Ukraine: Was treibt den „Paten von Donezk“?

Rinat Achmetow
Rinat Achmetow(c) EPA (Sergey Dolzhenko)
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Man würde meinen, ein Wink von ihm genügte, um die Situation in der Ostukraine zu beruhigen. Entweder verliert Oligarch Rinat Achmetow seinen Einfluss. Oder er taktiert.

Wien. Schlackenkegel säumen den Weg durch die Einöde der Provinz. Kohlehalden die Zufahrten zu den Schächten. Allenthalben ragen Fördertürme als Wahrzeichen aus der hügeligen Landschaft. Phallischen Symbolen gleich, zeugen sie von der Wirtschaftspotenz jenes Mannes, mit dem sich in der Ukraine seit 20 Jahren keiner messen kann. Auch nicht in Sachen politischer Einfluss. Sein Name: Rinat Achmetow.

Auf 11,6 Mrd. Dollar schätzt das Forbes-Magazin das Vermögen des 47-Jährigen und weist ihm damit Platz 100 unter den weltweit Reichsten zu. In der Ukraine ist er Nummer eins. Besonders in der ostukrainischen und russischsprachigen Industrieregion Donbass. Als „Pate von Donezk“ wird er gelegentlich bezeichnet. Gebündelt hat er seine Aktiva in der Gruppe „System Capital Management“ (SCM), die 300.000 Leute beschäftigt. Bergbau und Stahlerzeugung gehören dazu, Telekommunikation und Medien, Banken und Energie. Allein sein Kohle- und Stromerzeuger DTEK kontrolliert die Hälfte des ukrainischen Kohlemarktes und deckt ein Drittel der ukrainischen Stromproduktion. 23,47 Mrd. Dollar setzte SCM 2012 um. Der Gewinn: 1,8 Mrd. Dollar.

„Der einzig richtige Weg“

Gerade in der paternalistischen Gesellschaft der Ostukraine hat Achmetow Einfluss genug, um angesichts der gewaltsamen Aktionen prorussischer Separatisten ein politisches Machtwort zu sprechen.

Umso mehr sind Beobachter verwundert, dass Achmetow seit Wochen sehr zurückhaltend auftritt. Gewiss, in einer Erklärung hat er dargelegt, dass Verhandlungen „der einzig richtige Weg“ sind. Auch hat er sich beim Besuch von Übergangspremier Arseni Jazenjuk mit diesem im TV gezeigt. Und bei einem Treffen mit Separatisten hat er zwar Sympathie mit der geforderten politischen Dezentralisierung bekundet, aber auch festgehalten, dass der Donbass zur Ukraine gehört.

Dennoch: „Man hat den Eindruck, Achmetow könnte mehr für den Zusammenhalt des Landes und die Deeskalation tun“, sagt ein westlicher Diplomat, der anonym bleiben möchte, zur „Presse“. So wurde nichts von aktuellen Verhandlungen mit Achmetows Beteiligung bekannt. Auch bei der Sitzung der von ihm mitfinanzierten Partei der Regionen am Mittwoch fehlte er.

Dass Achmetow, der übrigens seinem Fußballclub Schachtjor Donezk kürzlich ein hochmodernes Stadion errichtet hat, eine Abspaltung der Region und eine Annexion an Russland à la Krim möchte, gilt als wenig wahrscheinlich. „Das kann er nicht wollen“, sagt Präsidentschaftskandidatin Julia Timoschenko, die angeblich seine politische Unterstützung sucht, zur „Presse“. In der Tat hat er als gebürtiger Tatare mit Moskau nicht sonderlich viel am Hut, zumal ihm die dortigen großen Tycoons das Leben schwer machen könnten.

Nicht alle Eier in einen Korb

Anscheinend denkt Achmetow noch nach, wie Taras Kuzio vom Canadian Institute for Ukrainian Studies meint. Achmetow steht vor einer neuen Situation. Er, der einst den nun gestürzten Ex-Präsidenten Viktor Janukowitsch groß gemacht hatte, muss sich erst einen neuen politischen Arm oder einen vorteilhaften Kontakt mit den neuen Machthabern aufbauen. Als Geschäftsmann wolle er nicht alle Eier in einen Korb legen, lautet die allgemeine Einschätzung.

In der Tat ist schwer zu prognostizieren, wie sich die Situation entwickelt. Glück ist unbeständig im Land, wie Achmetow weiß, begann sein legendärer Aufstieg doch damit, dass er nicht im Stadion war, als der Verbrecherboss Alik Grek dort 1995 im Rahmen eines Bandenkrieges in die Luft gesprengt wurde. Jahre später mussten Unternehmer wiederholt flüchten, weil sich das Schicksal gewendet hatte. Zuletzt waren es Gegner von Janukowitsch. Zuvor, nach der Orangen Revolution 2004, hatte sich Timoschenko an den Oligarchen gerächt und erwirkt, dass Achmetow und seinem Partner das Stahlgroßwerk Kryworischstal weggenommen wurde. Und so wartete Achmetow 2005 in Monaco zu, wie sich die Dinge zu Hause entwickeln würden. Es war die Zeit, als er auch in Wien um Aufenthaltsgenehmigung ansuchte und als Gegenleistung Investitionen in Spitäler bot.

Österreich, das den nun in Wien festgesetzten ukrainischen Oligarchen Dmitro Firtasch schon damals pfleglich behandelte, zumal Raiffeisen Invest AG Firtaschs Anteil an der dubiosen Gasfirma Rosukrenergo treuhändisch hielt, lehnte Achmetows Antrag ab.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.04.2014)

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