Nichts fliegt mehr: Die Bruchpiloten von Lübeck

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Subtext. Lübeck Airport ist pleite. Schuld sind der Größenwahn von Kleinstädtern und untergetauchte Investoren.

Der Flughafen der Hansestadt Lübeck ist pleite. Zugegeben, das ist keine Nachricht, die über die „Breaking News"-Ticker der Weltmedien ging. Trotzdem schade. Von der Aussichtsplattform des Terminals blickt man auf saftige Wiesen mit schwarz-weißen Kühen. So weit das Auge reicht. Im hohen Norden Deutschlands gibt es mehr Kühe als Menschen. Außer in Hamburg, dessen Flughafen verdammt nahe liegt. Dennoch waren in LBC für den Sommer tolle Ziele geplant: mit Ryanair nicht nur zum obligaten Ballermann, sondern auch zu den Topdestinationen Bergamo und Pisa. Mit Wizz Air ins unterschätzte Danzig oder - zurzeit besonders attraktiv - nach Kiew-Schuljany.

Doch ach, es half alles nicht. Zuletzt gab es nur noch 360.000 Passagiere pro Jahr - ein gutes Stück entfernt von den zehn Millionen, ab denen man laut Experten mit einem deutschen Flughafen Geld verdienen kann.
Die Politiker des hoch verschuldeten Städtchens wären den Landeplatz für Millionenverluste gern losgeworden. Doch ein Käufer aus Neuseeland gab seine Anteile nach drei Jahren ohne Dank zurück. 2009 verhinderten die Bürger das wirtschaftlich gebotene Aus - offenbar ist den Lübeckern seit den Zeiten der Buddenbrooks der Geschäftssinn abhandengekommen.

Als Retter trat ein dubioser ägyptischer Geschäftsmann auf. Mohammed Rady Amar zahlte einen Euro, ließ der Stadt die Schulden, versprach aber das Blaue von einem bald schon kerosingeschwängerten Himmel, Hotel und Kongresszentrum inklusive. Gehalten hat er nichts, Pachtzahlungen stellte er bald ein. Vorige Woche verkaufte er an einen noch dubioseren Berliner Investor. Seitdem sind beide, zum Kummer der Kämmerer, unerreichbar und unauffindbar. Also: alles canceln, Insolvenz anmelden. Ein schwacher Trost: 30 sinnlosen deutschen Regionalflughäfen geht es ähnlich. Ryanair, bisher meist Rettungsanker und rudimentäres Geschäftsmodell, konzentriert sich auf größere Airports. Für die Lufthansa gibt es keinen Grund, sich selbst im Dunstkreis ihrer Drehkreuze auf Bonsai-Flughäfen Konkurrenz zu machen.

In Kassel-Calden (kostete den Steuerzahler 271 Mio.) freuten sich am Tag nach der Eröffnung vor einem Jahr wenigstens die Taxifahrer: Weil sechs Buchungen für eine Boeing 737 nicht reichen, durften sie die Passagiere 70 Kilometer zum Flughafen Paderborn fahren. Zwei Chefs hat man in Kassel schon gefeuert, als praktische Sündenböcke. Diesen Winter gab es dort null Linienflüge. Null. Also wirklich wenig.

karl.gaulhofer@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.04.2014)

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