»Cooles Design und guter Preis reichen nicht aus«

Michael Mücke, CEE-Chef des weltgrößten HotelbetreibersAccor (Ibis, Mercure, Sofitel), über frühstückende Chinesen, die sinkende Ehrfurcht vor Luxushotels und den »hybriden Gast«.

Ausgerechnet das – jedenfalls von außen betrachtet – eher schmucklose Ibis Budget Hotel am Wiener Mariahilfer Gürtel hat sich Michael Mücke als Treffpunkt ausgesucht. Dabei hätte es auch das luxuriöse Sofitel sein können. Denn der weltgrößte Hotelbetreiber, Accor, deckt mit 13 verschiedenen Hotelketten das gesamte Spektrum vom Budget bis High End ab. Michael Mücke stattete Wien als Chef der neu geschaffenen Accor-Region Central Europe einen Besuch ab.

Ist der Hotelmarkt in Wien mittlerweile überhitzt? Gibt es zu viele neue Hotels?

Michael Mücke: Das sehe ich nicht so. Wien hatte vergangenes Jahr ein Rekordjahr, was die Nächtigungen betrifft.

Aber man muss das ja auch in Relation zur Auslastung sehen und vor allem zum Ertrag. In Wien herrscht ein ziemlicher Preiskampf, die Hotels müssen schauen, dass sie ihre Betten voll bekommen.

Wenn man sich das mathematisch anschaut, dann ist der Angebotszuwachs an neuen Betten in den vergangenen Jahren nicht größer gewesen als der Zuwachs an Nächtigungen. Es stimmt schon, Wien ist günstiger als die meisten anderen europäischen Hauptstädte. Das ist für die Hoteliers einerseits ein Nachteil, andererseits aber auch ein Vorteil. Denn Reisende überlegen sich gut, ob sie die extra 300 Euro in ein Hotel in einer andren Stadt stecken oder lieber in Wien für eine Handtasche ausgeben. Wien profitiert als Destination von den günstigen Preisen.

Die meisten Hoteliers sehen das anderes.

Hoteliers jammern natürlich immer. Im Midscale-Bereich ist es tatsächlich etwas enger geworden. Die beiden Extreme nach oben und unten profitieren aber von der gestiegenen Nachfrage.

Worauf führen Sie das zurück, dass einerseits Budget- und andererseits Luxushotels immer mehr gefragt sind?

Die Qualität in der Budgethotellerie ist in den vergangenen Jahren stark gestiegen. Außerdem geht es uns Europäern gut. Im Luxusbereich gibt es wiederum viele internationale Reisende, die nach Europa kommen. Die Nachfrage nach höherklassigen Hotels ist definitiv da.

Accor ist ein Konzern, der weltweit Hotels in allen Kategorien anbietet. Wohin geht die Reise, was die Kundenwünsche betrifft?

Die Emotionalisierung der gesamten Kaufentscheidung ist viel höher geworden. Das gilt mittlerweile für alle Kategorien. Früher war das eher dem Upscale-Segment vorbehalten. Der Trend ist jetzt im unteren Bereich angekommen.

Was heißt das konkret für ein Hotel?

Das Angebot muss mit einer glaubwürdigen Story hinterlegt sein. Das fängt im Web an und setzt sich dann fort beim Aufenthalt. Es geht darum, wie ich den Kunden begleite. Nur cooles Design und ein guter Preis reichen nicht mehr aus. Viele Produkte sind austauschbar, sie sind im Design eher modern oder traditionell, aber die Unterschiede werden immer kleiner. Wenn ich dann nur ein Service mache, das den Gast zufriedenstellt, „hat ja gestimmt“, ist das zu wenig. Darüber wird der Gast nicht sprechen, die Marke schnell vergessen. Wenn man aber positive Überraschungen bietet, eine Beziehung aufbaut, dann entsteht Glaubwürdigkeit.

Das heißt, man muss vor allem in mehr Personal investieren?

Das hat nicht nur mit der Anzahl des Personals zu tun, sondern mit der Qualität. Mit guter Schulung, mit der Einstellung des Personals. Da ist das Training wichtig, aber auch die Vorbildwirkung der Führungskräfte im Hotel. Man kann nicht alles trainieren, man muss bestimmte Dinge auch vorleben.

Wie ist denn die Stimmung bei den Businessreisen? Wird in dem Bereich gespart?

Das ist nach wie vor ein sehr stabiles Segment, insbesondere in Europa. Da hilft uns, dass die konjunkturellen Kräfte in Europa sehr stark deutschlanddominiert sind. Wir wissen ja, die Deutschen sind Reiseweltmeister. Natürlich haben Firmen sehr oft Reisekostenrestriktionen. Das ist aber nicht nur in Krisenzeiten so. Man darf als Hotelier vor allem nie vergessen, dass die Businessreisenden auch Privatpersonen sind. Das heißt, die nehmen ihre Wahrnehmung der Marke auch mit nach Hause. Wenn die dann sagen, ich fahre jetzt einmal privat nach Wien, und ich war schon einmal beruflich dort und das Hotel ist nicht nur ein steriler Business-Schuppen, dann kann man zwischen Leisure und Business gute Verbindungen herstellen.

Gibt es Verschiebungen im Business-Segment zwischen Budget und Luxus?

Wir reden gern über den hybriden Gast. Es gibt nicht mehr diese Zuordnung: Budget, das sind Leute mit keinem Geld. Luxus – Leute mit viel Geld. Sie sehen heute dicke Autos vor Budgethotels, und Sie sehen über Tour Operators Leute in Luxushotels, von denen man sagt, die sind sicher anlassbezogen dort. Die Systeme sind durchlässiger geworden, der Gast ist cleverer.

Man muss sich als Hotel also immer mehr auf individuelle Bedürfnisse einstellen, weil das Spektrum an Gästen größer wird?

Die Gäste sind viel informierter und selbstbewusster geworden. Vor 20 Jahren gab es vielleicht eine Ehrfurchtshaltung gegenüber einem Luxushotel, das gibt es heute viel weniger. Leute trauen sich mehr, ihre Bedürfnisse zu formulieren. Und die Hotels sind auch flexibler geworden, um den Gast genau bei seinen Bedürfnissen abzuholen.

Gerade in Wien ist der Luxusmarkt sehr dynamisch. Wie trifft man da als Hotelbetreiber den Mittelweg, dass sich das Geschäft einerseits rentiert und man andererseits dem Gast auch etwas bietet, was einen von den anderen Hotels differenziert?

Wichtig ist es, höchste Ansprüche an die Qualität des Standortes zu stellen. Man muss eine entsprechende Gebäudehülle bieten mit einem aufsehenerregenden inneren Design. Und man muss eine Story erzählen. Beim Sofitel ist das die ,French Elegance‘. Wir ziehen stark die französische Karte.

Was macht Wien als Standort attraktiv?

Wichtig ist die internationale Anbindung von Wien, durch die UNO und als Kongressstadt. Ein Hotel in Wien zu haben bringt einen wichtigen Streueffekt für andere Städte in Europa. Denn Luxushotelgäste sind viel internationaler als Midscale- und Economy-Gäste. Man trifft in einem Ibis-Budget in Wien viel mehr Österreicher als in einem Sofitel oder Pullman.

In welchen europäischen Ländern sehen Sie das meiste Wachstumspotenzial?

In den großen Städten ist vor allem im Bereich von Economy noch Luft nach oben. Auch in den kleineren Städten sehen wir noch Potenzial, mit Franchisepartnern zu wachsen. Wir werden 2014 25 neue Hotels in der Region Zentraleuropa eröffnen, die meisten in den Kernländern Deutschland und Österreich. Für zeitgemäße, moderne Hotels mit einer starken Marke ist immer noch Platz.

Die Herkunftsländer der Touristen ändern sich. Asien ist groß im Kommen. Bedeutet das für die Hotellerie nicht auch eine große Umstellung, weil die Gäste ganz andere Ansprüche haben?

Das ist ein spannendes Thema. Accor ist ja auch in Asien stark präsent, wir sind dort Nummer eins. Der Grund ist der, dass das unglaublich prosperierende Wirtschaftsräume sind, wo Städte Übernachtungsaufkommen im Millionenbereich haben. Die Asiaten, die heute nach Deutschland kommen, das sind zwei Segmente. Das eine ist Business, die kommen meistens als Gruppe. Das zweite sind Freizeitreisende in organisierten Reisegruppen. Das Individualgeschäft aus Asien findet zurzeit nur punktuell statt. Das wird aber kommen, mit dem wachsenden Reichtum der Mittelschicht. Die chinesischen Familien der Mittelschicht werden kommen, nach Berlin, Wien, Paris, Amsterdam.

Welche Unterschiede zu westlichen Gästen stellen Sie fest?

Frühstück ist zum Beispiel ein komplett anderes Thema. Chinesen wollen warme Küche, sich viel länger Zeit nehmen beim Essen. Es reicht nicht, sich eine chinesische Tageszeitung aus dem Internet herunterzuladen und zwei chinesische Fernsehsender einzuspeisen. Chinese Operation Standards, das ist etwas, was wir gerade in deutschen Messestädten wie Düsseldorf einführen. Das wird auch in Wien zunehmend ein Thema werden.

Steckbrief

Michael Mücke startete seine Karriere bei Accor 1990. Zu Beginn war er für die Entwicklung neuer Hotels in Deutschland zuständig und betreute in der Folge die Economymarken. Seit 2002 ist er Geschäftsführer von Accor Deutschland.

2014 erhielt Mücke die Verantwortung über die Region Zentral- und Osteuropa.

Bilanz. Im Jahr 2014 erwirtschaftete Accor einen Umsatz von rund 5,5 Mrd. Euro und ein Nettoergebnis von 126 Mio. Euro.
Stanislav Jenis

Weltumfassend

Der weltgrößte Hotelbetreiber Accor ist mit 13 Hotelketten in 92 Ländern und über 3600 Hotels präsent. In Österreich betreibt die Kette 32 Hotels, darunter die Marken Sofitel, Pullman, MGallery, Grand Mercure, Novotel, Mercure, Adagio und Ibis.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.05.2014)

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