Zalando: Die Dauer-Empörten kaufen weiter

Imago
  • Drucken

Subtext. Das Web 2.0 empört sich gerade über Zalando. Dem Online-Händler Amazon hat's einst nicht geschadet.

Wer wissen will wie ein Unternehmen auf eine TV-Doku, die in reißerischer Manier die Arbeitsbedingungen scharf kritisiert, nicht reagieren sollte, der muss auf die Facebook-Seite des deutschen Online-Versandhändlers Zalando schauen. "Puh, die Emotionen kochen ziemlich hoch, aber da müssen wir wohl durch." Mit diesen Worten quittierte das - sichtlich "professionell" geschulte - PR-Team in einer ersten Reaktion die Vorwürfe, wonach bei Zalando Mitarbeiter sich nicht einmal kurz hinsetzen dürften und ständiger Überwachung ausgesetzt seien.

Ganz anders die Reaktionen der Twitteria und auf Facebook. Unter dem Hashtag #Sklavando fanden sich schon Minuten nach der Ausstrahlung der RTL-Dokumentation die ersten Web 2.0-Empörungstiraden über "menschenverachtende" Methoden des Online-Händlers, meist kombiniert mit der Ansage "nie wieder" bei Zalando kaufen zu wollen. Eine Situation, die sich in der Folge zu einer wahren Empörungswelle ausweitete.

Inhaltlich erinnert das Ganze stark an den Internet-Aufschrei gegen Amazon, nach der Ausstrahlung einer ARD-Dokumentation im Februar des Vorjahres. Auch damals wurden die Überwachung sowie lange Laufwege und Stehzeiten kritisiert (garniert allerdings mit einer im Neonazi-Umfeld beheimateten Security-Firma). Und auch damals wurde in die Internet-Öffentlichkeit tausende Male hinausgepostet, "nie wieder bei Amazon" kaufen zu wollen. Eine Empörungswelle, die das Wochenmagazin "Falter" sogar dazu bewog, "Abschied von Amazon" zu titeln.

Ein Jahr später ist von der Amazon-Protestwelle nichts übrig geblieben. Das zeigen ganz nüchtern die Geschäftszahlen des US-Händlers. So wuchs dieser in Deutschland im Jahr 2012 (also vor der Empörungswelle) um 20,78 Prozent. 2013 (im Februar startete die Empörungswelle) gab es ein Wachstum von 20,65 Prozent. Den Dauer-Empörten des Internets scheinen also schnelle Lieferung und fehlende Versandkosten doch wichtiger zu sein, als das angebliche Leid freiwillig tätiger Lagerarbeiter.

Ohne Zweifel: Ein Job bei Amazon, Zalando oder einer der vielen anderen Logistik-Firmen ist anstrengend und nicht überbezahlt. Unsere Gesellschaft braucht aber auch diese Jobs. Sie bieten Menschen mit geringer Bildung eine Chance, der Arbeitslosigkeit zu entrinnen. Viele der Betroffenen scheinen das auch so zu sehen. Das zeigt eine Protestaktion von Amazon-Mitarbeitern aus dem Jänner. Damals unterschrieben über 1000 Arbeiter eine Petition. Diese richtete sich nicht gegen den Konzern, sondern gegen die Gewerkschaft. Die Arbeiter wollten so gegen das "negative Bild" demonstrieren, das erzeugt werde. Ob das die Dauer-Empörung schmälern kann?

E-Mails an: jakob.zirm@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.04.2014)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

International

Zalando zu Vorwürfen: "Normaler Teil unserer Leistungskultur"

Eine Undercover-Journalistin erzählt über Psychodruck und Schikane beim deutschen Online-Händler. Zalando wehrt sich, auch juristisch.
International

#Sklavando: Zalando im Auge des Shitstorm

Die deutschsprachige Twitter-Community widmet ihre kurze Aufmerksamkeitsspanne aktuell dem größten deutschen Online-Händler.
International

Online-Händler Zalando vor Börsengang im Herbst

Großaktionär Kinnevik bewertete den größten deutschen Online-Händler zuletzt mit 3,8 Milliarden Euro.
International

Zalando zu Vorwürfen: "Normaler Teil unserer Leistungskultur"

Eine Undercover-Journalistin erzählt über Psychodruck und Schikane beim deutschen Online-Händler. Zalando wehrt sich, auch juristisch.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.