Der Zorn in der Bevölkerung ist auch nach der erfolgreichen Anleihe-Emission ungebrochen.
Athen. (An-)gespanntes Warten herrschte am gestrigen Donnerstag in Athen, nur Stunden vor dem Kurzbesuch der deutschen Bundeskanzlerin, Angela Merkel: In der Früh explodierte eine Autobombe in der griechischen Hauptstadt, Dutzende Auslagenscheiben zerbarsten. Wie durch ein Wunder gab es keine Verletzten. Für heute, Freitag, sind trotz des Versammlungsverbots und der Sperre der größten Teile des Zentrums Großdemonstrationen geplant. Die ohnehin scharfen Sicherheitsvorkehrungen der Polizei wurden umgehend erhöht.
Die Furcht vor linksextremen Terroristen – konkret dem altbekannten „Revolutionären Kampf“ – ist groß, sie könnten ersten Mutmaßungen der Polizei zufolge auch die Bombe gelegt haben. Der Ort der Explosion vor der griechischen Zentralbank deutet darauf hin, dass die Terroristen eine Antwort zu den Entwicklungen der vergangenen Tage abgeben wollten: Der Verkündung des endgültigen primären Budgetüberschusses in Höhe von 3,5 Milliarden Euro und die Heimkehr Griechenlands auf den mittelfristigen internationalen Anleihenmarkt am Donnerstag.
Nach vier Jahren am Geldtropf der Gläubigertroika aus IWF, EZB und EU-Kommission nahm Griechenland gestern drei Milliarden Euro zu einem Zinssatz von 4,75 Prozent auf (siehe auch Seite 1), wie der konservative Ministerpräsident, Antonis Samaras, triumphierend verkündete. Die internationalen Anleger hätten „unzweifelhaft“ gezeigt, dass sie „Vertrauen in Griechenlands Zukunft“ haben. Seine politischen Gegner von der links-oppositionellen Syriza und ihr Chef, Alexis Tsipras, schienen fast „traurig“ über den Erfolg und hätten nun völlig die Orientierung verloren, meinte Samaras.
Tsipras selbst freilich sieht das gänzlich anders: Er ließ aus Brüssel verlauten, die Anleihenausgabe sei ein Wahlspektakel ohne konkreten Nutzen. Eine Lösung des griechischen Problems könne es nur durch eine radikale Schuldenstreichung für Griechenland geben.
Wahlausgang höchst ungewiss
Kanzlerin Merkel wird ihrem Partner Samaras heute sicherlich Rosen streuen. Aber in einem Vieraugengespräch wird sie auch konkrete Projekte thematisieren, etwa die Gründung eines Investitionsfonds in Brüssel, der von internationalen Anlegern wie der deutschen Förderbank KfW gespeist werden soll. Ziel ist die billige Finanzierung von Krediten von Klein- und Mittelbetrieben in Griechenland. Denn sowohl der Kanzlerin als auch Samaras ist klar: Nur die Botschaft des Wirtschaftswachstums und die Schaffung neuer Arbeitsplätze werden die griechischen Stimmbürger dazu bewegen können, die Regierungskoalition aus Konservativen und ihre schwer angeschlagenen sozialistischen Partner von der Pasok bei den kommenden Europa- und Regionalwahlen nochmals zu wählen.
Die letzten Umfragen vom vergangenen Sonntag zeigten nicht nur einen leichten Vorsprung von Syriza mit 21,5 Prozent vor der konservativen ND mit 20,8 Prozent, viel bedenklicher ist ein anderer Wert: Auf die Frage, wie sich die Lage im Land entwickeln wird, glaubten nicht weniger als 63 Prozent der Befragten an eine Verschlechterung – keine gute Voraussetzung für einen Wahlerfolg der Regierung.
Doch gibt es auch äußerst positive Nachrichten. Dem primären Haushaltsüberschuss, also Einnahmen vor Zinszahlungen, von 3,5 Milliarden Euro stehen zwar Schulden der öffentlichen Hand gegenüber Privatleuten von 4,5 Milliarden Euro gegenüber, aber der symbolische Wert ist von unschätzbarem Wert für die griechische Wirtschaft. Wie die überraschten Griechen dieser Tage lesen konnten, hält nun Klaus Regling, der Direktor des Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM), die Staatsschuld Griechenlands für „tragfähig“. Da das Land keine neuen Schulden mache und die Zinszahlungen der Griechen für zehn Jahre gestundet worden seien, bestehe keine konkrete Gefahr eines Zahlungsausfalls, stellte er fest.
Der Bevölkerung geht die Luft aus
Für die Bevölkerung sind das vorerst aber nur Zahlenspiele. Ihre realen Löhne sind in den vergangenen Jahren um durchschnittlich 20 Prozent gefallen, gleichzeitig wurden Steuern empfindlich erhöht, und die Daumenschrauben werden zum Wohl des Budgetüberschusses auch weiterhin fest angezogen bleiben. Dass der Bevölkerung immer mehr die Luft ausgeht, zeigen zwei Zahlen: Griechenlands Firmen und Haushalte schulden dem Staat 64,5 Milliarden Steuern, und knapp ein Drittel aller Kredite wird nicht oder nur mit Verspätung bedient. Ganz abgesehen von der verheerenden Arbeitslosenrate von 27,5 Prozent, der höchsten in Europa. Kein Grund also für vorschnelle Freude aufseiten der Regierung – der nächste Zahltag steht bevor.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.04.2014)