Sind Chinas Schulden gefährlich?

People gather in front of a branch of Rural Commercial Bank of Huanghai in Yancheng, Jiangsu province
People gather in front of a branch of Rural Commercial Bank of Huanghai in Yancheng, Jiangsu provinceREUTERS
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Die hohe Verschuldung chinesischer Unternehmen bereitet westlichen Investoren Kopfzerbrechen. Die Sorgen seien übertrieben, meinen hingegen Anleihenexperten aus Hongkong.

Chinas Wirtschaft ist im ersten Quartal um 7,4 Prozent im Jahresvergleich gewachsen. Sollte es in diesem Tempo weitergehen, stünde der zweitgrößten Volkswirtschaft der Welt heuer das schwächste Wirtschaftswachstum seit 24 Jahren ins Haus. Das Wachstum wäre freilich immer noch höher als in den meisten anderen Regionen der Welt. Doch die Regierung will die Wirtschaft von einer exportorientierten zu einer konsum- und dienstleistungsgetriebenen umkrempeln. Und hier könnte sich die rasant angestiegene Verschuldung von Privaten und Unternehmen als Problem erweisen.

Denn China sitzt zwar auf hohen Währungsreserven und vergleichsweise geringen Staatsschulden. Doch der gesamte Schuldenberg, den Private, Unternehmen und staatliche Institutionen angehäuft haben, ist laut Berechnungen von Standard&Poor's mehr als doppelt so hoch wie das Bruttoinlandsprodukt. Skeptiker meinen, die Schulden, die etwa Unternehmen bei Schattenbanken haben, seien gar nicht hinreichend erfasst. Schattenbanken sind Finanzinstitute, die kaum reguliert sind und keinen Zugang zur Zentralbank haben. Unklar ist auch, wie viele Firmen sich nur noch dadurch über Wasser halten, dass sie immer neue Kredite aufnehmen.


Staat rettete Firmen nicht. Kürzlich sorgte der Ausfall zweier Firmenanleihen für Aufsehen. Der Baumaterialproduzent Xuzhou Zhongsen Tonghao und der Solarhersteller Chaori konnten ihre Zinszahlungen nicht bedienen. In Europa oder den USA ist so etwas nicht ungewöhnlich. In China schon– dort war in solchen Fällen bisher der Staat den strauchelnden Unternehmen zu Hilfe gekommen. Und der half diesmal nicht. Grund zur Beunruhigung?

„Wollen Sie wirklich lieber in eine Volkswirtschaft investieren, in der es nie zu Ausfällen von Anleihen kommt?“, fragt Chi Lo, Analyst bei BNP Paribas Investment Partners. Der Ausfall der beiden Unternehmensanleihen werde seiner Meinung nach dazu führen, dass Investoren für Risiko endlich entsprechend hohe Aufschläge erhalten– wie im Westen auch. China sei auf dem Weg zur Normalisierung– und für Investoren attraktiver als entwickelte Länder, meint er und verweist auf die Renditen von Staats- und Unternehmensanleihen, die um 1,5 bis zwei Prozentpunkte über dem Wert von deutschen oder US-amerikanischen Anleihen gleicher Bonität liegen.

Die Sorge wegen der Schuldenkrise in China sei zwar nicht völlig unberechtigt, aber jedenfalls übertrieben, sagt Chi Lo. Die Gesamtverschuldung sei in den USA, Großbritannien, Frankreich oder Japan deutlich höher als in China. Auch die Situation der Schattenbanken sei weniger dramatisch, als im Westen oft angenommen werde, meint BNP-Anleihenexpertin Adeline Ng. „Das Volumen der Schattenbankengeschäfte in China ist zwar stark gestiegen, mit einem Anteil von 68 Prozent am Bruttoinlandsprodukt aber kleiner als das der Schattenbanken in Europa, in Japan oder den USA, wo der Anteil über 140 Prozent liegt.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.04.2014)

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