Zalando zu Vorwürfen: "Normaler Teil unserer Leistungskultur"

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Eine Undercover-Journalistin erzählt über Psychodruck und Schikane beim deutschen Online-Händler. Zalando wehrt sich, auch juristisch.

Online-Händlern und Discountern wird häufig nachgesagt, auf Mitarbeiter Druck auszuüben und die Arbeitsbedingungen zugunsten der Unternehmen zu gestalten. Nun sorgt eine „RTL"-Dokumentation über den deutschen Online-Riesen Zalando für Aufregung. Darin prägen Aussagen von Zalando-Angestellten im Lager in Erfurt das Bild: "Was habe ich getan, dass ich jeden Tag bestraft werde?", fragt sich einer. "Ich bin fix und fertig.", ein anderer. Und: "Hör auf! Schwatz hier niemanden an. Das ist gefährlich!"

Ermittlungen gegen Journalistin

Eine Journalistin hatte sich undercover als Lagerarbeiterin bei Zalando in Erfurt beworben und in der Folge die dortige Situation als Mitarbeiterin angeprangert. Als die Tarnung der Reporterin am 28. März aufflog, sei es zu einem Polizeieinsatz gekommen, bestätigt Zalando – noch am selben Tag habe man eine Anzeige eingereicht. Der Vorwurf: Verrat von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen. Die Staatsanwaltschaft Erfurt hat die Ermittlungen aufgenommen.

Die Journalistin hatte einen Job als "Pickerin" angetreten. "Picker" sammeln aus der Masse von Aufträgen die Produkte aus den kilometerlangen Regalen zusammen und legen dabei angeblich bis zu 27 Kilometer am Tag zurück. Dabei wird die Tätigkeit mit Produktscannern aufgezeichnet. Die Vorgesetzten bei Zalando, die behaupten, nur das zu machen, was auch in anderen Unternehmen üblich sei, können aus den Scannern die Produktivität, aber auch die Standzeiten der Mitarbeiter ableiten. Unterdurchschnittliche Leistungen werden in Feedback-Gesprächen thematisiert, was Zalando auch verteidigt: "Das sei normaler Teil unserer Leistungskultur".

Druck auf Mitarbeiter

In einer ersten Stellungnahme nach der Ausstrahlung des Berichtes schreibt der Online-Händler auf Facebook: "Wir nehmen die Vorwürfe sehr ernst". Das Unternehmen übt allerings auch Kritik am Fernsehsender: Man habe vorab keinerlei Anfragen erhalten, um zu den Kritikpunkten Stellung nehmen zu können. Zalando verweist auf diverse Umfragen unter den Mitarbeitern, aus denen der weitaus überwiegende Teil der Mitarbeiter an "ihrer Tätigkeit Spaß habe" und auch plane, langfristig dem Unternehmen treu zu bleiben.

>>> #Sklavando: Shitstorm auf Twitter

Insgesamt wird der größte deutsche Internet-Händler in der Dokumentation als Arbeitgeber dargestellt, bei dem Druck gegenüber Mitarbeitern an der Tagesordnung steht, der sich auch negativ auf die Gesundheit des Personals auswirkt. Dass den Mitarbeitern medizinische Unterstützung verweigert werde, stellt der Online-Händler in seiner Stellungnahme in Abrede. Dass die Tätigkeit eines "Pickers" nur im Stehen und Gehen erledigt werden kann, liege in der Natur der Sache. Aus diesem Grund könne die Tätigkeit nur so ausgeübt werden oder eben nicht, lässt Zalando wissen. Als typische Wegstrecken, die ein Mitarbeiter während eines Tages zurücklegt, werden zehn bis 15 Kilometer angegeben.

Diebstahlskontrollen

Bei Zalando gibt es an den Ausgängen auch Diebstahlskontrollen. Die von einem Zufallsgenerator ausgewählten Mitarbeiter werden in einem Nebenraum überpüft. Gegen einen Pauschalverdacht wehrt sich das Unternehmen: "Wir kontrollieren jeden Tag nur stichprobenhaft eine sehr kleine, zufällig ausgewählte Gruppe von Mitarbeitern, um ein Mindestmaß an Warensicherheit zu gewährleisten. Diese Praxis entspricht dem Industriestandard." Von Pauschalverdacht könne nicht die Rede sein. Dass Mitarbeiter, die Hinweise zur Überführung eines Diebes liefern, 500 Euro erhalten, bestätigt das Unternehmen jedoch.

Zalando distanziert sich grundsätzlich auch von dem Vorwurf, eine Überwachungskultur zu fördern. Der harsche Ton der Vorgesetzten sei "bedauerlich und spiegelt in keiner Weise die von uns gewollte und gelebte Unternehmenskultur wider." Diesen Einzelfällen wolle Zalando nachgehen.

Entrüstung in sozialen Netzwerken

In den sozialen Netzwerken entlädt sich wie gewohnt die Empörung der Nutzer. Von Skandal, Verbrecherund moderner Sklaverei ist dort in Bezug auf die Dokumentation die Rede. Indes spricht Zalando von langfristig gesicherten Arbeitsplätzen an den Logistikstandorten, von angemessener Bezahlung und einem positiven Betriebsklima, das den Mitarbeitern auch Möglichkeiten zur Weiterentwicklung bietet. Einzelfälle, in denen Führungskräfte von Zalando den Ansprüchen nicht gerecht werden, sieht das Unternehmen als Auftrag zur Verbesserung.

Im Vorjahr ist bereits der Internet-Händler Amazon nach einer Dokumentation über die Arbeitsbedingungen ins Kreuzfeuer der Kritik geraten. Im Dezember wurde an mehreren Standorten in Deutschland gestreikt.

>>> RTL-Dokumentation über Zalando

(red.)

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