Der Bundespräsident übte beim Bankentag in Berlin Kritik an den "Exzessen" in der Branche – und erhielt dennoch viel Applaus.
Deutschlands Bundespräsident Joachim Gauck kritisiert Exzesse in der Bankenwelt und fordert ein größeres Verantwortungsbewusstsein der Spitzenmanager in der Finanzbranche. Knapp sechs Jahre nach dem Höhepunkt der weltweiten Finanzkrise redete das Staatsoberhaupt den Bankern auf einem Kongress am Mittwoch ins Gewissen. "Die Abkehr von Tugenden der Sozialen Marktwirtschaft hat das Vertrauen der Bürger in die Banken erschüttert", sagte Gauck auf dem 20. Deutschen Bankentag in Berlin. "Und, ehrlich gesagt: Angesichts mancher Exzesse verstehe ich das." Doch inzwischen habe sich auch "viel getan". Viele Banken hätten neue Geschäftsmodelle entwickelt und sich ethischen Fragen gestellt.
Gauck, der sich als Bundespräsident bisher kaum zur Finanzbranche geäußert hat, kritisierte beim Bankentag vor allem falsche Anreize im Bonussystem, übersteigerte Gewinnansprüche und verantwortungsloses Verhalten zulasten Dritter. "Auch wo nicht gegen Recht und Gesetz verstoßen wurde, war manches Geschäft ethisch fragwürdig, manches Risiko unvertretbar hoch", so der Bundespräsident.
Appell an Bürger: "Ökonomische Apathie gefährlich"
Zugleich nahm der deutsche Bundespräsident aber auch seine Bürger in die Pflicht: Es sei fatal, wenn sie Wettbewerb und Freiheit für das Problem hielten und nicht deren Missbrauch, so Gauck. Soziale Marktwirtschaft brauche informierte Bürger. Sie müssten in Finanzfragen kompetenter werden. "Ökonomische Apathie und Unwissenheit sind gefährlich".
Die Rede kam bei den rund 800 Bankern offenbar gut an: Wie "Spiegel.de" berichtet, erhielt Gauck für seine Rede Standing Ovations und tosenden Applaus. Bankenverbands-Präsident Jürgen Fitschen sagte demnach, Gauck habe "uns aus dem Herzen gesprochen". Er spüre "viel Unterstützung und Vertrautheit mit Ihrem Umgang mit unserem Thema".
Wandel in der Gesprächskultur
Im Bericht wird an härtere Zeiten für die Branche erinnert: Unvergessen bleibe etwa die Rede des ehemaligen Bundespräsidenten Horst Köhler, der den Banken Versagen vorgeworfen und die internationalen Finanzmärkte als Monster bezeichnet hatte. Mittlerweile zeichnet sich aber ein Wandel in der Gesprächskultur ab. An einigen Stellen habe Fitchen sogar kritischer als Gauck geklungen, heißt es im Bericht von "Spiegel.de" - etwa wenn es um Notwendigkeit staatlicher Regulierung ging. Die Banken sollten "Gemeinsinn statt Hochmut zeigen", sagte Fitschen.
Eine neue Umfrage der Unternehmensberatung Ernst & Young zeigt, wie sehr das Image der Geldhäuser nach der Finanzkrise gelitten hat. Knapp vier von zehn deutschen Bankkunden geben demnach an, dass ihr Vertrauen in die Bankenbranche in den vergangenen zwölf Monaten gesunken sei. "Auf die Frage, wie die Finanzinstitute Vertrauen zurückgewinnen können, haben wir noch keine abschließende Antwort gefunden", räumte Fitschen ein, der selbst wegen des Verdachts auf Prozessbetrug im Visier der Münchener Staatsanwaltschaft steht.
(Red./APA)