Burma: Wettlauf um den weißen Fleck

MYANMAR NEW CAPITAL NAY PYI TAW
MYANMAR NEW CAPITAL NAY PYI TAWEPA
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Seit 2012 sind Geschäfte mit Burma wieder erlaubt. Firmen buhlen nun um den bisherigen weißen Fleck auf der ökonomischen Landkarte – darunter auch viele aus Österreich.

Zehn Fahrspuren in eine Richtung, zehn Spuren in die andere. Es ist wohl die breiteste Stadtautobahn der Welt, die zum Präsidentenpalast in der burmesichen Hauptstadt Nay Pyi Taw führt. Auf dieser Straße stauen sich keine Autos. Es fahren auch kaum welche. Nur alle paar Minuten verliert sich ein einsames Fahrzeug in dem kilometerlangen Asphalt, der breit und lang genug für die Landung eines Jumbo-Jets wäre.

Es ist ein groteskes Bild, das sich Besuchern in Nay Pyi Taw bietet. Einer Kunststadt, deren Bau erst im Jahr 1995 begonnen wurde und die noch heute hauptsächlich aus Prunkstraßen, Regierungspalästen und leer stehenden Hotels besteht. Es ist aber auch ein Bild, das ahnen lässt, wie die kommunistische Militärdiktatur tickte, die das Land bis 2011 von der restlichen Welt abschottete. Burma (von der Diktatur in Myanmar unbenannt) wurde dadurch vom einst reichsten Land der Region zum Armenhaus Südostasiens.

Doch vor drei Jahren erkannten die Militärs, dass es ohne eine Verbesserung der wirtschaftlichen Lage nicht mehr weitergeht. Dafür war aber auch eine politische Öffnung notwendig. 2011 übergaben die Generäle die Macht daher offiziell an die erste zivile Regierung seit fast fünfzig Jahren. Ein Jahr darauf ließ diese dann 591 politische Häftlinge frei und schloss einen Waffenstillstand mit Separatisten, um die westlichen Sanktionen zu beenden. Seither sind auch für österreichische Firmen wieder Geschäfte möglich.

„Vor 2011 waren hier vielleicht fünf Firmen aktiv. Jetzt sind es bereits rund 40“, sagt Gustav Gressel, der für Burma zuständige Wirtschaftsdelegierte. Die Österreicher waren 2011 die erste westliche Nation, die eine Wirtschaftsdelegation in das Land entsendet hat. Zu einer Zeit, zu der die Sanktionen noch gar nicht aufgehoben waren. Ein Fakt, der bei Burmas Opposition nicht unbedingt Freude hervorgerufen hat.

Das ist inzwischen aber seit Langem vergessen. Und daher brach diese Woche Infrastrukturministerin Doris Bures als erstes österreichisches Regierungsmitglied in das 60-Millionen-Einwohner-Land auf, um sich mit Ministern zu treffen und so den im Schlepptau mitreisenden Firmen die Türen zu wichtigen Beamten zu öffnen. „Bei solchen Veränderungen ist es wichtig, von Anfang an dabei zu sein“, meint Bures.

Das offizielle Programm der Ministertreffen beschränkt sich dabei zwar auf zeremonielle Unterzeichnungen von Kooperations-Abkommen mitsamt diplomatischer Phrasen über „historische Tage“, die „Freundschaft zwischen den beiden Ländern“ und der künftigen „technologischen Zusammenarbeit der Staaten“. Entscheidend sind jedoch die Kontakte für die österreichischen Firmen, die diese dank des offiziellen Ministerbesuchs wesentlich schneller und leichter erhalten. „Die Abkommen sind eben die Grundlage für konkrete Projekte“, so Bures.

Dies vor allem, da der größte Nachholbedarf Burmas bei der Verkehrs- und Energieinfrastruktur liegt. Bereiche, die auch im Westen fest in staatlicher Hand sind. Dies gilt umso mehr für ein Land, in dem die Aufgabe des Industrieministeriums es bis vor Kurzem war, „Substitutionsprodukte für ausländische Waren herzustellen“, wie ein burmesischer Beamter vor heimischen Firmenvertretern erklärt.


Einstiegsdroge. „Unsere Flughafenfahrzeuge sind sozusagen die Einstiegsdroge“, sagt Hans Seebacher vom Feuerwehrauto-Hersteller Rosenbauer. Denn bei Flughafenfahrzeugen müssten auch in ärmeren Ländern internationale Standards eingehalten werden. Anders ist dies bei konventionellen Feuerwehrautos. Da sind die Fahrzeuge von Rosenbauer für Länder wie Burma einfach noch zu teuer.

Die Kosten sind auch bei anderen Produkten ein wichtiges Thema. „Die Preise müssen natürlich viel niedriger als in Europa sein. Vor allem die Konkurrenz chinesischer Anbieter ist sehr hart“, so Wolfgang Maier vom St. Pöltner Hersteller für Wasserkraftturbinen Voith Hydro. Doch es gibt auch einen Vorteil für westliche Anbieter. Der Wunsch nach mehr Unabhängigkeit.

„Die Chinesen hatten bereits eine derart dominante Stellung, dass es für das Land bereits gefährlich war“, so der Wirtschaftsdelegierte Gressel. Zudem seien chinesische Produkte zwar günstiger, oft aber bei der Qualität mangelhaft. Dies sieht auch der burmesische Energieminister U Khin Maung Soe so. „Die europäische Technologie ist teurer, sie gleicht das aber über ihre Langlebigkeit wieder aus“, sagt dieser im Gespräch mit der „Presse am Sonntag“.


Hohe Preise. Doch es gibt trotz all der Chancen natürlich auch Schwierigkeiten. So sind etwa die Preise für moderne Immobilien viel höher als in den Nachbarländern, obwohl Burma wesentlich ärmer als diese ist. Grund ist die stark steigende Nachfrage bei noch viel zu geringem Angebot. Für eine Zweizimmerwohnung nach westlichem Standard muss mit einer Miete von etwa 2100 Euro pro Monat gerechnet werden. Für viele Firmen ein Hinderungsgrund, eine lokale Dependance zu gründen. „Wer Geschäfte machen will, muss aber ,on the ground‘ sein“, sagt Harald Friedl, der für Andritz Hydro seit eineinhalb Jahren in Burma arbeitet. Denn vieles laufe nur über direkte Kontakte – mit E-Mails oder Telefonanrufen komme man da nicht weiter.

Ein alltägliches Thema ist in dem Land, das in den Ranglisten von Transparency International regelmäßig auf hinteren Plätzen zu finden ist, auch Korruption. Der burmesische Staatsminister U Soe Thein hat in seinem Gespräch mit Bures zwar von sich aus nach heimischem Know-how gefragt, weil er die Korruption eindämmen will. Derzeit dürfte die Situation aber noch anders aussehen. „Bei Großprojekten ist es fast unmöglich ohne Zahlungen. Da werden Firmen bei Genehmigungen einfach so lange behindert, bis sie selbst auf die Idee kommen, dass etwas Geld helfen könnte“, sagt Bert Morsbach, Österreichs Honorkonsul, der seit über zehn Jahren in Burma lebt.

Von einer anderen Erfahrung kann Erich Pellech von der Wiener Agentur Meta Communications berichten, die den fixen Auftrag für die Beobachtung der Berichterstattung über Burma in europäischen Medien in der Tasche hat. So sei bei einem Treffen mit dem Informationsminister ein großes Blumengesteck zwischen den Gesprächspartnern gestanden. „Als das Gespräch dann anscheinend zu lange gedauert hat, ist ein Mitarbeiter des Ministers plötzlich aufgestanden, hat das Tonbandgerät aus dem Gesteck geholt und wortlos das Zimmer verlassen.“

Der Autor war auf Einladung von Infrastrukturministerium und Austrian Institute of Technology in Burma.

Zahlen

73Euro verdient ein ungelernter Fabriksarbeiter in Burma pro Monat im Schnitt.

2100Euro kostet ein modernes Zweizimmerappartment in der wirtschaftlichen Metropole Yangon (Rangun) pro Monat. Doppelt so viel wie noch vor zwei Jahren.

40Firmen aus Österreich sind bereits in Burma aktiv. 2011 waren es gerade einmal fünf.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.05.2014)

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