Gas im Tank: Warum steigt keiner ins Auto der Zukunft?

Erdgasauto
Erdgasauto(c) FABRY Clemens
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Der Verkehr steigt, mit ihm die Emissionen. Tempo 100, Fahrverbote und der Hype um E-Autos bringen bis dato wenig. Dabei gibt es die Lösung längst: Erdgasautos sind billig und umweltfreundlich. Nur sexy sind sie nicht.

Im jüngsten Weltklimabericht, der am heutigen Sonntag veröffentlicht wird, verbirgt sich eine Überraschung für uns alle: Die am schnellsten wachsende Gefahr für das Klima sind weder rauchende Industrieschlote noch verdauende Kühe auf der Weide. Die größte Gefahr steckt in Ihrer Hosentasche – oder wo immer Sie Ihre Autoschlüssel aufbewahren.

Bis ins Jahr 2050 werden die Treibhausgasemissionen aus dem Verkehr um 71 Prozent ansteigen, heißt es da. So schnell wie in keinem anderen Bereich. Die Reaktionen der Regierungen wirken hilflos: Frankreich verbietet jedem zweiten Autofahrer tageweise, sich hinters Steuer zu setzen. China rationiert die Zahl der Neuzulassungen streng. In Österreich wird über Tempo 100 auf der Autobahn diskutiert. Und weltweit setzen die Staatenlenker ihre Hoffnung auf die Elektroautos.

Genutzt hat all das nichts. Der Verkehr und seine Emissionen steigen. Elektroautos bleiben bis dato teure Mangelware. Gerade einmal 3000 fahren auf heimischen Straßen. Noch müssen die Stromautos zu oft an die Steckdose, um mehr als ein Marketinggag von Politik und Industrie zu sein.


Unterschätzte Gasautos. Doch im Hype um die E-Mobilität ist eines untergegangen: Es gibt bereits eine billige Technologie, die sparsamer ist als Elektroautos und umweltfreundlicher als jeder Diesel. Das Erdgasauto. Fahren will es trotzdem niemand. Dass in Österreich im Vorjahr 860 Stück zugelassen wurden, feierte die Branche schon als Durchbruch. In Summe sind es nun 8200. Immerhin mehr als Elektroautos. Bei 4,64 Millionen zugelassenen Pkw im Land aber doch nur ein Nischenprodukt. Die Stadt Wien hat sich sogar von ihren Flüssiggasbussen verabschiedet und fährt wieder mit Diesel.

Gasautos werden unterschätzt, sagt Österreichs Energieregulator Walter Boltz zur „Presse am Sonntag“: „Sie sind die einzige Möglichkeit, mittelfristig im Verkehr messbare CO2-Einsparungen zu erzielen.“ Elektroautos seien nicht nur quasi unbezahlbar, sondern wegen der Übertragungsverluste auch weniger umweltfreundlich als ein Diesel. Gasautos hingegen stoßen nicht nur ein Fünftel weniger CO2 und deutlich weniger Feinstaub aus als Benziner und Diesel. Sie verbrauchen auch weniger und billigeren Treibstoff, weil der Fiskus bisher auf die Mineralölsteuer (MöSt) auf Gas verzichtet.

Aber warum hebt die intelligenteste Wahl beim Autokauf dann nicht ab? Ein Grund könnten die vielen Mythen sein, die sich um Erdgasautos ranken: Es gibt keine Tankstellen! Die Autos explodieren leichter! Die Einfahrt in Garagen ist verboten! Diese Sätze haben sich in die Köpfe potenzieller Käufer eingebrannt – und sie sind allesamt falsch. Die Schilder vor manchen Garagen, die Gasautos die Einfahrt verbieten, beziehen sich nur auf Autos, die mit Flüssiggas fahren. Das ist heute vor allem bei Pkw kaum noch der Fall. Wer ein neues Erdgasauto fährt, kann sie ignorieren. Explodierende Autos gibt es meist nur in Hollywood, wie Tests der Autofahrerklubs zeigen. Egal, womit die Autos fahren. Und mit 175 Erdgastankstellen ist Österreich nicht schlecht versorgt. Jenseits der Grenzen macht sich allerdings der kleine Benzintank bezahlt, der in jedem Gasauto steckt. Nur in Italien und Deutschland gibt es wirklich viele Gastankstellen.


Steuerzuckerl. Bleibt noch die (berechtigte) Sorge, dass die jeweiligen Finanzminister dieser Republik nicht ewig auf die MöSt auf Gas verzichten wollen. Da erst dieses Steuerzuckerl den Kauf eines Gasautos rasch rentabel macht, fordert Boltz, dass der Steuervorteil zumindest bis 2020 bleiben müsse. Aber auch Vorteile, die nichts kosten, wären hilfreich. Etwa eine exklusive Fahrerlaubnis für Erdgasautos an Tagen mit besonders hoher Feinstaubbelastung.

In der Garage des Regulators steht trotz der lobenden Worte auch kein Erdgasauto. Schuld sind nicht die Politiker, sondern die Hersteller: „Ich habe bisher keines gefunden, das groß genug war“, sagt Boltz. „Ein Audi A3 ist mir dann doch eine Spur zu klein.“

Fakten

Der Verkehr war 2012 in Österreich für 21,7 Prozent aller Treibhausgase verantwortlich. Seit 1990 ist das ein Anstieg um 54 Prozent.

Erdgasautos könnten eine rasch verfügbare Lösung für das Problem sein. Sie stoßen ein Fünftel weniger CO2 aus als Benziner. Sie sind kaum teurer in der Anschaffung und billiger beim Tanken.

Die Kunden greifen dennoch nicht zu. 860 Stück Erdgas-Kfz wurden im Vorjahr neu zugelassen. Bei insgesamt 415.313 Kfz-Neuzulassungen liegt der Erdgasanteil an den Neuanmeldungen bei 0,2 Prozent. In Summe sind 8200 Erdgasautos in Österreich unterwegs. Zum Vergleich: Elektroautos gibt es hierzulande bis dato 3000 Stück.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.04.2014)

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