Inder schmuggeln Gold wie Kokain

Goldbarren
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Weil die Regierung den Import verboten hat, schmuggeln Inder hunderte Tonnen Gold ins Land. Chirurgen haben jetzt sogar 14 Unzen Gold im Magen eines 63-jährigen Mannes gefunden.

Mumbai/Wien. Die Inder galten schon immer als Goldfans, aber was sich derzeit auf indischen Flughäfen abspielt, ist beispiellos. Der Goldschmuggel explodiert, weil die indische Regierung die Importzölle auf das Metall im vergangenen Jahr gleich dreimal erhöht hat. Derzeit stehen sie bei zehn Prozent – und der Bevölkerung ist der Import von Gold überhaupt verboten.

Der Grund: Indien will die Rupie verteidigen und das Handelsbilanzdefizit verringern. Das Problem: Die meisten Inder interessiert das überhaupt nicht. Die wenigsten besitzen Wertpapiere, nur rund die Hälfte hat überhaupt ein Bankkonto. Gold ist in Indien Sparbuch, Aktiendepot, Mitgift und Schmuck zugleich, die Nachfrage ist in den vergangenen zehn Jahren um 30 Prozent gestiegen und lag 2013 mit (offiziell) rund 1000 Tonnen zwar erstmals hinter China – aber eben nur offiziell. In Wahrheit kaufen die Inder – knapp eine Milliarde – weiterhin das meiste Gold weltweit.

Gold-Bodypacker

Den Schätzungen des World Gold Council zufolge wurden vergangenes Jahr mindestens 200 Tonnen Gold geschmuggelt. „Die Goldnachfrage in Indien trocknet nicht einfach aus, weil die Regierung den Import blockiert“, sagte Bachhraj Bemalwa, Direktor der All India Gem and Jewelry Trade Federation, zum „Wall Street Journal“: „Die Menschen sind einfach verrückt nach Gold.“

Dank der Importzölle und anderer Restriktionen liegt der Goldpreis auf dem indischen Binnenmarkt inzwischen rund 20 Prozent höher als beispielsweise in Dubai. Heißt: Der Goldkauf im Ausland zahlt sich für die Inder allemal aus. Und seit die Zölle erhöht wurden, finden Zollbeamte das Edelmetall in praktisch jeder Form und jeder Ritze. So ersetzen manche Inder ihre Handybatterie durch einen Goldbarren. Einmal fanden Reinigungskräfte 24 Kilo Gold in einer Flugzeugtoilette. Ein Mann ließ gar 109 große Büroklammern aus purem Gold anfertigen, übermalte sie grau und nutzte sie bei der Verpackung eines TV-Geräts, das er legal importierte. Gesamtwert der Büroklammern: rund 30.000 Dollar.

Besonders spektakulär ist aber, dass es in Indien inzwischen sogar Gold-Bodypacker gibt, wie man sie sonst nur vom internationalen Drogenschmuggel kennt. So berichtet die BBC von einem 63-jährigen Mann, der vor rund einer Woche wegen „Verstopfungsbeschwerden“ operiert werden musste. Die nicht ganz nachvollziehbare Erklärung des Mannes, als er zum Arzt kam: Er hätte „aus Ärger“ einen Kronenkorken verschluckt. Doch statt eines Kronenkorkens fanden die Chirurgen rund 14 Unzen Gold im Darm des Mannes. Gold, das von den Zollbehörden sogleich konfisziert wurde.

Pakistan hat schon aufgegeben

Eine andere Masche ist die Ausnutzung einer Gesetzeslücke: Inder, die sechs Monate im Ausland gearbeitet haben, dürfen ein Kilo Gold importieren. Deswegen nutzen viele reiche Inder ihre armen Landsleute, die in Dubai und anderen Städten als Gastarbeiter leben, als Kuriere. So kam es, dass Ende Februar auf einem Flug von Dubai in die Küstenstadt Calicut fünfzig Passagiere Gold zu deklarieren hatten.

Für dieses Gold sind zwar die zehn Prozent Importzoll zu bezahlen – dafür ist es legal und immer noch günstiger als auf dem Binnenmarkt. Allein die Passagiere dieses Fluges importierten Gold im Wert von rund 2,5 Mio. Dollar. In Mumbai schoss der Goldimport dieser Art binnen eines Jahres von vier auf 1700 Kilogramm.

Die Zollbeamten wissen freilich, dass die Gastarbeiter das Gold für reichere Landsleute ins Land bringen. „Ganze Familien kommen hier an und haben die Taschen voll mit Gold“, sagte ein Beamter dem „WSJ“. „Sie erzählen uns, dass sie das Gold für Hochzeiten brauchen. Aber wir wissen alle, dass sie nur Kuriere sind.“ Bis Mitte Mai laufen noch die landesweiten Wahlen. Eine neue Regierung wird den Goldimport wohl wieder erlauben. Pakistan ist schon einen Schritt weiter. Dort wurde das Importverbot vergangene Woche aufgehoben. Eingeführt hatte man es übrigens, um den Goldschmuggel nach Indien zu unterbinden. Es hat nicht funktioniert.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.04.2014)

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