Alibaba entert die Wall Street

File photo of Jack Ma attending a corporate event on the outskirts of Hangzhou, Zhejiang province
File photo of Jack Ma attending a corporate event on the outskirts of Hangzhou, Zhejiang province(c) Reuters (� Carlos Barria / Reuters)
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In seinem Wohnzimmer in der ostchinesischen Stadt Hangzhou gründete Jack Ma vor 15 Jahren die Online-Plattform Alibaba. Nun geht er mit seinem Unternehmen an die New Yorker Börse.

Peking. Angeblich hatte Jack Ma keinen blassen Schimmer vom Internet, als ein Bekannter ihm bei seinem ersten US-Besuch 1995 die Funktion einer webbasierten Suchmaschine zeigte. Ma gab „Bier“ und „China“ ein. Das brachte zwar kein Ergebnis. Ma war trotzdem begeistert. Zurück in China wollte er seinen Freunden seine Neuentdeckung vorführen. Ein Modem hatte er sich aus den USA mitgebracht. Doch die Verbindung war sehr schlecht. „Wir warteten dreieinhalb Stunden und sahen eine halbe Seite“, erinnert sich Ma später in einem Interview mit der „New York Times“. Dennoch sei er stolz gewesen. Immerhin hat er bewiesen, dass das Internet auch in China existiert.

Größer als Facebook?

Knapp zwei Jahrzehnte später ist Jack Ma mithilfe seines Internetkonzerns Alibaba zu einem der reichsten Chinesen aufgestiegen– mit gerade einmal 49 Jahren. Und er wird in der Volksrepublik als Superstar gefeiert. Denn mit seinen Handelsplattformen Taobao, Alibaba und T-Mall hat er innerhalb weniger Jahre nicht nur den gesamten Handel umgekrempelt, sondern China mit einem Schlag zur weltweit größten Internetnation gemacht. Nun will er mit Alibaba auch die internationale Finanzwelt erobern.

Seit Mittwoch ist offiziell, dass Alibaba noch heuer in New York an die Börse gehen wird. Im vorläufigen Börsenprospekt ist zwar lediglich von einem Volumen in Höhe von einer Milliarde Dollar die Rede. Doch diese Summe dient lediglich der Registrierung. Analysten gehen von 15 bis 20 Mrd. Dollar aus und erwarten, dass dieser Börsengang sogar den von Facebook vor zwei Jahren überflügeln wird. Alibabas Aktiendebüt könnte der größte Börsengang der Geschichte werden. Diese Prognose ist keineswegs übertrieben. Analysten schätzen den Wert des gesamten Alibaba-Konzerns auf über 150 Mrd. Dollar.

Aufgewachsen ist Ma in der ostchinesischen Stadt Hangzhou. Er wusste von vielen neu entstandenen mittelständischen Firmen, die Kontakte zu ausländischen Unternehmen suchten. Doch die sprachlichen Barrieren waren für viele von ihnen zu hoch. Ma hatte als Fremdenführer schon früh Erfahrungen mit Ausländern gesammelt. Später wurde er Englischlehrer und lernte wiederum die Berührungsängste auf chinesischer Seite kennen. Das brachte ihn auf die Idee, beide Seiten zusammenzubringen– per Internet. Die Online-Kontaktbörse Alibaba war geboren.

Einkäufer fanden über Alibaba ihre Zulieferer für Unterhosen, Bananen oder große Lastfahrzeuge. Mittelständler ihre Geschäftspartner. Mas zweite Handelsplattform Taobao wiederum ist ein Marktplatz, auf dem selbstständige Verkäufer ihre Waren zu festen Preisen vertreiben. Während eBay Provision verlangt, ist der Handel bei Taobao kostenlos. Geld wird mit Onlinewerbung verdient oder wenn die Verkäufer ihr Produkt prominent platziert haben wollen.

Im Vorjahr haben 231 Millionen Käufer und neun Millionen Verkäufer Geschäfte im Wert von über 248 Mrd. Dollar abgewickelt. Beim Handelsvolumen ist Alibaba größer als Amazon und eBay zusammen. Allein zwischen April bis Dezember 2013 kam so ein Umsatz von 6,5 Mrd. Dollar zustande. Der Gewinn lag bei 2,9 Mrd. Dollar. Mit Alipay gehört darüber hinaus auch ein Bezahldienst zum Konzern.

Mit Alibabas Börsengang in der US-Metropole erfüllt sich Ma einen ganz persönlichen Traum. Schon als Kind saugte er in dem damals sich langsam öffnenden China alles auf, was mit den USA zu tun hatte. Seine Sprachkenntnisse haben ihm einst zu seinem Erfolg verholfen. Nun liegt ihm New York zu Füßen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.05.2014)

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