würde, sollte die Notenbank wirklich zum Großeinsatz ausrücken.

Laut Commerzbank-Experte Michael Schubert würden ABS-Ankäufe der EZB durchaus Sinn machen. Denn damit könnten Wertpapiere erworben werden, die auf Krediten an kleine und mittelgroße Unternehmen basieren. "Gerade in diesem Bereich sind in der Peripherie die Schwierigkeiten bei der Finanzierung klar erkennbar." Das Problem: Momentan ist der Markt im Euroraum sehr überschaubar. "Es wäre schwer für die EZB, hier zu agieren", sagt Analyst Greg Fuzesi von JPMorgan.

Damit der europäische ABS-Markt wieder wächst, geht die EZB in die Offensive. Der sonst nicht für laute Ansagen bekannte Notenbanker Mersch fordert mit deutlichen Worten eine Lockerung der Bilanzregeln: "Jedem muss klar sein, dass die EZB die derzeitige ABS-Regulierung auf EU-Ebene als unangemessen ansieht." Faule und solide Kredite dürften nicht länger über einen Kamm geschert werden. Gemeinsam mit der britischen Notenbank wird die EZB beim Frühjahrstreffen des Internationalen Währungsfonds (IWF) mit einem Positionspapier aufwarten, um eine Anpassung der Kapitalvorschriften voranzutreiben.

(APA/dpa-AFX)

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